Braunschweig. In den 70ern lernten sich Ilona und Michael Rau bei Karstadt kennen. Später kam die Liebe hinzu. Fotos und Geschichten aus alter Zeit.
Insolvenzanträge, Kündigungen und Investitionsstau beim Galeria-Konzern – auch Karstadt an der Schuhstraße in Braunschweig ist von den Turbulenzen betroffen. Die Zukunft ist zurzeit mal wieder ungewiss. Dass das nicht immer so war, berichten Ilona und Michael Rau, beide 69 Jahre alt. Sie lernten sich in den 1970er Jahren als Auszubildende im Warenhaus kennen und später lieben. Zusammen waren die beiden 94 Jahre oder jeweils 46 und 48 Jahre bei Karstadt beschäftigt. Viele Erlebnisse und Geschichten hat das Ehepaar aus der Zeit zu erzählen. Wir haben die Rentner besucht und eine kleine Reise in die Vergangenheit gemacht.
Karstadt als Arbeitgeber habe damals einen sehr guten Ruf gehabt, sagt Michael Rau. Schon seine Schwester und sein Bruder waren bei Karstadt beschäftigt. „Mein Vater hat immer gesagt: ‚Geh zu Karstadt. Da kannst du alt werden.‘
Karstadt war ein Top-Laden
. Sie waren unheimlich sozial. Für die Mitarbeiter gab es Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und und und“, erinnert er sich. 1972 fing Michael Rau dann im Warenhaus an der Schuhstraße seine Ausbildung als Dekorateur an. Mit ihm zusammen haben damals elf weitere Azubis in der Deko-Abteilung begonnen. Insgesamt habe Karstadt in Braunschweig rund 1300 Mitarbeiter beschäftigt, darunter alleine 80 Dekorateure, sagt er. „Das muss man sich mal vorstellen. Das wäre heute undenkbar.“
Auch seine Frau zog es aus ähnlichen Gründen in das Warenhaus. „Sie haben mir gesagt: ,Geh in die Schuhabteilung. Die sollen einen ganz tollen Chef haben.‘ Und so war es auch“. Schon zwei Jahre vor Michael Rau, 1970, fing Ilona Rau ihre Ausbildung als Verkäuferin in der Schuhabteilung an. Alleine dort hatte sie 35 Kollegen.
Karstadt Braunschweig: So wurde aus zwei Kollegen ein Ehepaar
Nun, zusammen beim gleichen Arbeitgeber, ließ die Liebe allerdings noch etwas auf sich warten. „Die Deko-Leute, die waren nicht so mein Ding“, erinnert sich Ilona Rau und lacht. Zwischenzeitlich hatte Michael Rau geheiratet. 1983 haben sie sich dann aber auf seinem Geburtstag wiedergesehen. Rau war inzwischen geschieden. „Und so nahmen die Dinge ihren Lauf“, sagt er.
Ilona Rau arbeitete dann knapp 20 Jahre im Außenlager bei Rüningen. Nach der Schließung kam sie 2002 wieder zurück in die Schuhabteilung nach Braunschweig und von 2010 bis 2018 war sie Teil des Kassenteams. Michael Rau war von 1972 bis 2005 im Einsatz als Dekorateur, später auch „Gestalter für visuelles Marketing“ genannt.
Karstadt Braunschweig besaß eigene Druckerei
Michael Rau erinnert sich an seinen Job als Dekorateur, der viel mehr war, als einfach nur Schaufensterpuppen anzukleiden. „Wir haben damals noch richtige Aufbauten und Messestände hergestellt. Teilweise aus massivem Holz, richtig aufwendig“, erzählt er. Im Akkord haben er und sein Team in der Weihnachtszeit Bäume geschmückt. Die Leute seien teilweise nur in die Stadt gekommen, um sich die Schaufenster und die Deko im Haus anzuschauen. „Einmal hatten wir ganze Blumenfelder im Haus, haben Pflastersteine verlegt und Brunnen installiert, aus denen Wasser kam“, erinnert sich Rau.
Ein besonderes Highlight: Karstadt besaß eine eigene Druckerei. Diese befand sich im ersten Stock des Nebengebäudes, ehemals „Karstadt Brillen+Optik“, zuletzt Apollo-Optik, in der Schuhstraße. Damals war Michael Rau für die Siebdruck-Anlage, später Plotter, zuständig. Sie bedruckten Aushänge für das Warenhaus, Banner für besondere Veranstaltungen oder T-Shirts. 1990, zum Jubiläum „100 Jahre Karstadt“, bauten sie die Druckanlage auf dem Kohlmarkt auf und verschenkten besondere Drucke an Besucher. „Das war ein richtiges Happening“, so Rau.
Ein Highlight für Ilona Rau waren die feuchtfröhlichen Feiern mit den Mitarbeitern. Egal ob zu Geburtstagen oder Firmenjubiläen. „Damals haben wir noch richtig mit Sekt angestoßen, wenn ein Kollege Geburtstag hatte.“ Auch wegen der familiären Atmosphäre sind die beiden gerne arbeiten gegangen. „Es war eine schöne Zeit.“
Die ersten Anfänge der Kelly-Family in Braunschweig
Viele Erinnerungen hat Michael Rau fotografisch festgehalten. Ganze Kisten und Ordner sind voll mit entwickelten Fotos. Mit dabei: Ein Bild der Fußgängerzone Richtung Ringerbrunnen. Am Brunnen stehen Straßenmusiker, davor vereinzelt ein paar Passanten. „Das war ein Auftritt der Kelly-Family in Braunschweig. Eine Apothekerin hatte sich beschwert, dass die Straßenmusikanten doch bitte nicht so laut spielen sollen“, erinnert sich Michael Rau.
2005 wurden Stellen abgebaut und viele Mitarbeiter mussten gehen. Einige hatten die Option, in den Verkauf zu wechseln oder mit einer Abfindung das Haus zu verlassen. Rau entschied sich für die Verkäufer-Stelle und war die letzten Jahre in der Fahrradabteilung im Untergeschoss bei Karstadt am Gewandhaus tätig. Seit 2018 sind die beiden Frührentner.
Frühjahr 2024: Neue Kaufangebote für „Galeria Karstadt Kaufhof“
Bis heute hat sich viel getan: In den letzten vier Jahren hat der Galeria-Konzern drei Insolvenzanträge stellen müssen, zuletzt im Januar 2024. Schon zuvor wurden auch bei Karstadt in Braunschweig Mitarbeiter entlassen. 2023 konnte das Haus ganz knapp vor einer Schließung bewahrt werden, weil die Volksbank Brawo als Eigentümerin der Immobilie doch noch eine Einigung mit dem Konzern gefunden hatte. „Wir leiden mit“, sagt Ilona Rau. Das Ehepaar war damals sogar bei der Demo in Berlin mit dabei. Sie schauen besorgt in die Zukunft des Warenhauses. „Ich bin nicht sehr optimistisch, aber natürlich würden wir es den Mitarbeitern gönnen. Wir würden ein Weiterbestehen befürworten. Wo soll ich denn sonst einkaufen gehen?“, sagt sie.
Inzwischen gibt es die ersten Kaufangebote für die Warenkette „Galeria Karstadt Kaufhof“. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus sagte kürzlich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, man sei über den bisherigen Bieterprozess sehr zufrieden. Verbindliche Angebote müssen bis zum 22. März eingereicht werden. Im April soll der Verkauf stattfinden. Außerdem sollen die Mietverträge für die Karstadt-Häuser neu verhandelt werden. Sollte es kein Entgegenkommen geben, seien auch diesmal Filialschließungen und Kündigungen nicht ausgeschlossen.
Zum Ende des Gesprächs erinnert sich Ilona Rau an ihren letzten Tag bei Karstadt: „Ich habe damals gesagt, ich verabschiede mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.“ Und wenn sie nicht schon im Rentenalter wären, wären sie wohl immer noch dabei.
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