Seit einiger Zeit ist immer wieder von Kreislaufwirtschaft oder englisch: Circular Economy die Rede. Was genau bedeutet das eigentlich? Im Grunde geht es darum, Produkte nach ihrer Nutzung nicht einfach zu entsorgen, sondern je nach Zustand verschiedenen weiteren Verwendungen zuzuführen. Idealerweise können sie nämlich entweder einfach weitergenutzt oder repariert werden, um ihre Lebensdauer zu verlängern.
Ist das nicht möglich, könnte das jeweilige Produkt in einem weiteren Schritt wieder aufbereitet werden und dann weiter genutzt werden. Das wird zum Beispiel mit Smartphones oft gemacht, die dann entsprechend günstiger als sogenannte „refurbished“ Modelle wieder verkauft werden.
Ist auch das irgendwann nicht mehr möglich, bleibt noch das Recycling: Die Bestandteile eines entsorgten Produkts werden für die Herstellung neuer Produkte verwendet. So kann tatsächlicher Müll drastisch reduziert werden.
Künstliche Intelligenz in der Kreislaufwirtschaft
Dr. Andreas Rausch sieht Bewegung in dem Thema. Der geschäftsführende Direktor des Institute for Software and Systems Engineering an der TU Clausthal hielt am Freitag beim Innovationsforum Recyclingregion Harz einen Vortrag über KI-Anwendung für die Circular Economy. Wir befänden uns zwar noch in einem linearen Wirtschaftssystem, das ändere sich aber. Als Beispiel nennt Rausch das „Vintage-Fieber“ seiner Kinder – früher hieß die Wiederverwendung alter, getragener Klamotten Second-Hand-Mode. Rausch sieht einen starken Zuwachs im „Re-use“, in der Wiederverwendung.
Als Zukunftsperspektive skizziert der Forscher einen Datenmarkt, um sowohl Produktion, als auch Recycling ökonomischer zu gestalten. „Produzent und Recycler haben ein wechselseitiges Informationsinteresse“, erklärt Rausch: Für das Recycling ist der Bauplan eines Produkts interessant, um es möglicht effizient in seine Einzelteile zerlegen zu können. Im Gegenzug könnte der Produzent vom Zustandsbericht des Recyclers profitieren, weil der Auskunft darüber gibt, welche Teile auch am Ende ihrer Lebenszeit noch in so guter Verfassung sind, dass künftig an ihnen gespart werden könnte.
Auf einem solchen Datenmarkt könnten diese Informationen automatisiert ausgetauscht werden, erklärt Rausch. Und Unternehmen müssten auch nicht ihre geheimen Baupläne preisgeben: Die Informationen ließen sich entsprechend auf das Wesentliche reduzieren.
Circular Economy-Kiosk als Dorftreffpunkt
Wegwerfen sei aktuell einfach, sagt Andreas Rausch. Mit digitalen Anwendungen könne solche Leichtigkeit auch für Reparatur- und Aufbereitungsprozesse erreicht werden. Beispiele aus der Kreislaufwirtschaft von Verbraucherelektronik zeigen: Mit manchen Apps klappt das schon spielerisch. Das reicht aber nicht für null Ressourcenverbrauch in unserer Region – und das, so ist Rausch zu verstehen, ist durchaus das Ziel: „Es würde uns gut stehen, eine Modellregion zu werden in der Bundesrepublik oder sogar international.“
Um den bislang „komplizierten Logistikprozess in der Circular Economy“ (Rausch) gefälliger zu gestalten, entwickelt die TU Clausthal in einem gemeinsamen Projekt mit der Ostfalia Hochschule ein Netzwerk regionaler Circular Economy-Kioske. Die sollen in etwa so aussehen wie DHL-Paketstationen. Darüber kann dann zum Beispiel der Tausch von Haushaltsgeräten organisiert oder Elektronik zur Reparatur abgegeben werden. Solche Kioske sind unter anderem in Clausthal und in Goslar geplant.
Dr. Dirk Schöps, Cluster Manager bei Rewimet, einem Recycling-Netzwerk, schlägt dazu vor, Tankstellen zu solchen Kiosken umzubauen – „die werden künftig weniger gebraucht und sind immer gut anfahrbar“, so Schöps. Rausch ist begeistert von der Idee und so entsteht trotz digitalen Frontalvortrags geradewegs so etwas wie Innovation zum Anfassen bei diesem Recyclingforum.
Was kann Recycling zum Green Deal beitragen?
Aber was können all diese klugen Ideen und Konzepte für die reale Politik leisten? Das wurde zum Abschluss des Innovationsforums diskutiert. „Green Deal“ ist der Name der EU-Klimapolitik mit dem Ziel, 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu werden.
„Kreislaufwirtschaft hat einen hohen Stellenwert in unserem Haus“, betont Frank Doods, der Staatssekretär im Umweltministerium von Olaf Lies (SPD) ist. Ihn sorgten die aktuellen Entwicklungen, die Ressourcen für die Rüstung binden, die dann wiederum im Klimaschutz fehlen. Deshalb sei eine entscheidende Frage, mit welchen Mitteln die größten Effekte erzielt werden könnten. Potenzial sieht Doods bei Standardsetzungen und Normen für die Industrie: „Wir werden auf Regulierungen angewiesen sein, die nichts kosten.“ Er glaubt zudem, dass die Diskussionen um Sondervermögen auch für das Klima nicht vorbei seien – ohne weitere Schulden wird es also kaum gehen. Über das Klimagesetz seiner Regierung sagt der Staatssekretär: „Das rettet nicht die Welt, hat uns aber nicht jeder zugetraut.“
Der Geologe Friedhart Knolle beklagt in der Diskussion fehlenden Mut, Julia Blees das Schneckentempo mancher politischen Initiative; sie ist Interessenvertreterin der Recyclingindustrie bei der EU. Brauchen wir ein anderes Wirtschaftssystem, fragt am Ende Moderator Ulrich Walter. Mehr teilen, weniger besitzen? Die Umweltwissenschaftlerin Prof. Dr. Christina Dornack sagt: „Die Jugend ist dafür bereit!“