Vatikan. Zehntausende haben in Rom Abschied vom emeritierten Papst Benedikt XVI. genommen – und dessen umgehende Heiligsprechung gefordert.

Ungewöhnlich kalt und nebelig zeigte sich Rom am frühen Morgen den zehntausenden Pilgern, die zum Begräbnis von Ex-Papst Benedikt XVI. zum Petersplatz strömten. Nach Tagen mit strahlendem Wetter umhüllte ein für Rom unüblicher Morgennebel den Vatikan, in dem am Donnerstag die katholische Welt vom emeritierten Papst Joseph Ratzinger Abschied genommen hat.

Mit der Trauerzeremonie für den ersten deutschen Papst in 500 Jahren Geschichte betrat die Kirche zeremonielles Neuland. Weil nicht der Tod, sondern sein Rücktritt Benedikts Pontifikat beendete, beerdigte jetzt erstmals ein amtierender Papst seinen Vorgänger. Das ist präzedenzlos in der Kirchengeschichte: Zwar gibt es für die Bestattung von Päpsten ein Jahrhunderte altes Protokoll, aber noch nie hat ein amtierender Papst zuvor seinen Amtsvorgänger beerdigt. Benedikt wurde gestern mit einer leicht abgeänderten Liturgie die gebührende Ehre erwiesen, dabei wurde die Autorität des amtierenden Papstes nicht berührt oder gar in Frage gestellt.

"Santo subito"-Rufe für Benedikt XVI.

Bei der Trauerzeremonie ertönte die Forderung nach einer Heiligsprechung Benedikts. "Santo subito"-Rufe ("Sofort heilig") waren von den Trauergästen zu hören. Diese Forderung stand auch auf einem großen Transparent, das einige Gläubige in die Höhe hielten. "Papst Benedikt Magnus" und "Danke Benedikt!" war auf Spruchbändern zu lesen, die bayerische Pilger in Trachten hoch hielten. "Johannes Paul II. war der Papst der Hoffnung, Benedikt jener des Glaubens und Franziskus, der Papst der Barmherzigkeit", fasste eine bayerische Gläubige ihre Ansicht über die letzten drei Päpste zusammen.

Unter dem italienischen Slogan "Santo subito" hatte es dieses Phänomen zuletzt beim Begräbnis von Johannes Paul II. im April 2005 gegeben. Er wurde 2011, bereits sechs Jahre nach seinem Tod, selig- und drei weitere Jahre danach heiliggesprochen. Damit war er der am schnellsten heiliggesprochene Papst der Neuzeit. Im Regelfall gibt es in der katholischen Kirche nach dem Tod einer Person eine fünfjährige Wartezeit, bevor ein Seligsprechungsverfahren offiziell eingeleitet werden kann. Diese Wartezeit hatte Benedikt XVI. im Fall seines polnischen Vorgängers aufgehoben. Dass Benedikt heiliggesprochen wird, hält sein Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, für durchaus möglich. Auf die Frage "Also santo subito?" antwortete er mit den Worten: "Ich glaube, dass es in diese Richtung gehen wird."

Papst Franziskus (M oben) sitzt hinter dem Sarg des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. während der öffentlichen Trauermesse auf dem Petersplatz.
Papst Franziskus (M oben) sitzt hinter dem Sarg des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. während der öffentlichen Trauermesse auf dem Petersplatz. © Antonio Calanni/AP/dpa

Gänsweins Tränen für Benedikt

Niemand stand Benedikt in den vergangenen Jahren näher als der 66-jährige Gänswein, der engste Vertraute Ratzingers, der ihm bis zu seinem Tod am vergangenen Samstag nicht von der Seite wich. Der sichtlich mitgenommene Erzbischof beugte sich vor Beginn der Trauerzeremonie über den Sarg auf dem Petersplatz und küsste ihn mit Tränen in den Augen.

Gänswein enthüllte auch neue Einzelheiten über die letzten Tage im Leben von Benedikt XVI. In der letzten Nacht vom 30. auf den 31. Dezember sei zunächst nur eine Pflegekraft präsent gewesen. Diese habe die letzten, von Benedikt XVI. auf Italienisch verständlich ausgesprochenen Worte gehört, und zwar: "Signore ti amo", auf Deutsch: "Herr, ich liebe dich". Danach habe Benedikt XVI. innerhalb von drei Stunden einen Zusammenbruch erlitten.

Auf die Frage, was er am meisten an Ratzinger vermissen werde, antwortete Gänswein: "Natürlich seine Person, seine Liebenswürdigkeit, seinen festen Glauben, seine Klarheit, seinen Mut und seine Fähigkeit, für den Glauben auch zu leiden. (...) Aber bleiben wird auch dieses unvergessliche Wort, 'Gioia', Freude, also Freude, die der Glauben eben schenkt."

Musiker aus Unterpfaffenhofen (Bayern) nehmen an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil.
Musiker aus Unterpfaffenhofen (Bayern) nehmen an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil. © Sven Hoppe/dpa

Antonio Pintauro und seine Familie sind aus dem süditalienischen Acerra angereist, um Benedikt XVI. die letzte Ehre zu erweisen. Stundenlang stand die Familie Schlange, um für den emeritierten Papst zu beten, mit dem sie sich eng verbunden fühlen. Die Kinder des Ehepaares verdanken Joseph Ratzinger ihre Namen. Die älteste Tochter, 16 Jahre alt, heißt Benedetta, der jüngere Sohn (9) Giuseppe. Zweimal durfte die katholische Familie Benedikt treffen, einmal bei einer Audienz 2007 und einmal bei einer Zusammenkunft in den vatikanischen Gärten 2015 anlässlich des zehnten Hochzeitstags des Paares.

"Er hat uns gesegnet, es war wunderbar, mit ihm unseren Hochzeitstag zu feiern", erzählt Antonio Pintauro. Neben Familien und einfachen Gläubigen beteiligten sich Könige, Staatschefs und Geistliche aus der ganzen Welt an der Trauerzeremonie. Stundenlange Wartezeiten nahmen die Pilger in Kauf, um sich von "Benedetto" zu verabschieden.

"Ich stehe schon seit fünf Uhr morgens hier. Ich hatte Angst, wegen des Menschenandrangs nicht den Petersplatz erreichen zu können", berichtet die 27-jährige Paola, Lehrerin in einer katholischen Volksschule im Zentrum von Rom. Sie wollten sich vom emeritierten Papst verabschieden, wie man es "mit einem sehr nahen Verwandten" tut, dessen "Nähe sie auf Schritt und Tritt" in ihrem Leben gespürt hat.

Papst Benedikt XVI.: Die Bilder seiner Trauerfeier

Kirchliche Würdenträger nehmen an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil. Der Papst starb am 31.12.2022 im Alter von 95 Jahren im Vatikan.
Kirchliche Würdenträger nehmen an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil. Der Papst starb am 31.12.2022 im Alter von 95 Jahren im Vatikan. © Ben Curtis/AP/dpa
Ein Blick auf den Petersplatz mit Petersdom während der öffentlichen Trauermesse für Papst Benedikt.
Ein Blick auf den Petersplatz mit Petersdom während der öffentlichen Trauermesse für Papst Benedikt. © Michael Kappeler/dpa
Papst Franziskus (M oben) sitzt hinter dem Sarg des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. auf dem Petersplatz.
Papst Franziskus (M oben) sitzt hinter dem Sarg des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. auf dem Petersplatz. © Antonio Calanni/AP/dpa
Papst Franziskus leitet die Totenmesse. In seiner Predigt hat er auf Benedikt XVI. nur wenig direkten Bezug genommen. Der Pontifex sprach vor allem über Hingabe für Gott und Vertrauen auf den Herrn.
Papst Franziskus leitet die Totenmesse. In seiner Predigt hat er auf Benedikt XVI. nur wenig direkten Bezug genommen. Der Pontifex sprach vor allem über Hingabe für Gott und Vertrauen auf den Herrn. © Antonio Calanni/AP/dpa
Auch Olaf Scholz (Mitte, SPD) ist nach Rom gereist. Der Bundeskanzler nimmt mit Peter Tschentscher (links, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg und derzeit Bundesratspräsident, an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil.
Auch Olaf Scholz (Mitte, SPD) ist nach Rom gereist. Der Bundeskanzler nimmt mit Peter Tschentscher (links, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg und derzeit Bundesratspräsident, an der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz teil. © Ben Curtis/AP/dpa
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und seine Frau Elke Büdenbender (links) sind Gäste der Trauermesse für Papst Benedikt.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und seine Frau Elke Büdenbender (links) sind Gäste der Trauermesse für Papst Benedikt. © Michael Kappeler/dpa
Musiker aus Unterpfaffenhofen (Bayern) stehen auf dem Petersplatz in Rom. Viele Bayern erweisen
Musiker aus Unterpfaffenhofen (Bayern) stehen auf dem Petersplatz in Rom. Viele Bayern erweisen "ihrem" Papst in Rom die letzte Ehre. Benedikt stammt ursprünglich aus dem Bundesland. © Sven Hoppe/dpa
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Trachtler und Bayernhymne auf dem Petersplatz

Nach der bewegenden Trauerzeremonie defilierte eine bayerische Blaskapelle über die Via della Conciliazione, der großen Achse, die zum Petersplatz führt. Die Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Unterpfaffenhofen spielte die Bayernhymne, während der Sarg in den Petersdom getragen wurde. Neben der offiziellen Delegation um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) waren rund 200 Gebirgsschützen aus 47 Kompanien und Trachtler dabei, Studentenverbindungen aus Regensburg, Eichstätt und München, sowie die freiwillige Feuerwehr aus Pentling bei Regensburg, Ratzingers letztem Wohnort in Bayern.

Eine Delegation aus dem Regensburger Heimatbistum des emeritierten Papstes Benedikt XVI. war bereits am Vortag nach Rom gereist. Die deutsche Delegation beim Begräbnis führte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an, der den verstorbenen Papst Benedikt XVI. als herausragenden Theologen von großer Bescheidenheit würdigte. "Er hat den reichen Schatz der katholischen Kirche mit Vernunft und Seele an die Gläubigen weitergetragen. Das wird die Erinnerung an ihn prägen", sagte Steinmeier. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz nahm an der zweistündigen Zeremonie teil.

Franziskus und die "perfekte Freude"

Für den amtierenden Papst Franziskus war die Trauerzeremonie eine Herausforderung. Der argentinische Pontifex konnte die Messe – so wie in jüngster Zeit wegen seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten infolge eines Knieleidens öfters geschehen – nicht selbst zelebrieren, sondern stand ihr vor. Franziskus erreichte im Rollstuhl den Petersplatz, Kardinal Giovanni Battista Re übernahm die Zelebration am Altar.

"Vater, in Deine Hände übergeben wir seinen Geist", sagte Franziskus am Ende seiner Predigt für Benedikt XVI. Der Papst drückte seine "Dankbarkeit für die Weisheit und die Hingabe" seines Vorgängers aus. "Das treue Volk Gottes, hier versammelt, begleitet denjenigen, der sein Hirte war", betonte der Heilige Vater. Im Angesicht des Herrn werde Benedikt die "perfekte Freude erleben".