Schierke. Erneut hat es auf dem Brocken im Harz gebrannt. Das Feuer war nach einem Tag gelöscht – dennoch brechen alte Diskussionen wieder auf.

Es mutet an wie im vergangenen Jahr: Nach mehreren sonnigen Tagen fängt der Brocken Feuer. Wie schon 2022 als eine große Fläche toter Fichten auf dem höchsten Berg des Harzes brannte, hat es erneut einen Waldbrand am Brocken gegeben. Auch diesmal brannte es entlang des Königswegs, an der Strecke der Brockenbahn, kurz vor der letzten Kehre hinauf zum Brockenplateau. Keine 24 Stunden dauerte der Löscheinsatz diesmal und trotzdem sind die Gemüter bereits erhitzt. Anschuldigungen über nicht getroffene Maßnahmen zum Brandschutz erregen Ärgernis bei den Beteiligten zwischen Politik, Einsatzkräften und dem Nationalpark Harz.

Das Feuer war nach bisherigen Erkenntnissen am Sonntagabend, gegen 18 Uhr, ausgebrochen. Wie die Stadt Wernigerode berichtet, habe sich das Feuer sowohl hangauf- als auch hangabwärts ausgebreitet und sei schnell angewachsen. Umgehend habe man daher die knapp 100 Touristinnen und Touristen vom Berg evakuiert und Feuerwehrkräfte aus Wernigerode und Umgebung alarmiert. Auch das in Ballenstedt stationierte Löschflugzeug habe sich ohne Verzug auf den Weg gemacht. Zu dem noch ein weiteres Flugzeug und ein Polizeihubschrauber aus Magdeburg. Bereits um 19 Uhr soll die Brandbekämpfung aus der Luft erste Erfolge gezeigt haben.

Geschwindigkeit ist alles

Wie Kai-Uwe Lohse, Kreisbrandmeister des Landkreises Harz, unserer Redaktion berichtet, habe vor allem dieses schnelle Eingreifen Schlimmeres verhindert. Generell seien die Bedingungen für Waldbrände jetzt genauso gut, wie im vergangenen Jahr. Daran würde der viele Regen in der ersten Jahreshälfte nur wenig ändern: „Das tote Holz ist nach wie vor trocken, nach zwei Wochen Sonnenschein alle mal. Dann ist da nichts mehr grün – nur noch trockenes Gelumpe.“ Für den erfahrenen Feuerwehrmann ist klar: Wären die Flugzeuge und der Hubschrauber nicht sofort zur Verfügung gestanden, dann würden er und seine Kameradinnen und Kameraden jetzt immer noch am Brocken stehen.

Nach den Bränden von 2022 hatten sich Politik, Einsatzkräfte und der Nationalpark auf umfangreichen Brandschutz- und Bekämpfungsmaßnahmen verständigt: festgehalten in der Wernigeröder Erklärung. Dazu gehörten unter anderem die Beräumung von Totholz an strategischen Stellen und die Anschaffung eines Löschflugzeuges eigens für den Harz und seine ausgetrockneten Wälder. Doch einige Bedingungen bleiben bestehen: Das Gelände am Königsweg ist nur schwer zugängig, schweres Gerät bekommt man praktisch gar nicht dort hin. Heißt also: Handarbeit. Und die ist im Zweifelsfall lebensgefährlich. Bei Feuerwehrleuten kursiert für die abgestorbenen Fichtenstämme, die bei Wind und Feuer schnell brechen, der Begriff „Witwenmacher“.

Ein Kleinlöschflugzeug wirft über dem Einsatzgebiet am Brocken Wasser ab. Bei einem Waldbrand im Harz konnten die Einsatzkräfte das Feuer unter Kontrolle bringen. Am Montag sind die Löscheinsätze auch aus der Luft fortgesetzt worden. Foto: Matthias Bein/dpa
Ein Kleinlöschflugzeug wirft über dem Einsatzgebiet am Brocken Wasser ab. Bei einem Waldbrand im Harz konnten die Einsatzkräfte das Feuer unter Kontrolle bringen. Am Montag sind die Löscheinsätze auch aus der Luft fortgesetzt worden. Foto: Matthias Bein/dpa © dpa | Matthias Bein

Zeitverlust im Harz

Auch deswegen ist Kai-Uwe Lohse am Montag sehr zufrieden mit dem Einsatz. Um 13.30 Uhr meldet die Stadt Wernigerode bereits „Feuer aus“. Nur wenige Stunden später spricht Lohse mit unserer Redaktion am Telefon – er ist bereits auf dem Weg in den geplanten Ostseeurlaub. Aus seiner Sicht haben sich die vereinbarten Maßnahmen sehr bezahlt gemacht, beispielsweise eine neue Wasserentnahmestelle und natürlich die Luftunterstützung, die jetzt nicht erst umständlich und über Umwege abgefragt werden muss: „Geschwindigkeit ist einfach alles bei diesen Bränden. Deswegen haben wir diesmal direkt alle uns zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt.“ Zwischenzeitlich waren circa 150 Feuerwehrleute auf dem Berg im Einsatz, berichtet Lohse.

Erleichtert ist auch der Landrat des Harzkreises, Thomas Balcerowski (CDU). Doch er mahnt zur Vorsicht: „Seit März hatten wir im Landkreis bereits 14 Wald- oder Vegetationsbrände. Drei davon im Harz. Wir sind zwar jetzt besser aufgestellt als noch im vergangenen Jahr – doch ich fürchte, wir stehen erst ganz am Anfang dieser Waldbrandsaison.“ Balcerowski nennt den Löscheinsatz einen „heißen Test“ und findet generell, dass alle Beteiligten einen guten Job gemacht haben. Doch er sieht auch Probleme: „Ich bin irritiert, dass der Nationalpark zwar ein Maßrahmenprogramm beschlossen, bisher aber nur wenig davon umgesetzt hat. Das kostet uns Zeit, die wir nicht haben.“ Auch die Klagen der Naturschutzverbände Bund und Nabu im Dezember 2022 hätten dazu beigetragen, dass sich wichtige Schritte verzögert hätten – die punktuelle Entfernung des Totholzes beispielsweise.

War wohl erst der Anfang

Eine Feststellung, die der Nationalparkleiter Roland Pietsch zurückweist. Auch er war am Sonntag oben am Brocken, half der Leitstelle bei der Koordination des Einsatzes, hatte eine ausgesprochen kurze Nacht: „Als Nationalpark haben wir uns nichts vorzuwerfen. Wir haben alle Maßnahmen umgesetzt, die in unserer Macht stehen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir richtig Gas gegeben.“ Im Gespräch mit unserer Redaktion ist Pietsch hörbar erstaunt über die Vorwürfe des Landrates: „Eigentlich waren wir so verblieben, dass wir nicht mehr mit dem Finger aufeinander zeigen, nach solchen Ereignissen. Auch der Landkreis trägt dafür Verantwortung, dass wichtige Gespräche er sehr spät stattfinden konnten. Denn auch so ist kostbare Zeit verloren gegangen.“

Totholz entzündet sich nicht von allein. Wir sollten vielleicht lieber über Brandursachen sprechen
Dr. Roland Pietsch, Leiter des Nationalparks Harz

Auch aus Sicht des Nationalparks ist der Einsatz am Ende positiv verlaufen. Die Ranger hätten die Wege im Wald gesichert und Pietsch selber habe geholfen, dass kurzfristig schwere Maschinen, sogenannte Harvester, zur Beseitigung von Bäumen bereitgestanden hätten. Nach dem letzten Großbrand am Harz hatte es bisweilen starke Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Nationalpark, dem Landkreis und dem Land Sachsen-Anhalt gegeben. Der Forstwissenchaftler Pietsch bedauert, dass jetzt alte Reflexe wieder ausschlügen. Auch die Diskussion um das Totholz am Brocken, werde jetzt in eine neue Runde gehen, fürchtet er: „Ich möchte erneut betonen: Totholz entzündet sich nicht von allein. Wir sollten vielleicht lieber über Brandursachen sprechen.“