Berlin. Die FDP muss um den Einzug ins Landesparlament bangen. Ganz anders ihre Ampel-Kollegen: SPD und Grüne fahren wichtige Gewinne ein.

Gebremste Freude, Aufatmen, Zweifel, so lassen sich die jeweiligen Gefühlslagen der drei Parteien der Ampel-Koalition nach der Wahl in Niedersachsen beschreiben. Während die Grünen deutlich hinzugewinnen und insofern das Ergebnis der Landtagswahl als Erfolg verkaufen können, ist die SPD zu ihrer großen Erleichterung trotz Verlusten und trotz des deutlich schlechteren Bundestrends wieder stärkste Kraft. An der FDP nagen hingegen Zweifel und Verunsicherung. Die Arbeit in der Koalition dürfte deswegen künftig noch schwerer werden.

Die bange Frage in der FDP-Parteizentrale in Berlin lautete nach der Schließung der Wahllokale: Reicht es für den Wiedereinzug in den Landtag? Für die Bundespartei geht es jedoch auch nach dieser Landtagswahl darum, wie sehr das Regieren mit SPD und Grünen der FDP schadet. "Die Ampel ist kein leichtes Bündnis für die FDP, das war von Anfang an klar", räumte FDP-Fraktionschef Christian Dürr ein. Die FDP sei nach der Bundestagswahl aber angetreten, um Verantwortung zu übernehmen: "Vor der läuft man nicht weg."

Von einem "traurigen Abend" und einem "politischen Rückschlag" sprach auch FDP-Chef Christian Lindner und wurde deutlich: In diesem Wahlkampf habe die FDP aus der Ampel-Koalition in Berlin heraus "keinen politischen Rückenwind" organisieren können.

Niedersachsen-Wahl: Im Fokus stand die Ampel-Politik

Für die FDP sind die Landtagswahlen 2022 katastrophal gelaufen: Im Saarland verpasste die Partei den Einzug ins Parlament, in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist die FDP nach jeweils starken Verlusten nicht mehr an den Landesregierungen beteiligt. In Niedersachsen nun erneut Verluste, am frühen Abend in den Prognosen gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Hinzu kommen die schlechten Umfragewerte auf Bundesebene.

Die Anhänger der FDP "fremdeln" mit der Ampel-Koalition, analysierte Lindner. In dem Bündnis werde die FDP "missverstanden" als Partei links der Mitte: "Das sind wir nicht." Lindner will die FDP und ihre Positionen daher besser profilieren. Die Menschen müssten erkennen, dass die FDP zwar aus Verantwortung für das Land auch "unangenehme Koalitionen" eingehe, darüber ihren "eigenen politischen Kompass" aber nicht verloren habe.

Für die Ampel bedeutet das: Im Konflikt um längere AKW-Laufzeiten oder das Aussetzen der Schuldenbremse wird die FDP nun deutlich härter ihre Positionen vertreten – und dadurch noch deutlicher als bisher Gegenposition zu SPD und Grünen einnehmen. Die Regierung habe zudem noch keine "vernünftigen Antworten" etwa auf die Energiekrise gegeben, sagte am Wahlabend FDP-Grande Wolfgang Kubicki: "Daran werden wir arbeiten müssen. Oder diese Ampel wird in schweres Fahrwasser kommen."

Nicht nur für die FDP ist das Ergebnis der Landtagswahl auch ein Urteil der Wähler über die Arbeit der Ampel. Schließlich war der Wahlkampf von der Energiekrise und den Debatten um die Entlastungspakete der Bundesregierung geprägt. Landespolitische Themen spielten kaum eine Rolle.

Wahl in Niedersachsen: Auf Bundesebene bangt die SPD weiter

Umso erleichterter können die SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz über den Wahlsieg von Stephan Weil sein. Zwar hatte die Wiederwahl des Niedersachsen zu Jahresbeginn bei der SPD als sicher gegolten, nach den herben Verlusten bei den letzten beiden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen im Mai lässt das Ergebnis aus Hannover die Sozialdemokraten aber aufatmen.

Eine Niederlage bei der Landtagswahl hätte wohl erhebliche Unruhe in die Partei getragen, die seit Beginn des Krieges in der Ukraine trotz einiger schwerer Entscheidungen eine für sie untypische Geschlossenheit demonstriert. Allerdings sollten sich Kanzler und Parteispitze nicht zu sehr auf dem Ergebnis aus Niedersachsen ausruhen: In bundesweiten Umfragen steht die SPD erheblich schlechter da, auch die persönlichen Werte von Scholz zeugen nicht von einem Kanzlerbonus.

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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert traute sich daher auch nicht, den Wahlsieg von Weil auf das Konto von Scholz und der Bundespartei zu verbuchen. Es habe mit Weil aber ein "bestimmter Politikansatz" gewonnen: Weil habe selbstbewusst für sein Bundesland, aber "in Verantwortung fürs große Ganze" gehandelt.

Diese Erwartung richtete Kühnert am Wahlabend auch an die angeschlagene FDP. "Weniger Streit und mehr Ergebnisse" laute die Botschaft der Niedersachsen-Wahl. "Diese Botschaft ist angekommen und sie muss die Zusammenarbeit der Ampel in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker prägen als es bisher der Fall gewesen ist", forderte Kühnert. Kühnerts Fazit für den Bund: Die Ampel-Parteien hätten eine Mehrheit in Niedersachsen. "Natürlich gibt uns das auch noch einmal Rückenwind für die schwierige Zeit, die jetzt vor uns liegen wird", erklärt er.

Niedersachsen: Litten Grüne unter Gasumlage und AKW-Entscheidung?

Grünen-Chef Omid Nouripour freute sich über das vermutlich beste Ergebnis seiner Partei in Niedersachsen überhaupt. Allerdings: In früheren Umfragen waren die Grünen noch deutlich stärker als am Wahlabend gewesen. Einen "Habeck-Dämpfer" wollte der Parteivorsitzende in dem Ergebnis aus Niedersachsen aber nicht erkennen, obwohl die kurz vorm Inkrafttreten wieder einkassierte Gasumlage dem Ansehen des Vizekanzlers schadete.

Als möglicher Stimmungskiller bei den Grünen-Wählern galt zudem die Entscheidung, nicht alle drei deutschen Atomkraftwerke wie geplant am Jahresende vom Netz zu nehmen. Gefragt nach der Stimmung in der Ampel nach der Wahlenttäuschung für die FDP betonte auch Nouripour, die Politik im Bund und das Ergebnis der Landtagwahl dürften nicht vermischt werden. Die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" müsse fortgesetzt werden

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.