Berlin. Legalisieren oder nicht? Das Thema Cannabis steht im Wahlkampf in den Programmen aller Parteien. Ein Überblick über die Forderungen.

  • Bereits im Wahlkampf thematisierten alle Parteien die Legalisierung von Cannabis
  • Kurz nach der Bundestagswahl scheint jedoch noch alles offen
  • Wer ist für eine Legalisierung? Und wer will, das Cannabis verboten bleibt?

"Durch Deutschland muss ein Joint gehen" – so plakatierte die Grüne Jugend im Jahr 2002. Angelehnt an einen Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der sich einen durch Deutschland gehenden Ruck wünschte, warb die Parteijugend Anfang der Nullerjahre für die Legalisierung von Cannabis.

19 Jahre später ist das umstrittene Rauschmittel weiterhin verboten. Alle Versuche, den Joint auch legal durch Deutschland reichen zu dürfen, scheiterten im Bundestag – der letzte erst im Oktober vergangenen Jahres. Das Thema Legalisierung von Cannabis spielte bei Bundestagswahl auch deshalb wieder eine Rolle.

Cannabis: Rauschmittel in Deutschland

Denn das Kiffen, Spliffen oder Buffen ist längst in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angekommen. Über drei Millionen Deutsche konsumieren regelmäßig Cannabis. Zum Vergleich: Etwa 12 Millionen Menschen rauchen hierzulande Tabak.

Selbst in der Justiz gibt es Richter, die öffentlich zu ihrem Feierabendjoint stehen und damit plakativ zumindest für eine Entkriminalisierung eintreten: Der "härteste Jugendrichter Deutschlands" – Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau in Berlin – fordert seit Jahrzehnten eine Änderung bei der Drogenpolitik in der Bundesrepublik.

Mit SPD, Grünen, FDP und der Linken haben vier von sechs Bundestagsparteien Wahlprogramme beschlossen, die explizit auf die Legalisierung von Cannabis Bezug zu nehmen. Wie stehen die Parteien zur Freigabe des Joints und was steht in den Wahlprogrammen von Union und AfD?

Geht der Joint bald durch Deutschland?
Geht der Joint bald durch Deutschland? © istockphoto | Alina Rosanova

CDU/CSU: "Legalisierung lehnen wir ab"

Im Wahlprogramm der Union steht klipp und klar: "Eine Legalisierung illegaler Drogen lehnen wir ab." Die gesundheitlichen Folgen seien zu groß, die Auswirkungen auf Familie, Umfeld und Gesellschaft ebenfalls. Damit dürfte eine Freigabe von Cannabis mit CDU und CSU weiter nicht zu machen sein. Ob sich die Parteien, sollte es zu Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen kommen, von dieser Position abbringen lassen, ist völlig offen.

  • Die Schwesterparteien setzen hingegen auf Aufklärung und "massentaugliche Sanktionen, die der Tat auf dem Fuße folgen" und Menschen dazu veranlassen sollen, Beratungs- oder Therapieangebote wahrzunehmen.
  • Zuletzt bekräftige Kanzlerkandidat Armin Laschet die Verbotshaltung der Union. In der ARD-Wahlarena sprach sich Laschet auf Nachfrage gegen eine Freigabe aus: "Cannabis zu legalisieren halte ich für falsch", sagte er.

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SPD: Zaghafte Cannabis-Legalisierungsprojekte

Die Genossen aus dem Willi-Brandt-Haus haben ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 am zweiten Maiwochenende verabschiedet. Im "Zukunftsprogramm" heißt es zum Thema Cannabis: "Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten politischen Umgang finden müssen."

Verbote und Kriminalisierung hätten den Konsum nicht gesenkt, stünden effektiver Suchtprävention und Jugendschutz entgegen und bänden "enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei".

Für eine echte – bundesweite – Legalisierung aber scheint sich die SPD nicht begeistern zu können.

  • Sie will zunächst eine "regulierte Abgabe von Cannabis (...) in Modellprojekten von Ländern und Kommunen" erproben. Maßnahmen in der Suchtvorbeugung, der Beratung und Behandlung von jungen Menschen sollen die Projekte flankieren.
  • Zumindest aber Erwachsene könnten darauf hoffen, dass sie wegen einem Joint in der Tasche nicht mehr gleich Ärger mit der Justiz bekommen: Der Besitz kleiner Mengen Cannabis sollte künftig nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, fordern die Sozialdemokraten.
  • Partei-Vize Kevin Kühnert etwa sprach sich in einem Podcast des Redaktionsnetzwerks Deutschland dafür aus, Cannabis kontrolliert in Apotheken abzugeben.
  • Allerdings ist die SPD offener als die Union – und könnte sich bei Koalitionsverhandlungen von einer Legalisierung überzeugen lassen.

FDP: Staatlich kontrollierter Anbau von Cannabis

Die Freien Demokraten hingegen haben sich die Freigabe von Cannabis für Erwachsene ins Wahlprogramm geschrieben. Besitz und Konsum soll volljährigen Menschen erlaubt werden. Die Liberalen führen neben wirtschaftlichen Argumenten – die FDP rechnet mit Steuermehreinnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro – auch gesundheitliche ins Feld.

Nur über den Verkauf in lizenzierten Geschäften könne die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden, heißt es im Wahlprogamm der FDP.

  • Zudem könne nur in solchen Geschäften der Jugendschutz gewährleistet werden.
  • Das Geld aus dem staatlich-lizensierten Verkauf von Cannabis soll in Prävention, Suchtbehandlung und Beratung fließen.
  • Ähnlich wie die SPD stellen auch die Freien Demokraten zudem fest: "Das Verbot von Cannabis kriminalisiert unzählige Menschen und bindet immense Polizeiressourcen (...) ."

Grüne: Regulierter Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften

Die Grünen haben sich eine "verantwortungsvolle Drogen- und Suchtpolitik" in ihr Wahlprogramm geschrieben. Die ruhe auf den vier Säulen Prävention, Hilfe, Schadensminimierung und Regulierung.

  • Kommunen sollen Modellprojekte durchführen können und ihre Drogen- und Suchhilfe ausbauen, etwa über Substanzanalyse (sogenanntes Drug Checking) oder aufsuchende Sozialarbeit.
  • Speziell zum Thema Legalisierung von Cannabis heißt es im Wahlprogramm, dass ein "regulierter Verkauf von Cannabis in lizensierten Fachgeschäften" auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbraucherschutzes ermöglicht werden soll.
  • Zudem wollen die Grünen klare Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr einführen, so wie auch das Fahren und Alkoholeinfluss gesetzlich klar geregelt ist.
Der Grünen-Politiker Andreas Hupke bei der Kundgebung zum Welt-Cannabistag am Kölner Dom im Jahr 2020.
Der Grünen-Politiker Andreas Hupke bei der Kundgebung zum Welt-Cannabistag am Kölner Dom im Jahr 2020. © imago/Future Image | imago/Future Image

Die Linke: Schluss mit Kriminalisierung von Gras

Ähnlich wie die Grünen, will auch die Linke weg von einer Verbotspolitik, "hin zu Prävention, Beratung und Hilfe". Schadensreduzierung werde nur mit einer guten Gesundheits- und Sozialpolitik möglich, Verbote hingegen reduzierten die Risiken für Konsumierende und Gesellschaft nicht. Da die Partei bei Koalitionsverhandlungen aber keine Rolle spielen dürfte, wird sie auch nicht auf die künftige Gesetzgebung einwirken können.

  • Die Partei bekennt sich in ihrem Wahlprogramm klar zu Freigabe von Cannabis: "Wir wollen Cannabis legalisieren", heißt es dort. Es sollen dazu überwiegend nicht-kommerzielle Bezugsmöglichkeiten geschaffen werden. Auch der Eigenanbau soll erlaubt werden.
  • Für die Übergangszeit setzt die Linke auf Modellprojekte zu einer legalen Verfügbarkeit in den Bundesländern. Gleichzeitig sollen Konsumierende bundesweit entkriminalisiert werden.
  • Zudem will die Partei dafür sorgen, dass die Versorgung mit medizinischem Cannabis in Deutschland ausgebaut wird.

AfD: Cannabis nur in der Medizin

Bei der AfD nimmt das Thema Drogenpolitik im Wahlprogramm besonders wenig Raum ein, die Worte "Cannabis" und "Drogen" kommen auf den 209 Seiten des Programms sechs mal vor, davon zweimal im Index. Cannabis soll nach dem Willen der AfD nur in der Medizin zur Verfügung stehen, "unter ärztlicher Aufsicht". Den Ausbau suchtpsychiatrischer Versorgung befürworte die Partei, "für eine dauerhafte Abstinenz von Drogen".

Doch wie die Linke wird auch die AfD sicher nicht Teil der nächsten Bundesregierung sein. Ihre Position dürfte also keinen Einfluss auf eine mögliche Legalisierung haben.