Braunschweig. TU-Präsidentin Angela Ittel und Vizepräsident Dietmar Smyrek erläutern im Interview Planungen und Ziele der Hochschulleitung.

Die TU Braunschweig hat sich aufgemacht, sich zu einer Stiftungsuniversität zu wandeln. Was das ist und welche Ziele die TU-Leitung damit verbindet, erläutern TU-Präsidentin Angela Ittel und Dietmar Smyrek, TU-Vizepräsident für Personal, Finanzen und Hochschulbau.

Frau Ittel, was ist der Unterschied zwischen einer rein staatlichen Universität und einer Stiftungsuniversität?

Ittel: Die Stiftungsuniversität hat mehr Handlungsspielraum und Flexibilität. Manche Aufgaben, die im Moment noch das Land beziehungsweise das Wissenschaftsministerium übernimmt, werden in einer Stiftungsuniversität auf den sogenannten Stiftungsrat übertragen. Dabei geht es zum Beispiel um die Besetzung von Professuren. Wir als Präsidium finden dieses Modell besser, weil dann im Stiftungsrat Menschen sitzen, die sich intensiv mit der TU Braunschweig auseinandersetzen, die TU gut kennen und eine Expertise in den Themen Universitätsstrategie und -entwicklung aufweisen. Das ist etwas anderes, als wenn ein großes Ministerium sich mit unserer Universität beschäftigt.

Die TU könnte dann also Entscheidungen schneller und punktgenauer treffen?

Ittel: Ja. Die Erfahrungen anderer Stiftungsuniversitäten bestätigen, dass die Entscheidungen schneller werden – zum Beispiel bei Personalfragen.

Smyrek: Wir sind mit zahlreichen Verwaltungsvorgängen befasst, die vom Wissenschaftsministerium genehmigt werden müssen. Das Ministerium betreut aber viele Universitäten und Hochschulen. Dank einer größeren Selbstständigkeit können wir zu schnelleren Entscheidungen kommen.

Ittel: Das Wissenschaftsministerium würde auch Mitglied im Stiftungsrat, wir würden und wollen das Land als Partner behalten. Wir arbeiten sehr gut mit dem Ministerium zusammen. Mir ist auch wichtig zu betonen, dass das Ministerium und die Landesregierung ihre Universitäten ermutigen, Stiftungen zu werden.

Stiftungen sind also das zeitgemäßere Modell?

Ittel: Zeitgemäßer deshalb, weil Universitäten genau wie alle Menschen und auch alle Institutionen schneller agieren müssen und auch sehr darauf bedacht sein sollten, ihr spezifisches Profil in den Vordergrund zu stellen. Themen wie die sinkenden Studierendenzahlen und die Attraktivität als Arbeitgeber werden aktueller und brisanter als noch vor wenigen Jahren. Durch das Stiftungsmodell schaffen wir uns Freiräume, zum Wohl der TU Braunschweig Entscheidungen treffen zu können.

Sie spielen auf den Fachkräftemangel und das Ringen um die besten Köpfe auf dem Arbeitsmarkt an?

Ittel: Ja, da wird es immer enger. Auf dem Arbeitsmarkt, aber auch durch die vielfältigeren Möglichkeiten auf dem Bildungsmarkt. Das Bildungsangebot ist weitaus umfangreicher als früher und die unterschiedlichsten Hochschultypen stehen in Konkurrenz. Studierende haben sehr viele Möglichkeiten, ihren Interessen nachzugehen und sich hervorragend ausbilden zu lassen. Deshalb wird es aus unserer Sicht immer notwendiger, selbständiger agieren zu können.

Wie würde sich diese Selbständigkeit in den Entscheidungen zeigen?

Ittel: Wir haben als TU Braunschweig ein bestimmtes Profil, das wir kontinuierlich schärfen wollen. Das fällt leichter, wenn wir als Stiftung die Freiheit haben, eine Professur für bestimmte aktuelle Themen einzurichten. Ein zweites Beispiel: Wir haben es mitunter schwer, Stellen zu besetzen, weil wir an Fortbildungsnachweise gebunden sind, die zwar nicht mehr in die Zeit passen, aber vom Land vorgegeben sind. Würden derlei Regelungen wegfallen, könnten wir sofort 30 dringend benötigte Stellen besetzen. Das geht derzeit nicht, weil Kandidatinnen und Kandidaten diesen formalen Vorgaben nicht entsprechen. Es gibt aber noch andere Aspekte: Wir konnten zum Beispiel einen Kindergarten für unsere Mitglieder nicht errichten, weil wir wegen der viel zu langen Abstimmungsprozesse mit dem Land den Förderzeitraum nicht einhalten konnten.

Würde die Umwandlung der TU in eine Stiftungsuniversität zu einer Verschiebung ihres Profils führen?

Ittel: Nein, wir haben unsere Stärken, die wir weiter ausbauen wollen. Wir bleiben die Technische Universität Braunschweig mit dem starken Schwerpunkt Ingenieur- und Naturwissenschaften. Aber natürlich bleibt zum Beispiel auch unsere Lehrkräfte-Ausbildung. Dass wir all diese Disziplinen haben, macht uns aus. Grundsätzlich gilt aber auch: Das Profil einer Universität verändert sich im Lauf der Zeit. Zum Beispiel spielte nachhaltiges Fliegen vor 40 Jahren noch nicht solch eine Rolle wie heute.

Klassische Stiftungen funktionieren so, dass sie über ein Grundkapital verfügen und dessen Verzinsung für den Stiftungszweck ausgeschüttet wird. Wie funktioniert es bei einer Stiftungsuniversität?

Smyrek: Wir streben nicht das Modell einer von Ihnen beschriebenen Stiftung an, sondern das einer öffentlich-rechtlichen Stiftung. In unserem Fall würden die Universitätsgebäude, die sich im Besitz des Landes befinden, in die Stiftung eingebracht. Das Land würde aber weiterhin die Grundfinanzierung der Universität sicherstellen und die Betriebs- und Instandhaltungskosten für die Gebäude übernehmen – wäre also in der Pflicht.

Welcher Vorteil ergibt sich daraus für die TU?

Smyrek: Wir können die Gebäude autonomer bewirtschaften und belegen. Unabhängig davon zeigt das Beispiel anderer Hochschulen, dass das Stiftungsmodell attraktiv für Zustiftungen oder Erbschaften ist. Sie würden den Kapitalstock und die Erträge erhöhen.

Birgt die Übernahme von Liegenschaften des Landes nicht Risiken? Stichwort Sanierungsstau.

Smyrek: Das ist richtig, der Sanierungsstau wird sich nicht dadurch automatisch auflösen, weil wir eine Stiftung werden. Aber das Land wird sich nicht aus der Verantwortung für die Gebäude herausnehmen können. Durch die Übernahme der Liegenschaften liegt der Vorteil für uns darin, dass wir die Gebäude schneller und freier belegen können als bisher. Zum Beispiel, wenn es darum geht, große Projekte unterzubringen oder wenn wir Ausweichmöglichkeiten benötigen, weil ein Gebäude saniert wird. Bislang müssen wir in diesen Fällen immer auf eine Genehmigung warten, etwa um Räume anzumieten. Das könnten wir künftig selbst entscheiden. Auch in diesem Fall geht es um Zeitersparnis.

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Ist das Land bereit, seine Liegenschaften abzugeben?

Ittel: Dieser Punkt würde ein Bestandteil der Verhandlungen mit dem Land werden. Zunächst müssen wir aber in der Hochschule klären, ob der Wandel zu einer Stiftungsuniversität tatsächlich gewollt wird.

Wie lange dauert der Prozess?

Ittel: Das lässt sich nicht ganz genau bestimmen. Der Senat der TU ist das entscheidende Gremium, nicht das Präsidium. Wir wissen nicht genau, wann der Senat entscheidet, und wir wissen nicht, wie lange die Verhandlungen mit dem Land dauern würden. Wir gehen davon aus, dass es ein knappes Jahr benötigt. Wenn ein Vertrag mit dem Land ausgehandelt werden soll, würde der Senat auch darüber entscheiden, ob dieser Vertrag tatsächlich zu uns passt. Der frühest mögliche Termin, um als Stiftungsuniversität zu starten, ist nach meiner Einschätzung der 1. Januar 2026.

Was passiert mit den rund 3000 Beschäftigten der TU, sollte sie zu einer Stiftung gewandelt werden? Die Gewerkschaft Verdi befürchtet den Verlust von Sicherheit bei den Arbeitsplätzen und Einschränkungen der Mitbestimmung. Was ist zum Beispiel mit den Tarifverträgen?

Smyrek: Für die Beschäftigten ändert sich nichts, der Tarifvertrag findet weiterhin Anwendung. Dazu sind wir verpflichtet, nach dem Gesetz, aber auch nach den Verträgen, die wir mit dem Land schließen würden. Daran wollen wir nichts ändern.

Ittel: Deshalb ist es uns so wichtig, die Diskussion über die Umwandlung breit zu führen. Denn wir wollen natürlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung als Arbeitgeberin genauso vertrauen, wie sie jetzt dem Land vertrauen. Dass dazu derzeit viele Fragen kommen, war zu erwarten und ist verständlich. Ich und mein Präsidium sowie viele Mitglieder der Universität sind überzeugt, dass wir als Stiftungsuniversität besser für die Zukunft aufgestellt sind als jetzt. Wir bauen auf das Vertrauen der Mitarbeitenden, dass so eine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen werden würde.

Tarifverhandlungen könnte die TU aber nicht führen, weil für Stiftungsuniversitäten kein Arbeitgeberverband existiert. Wie stehen Sie dazu?

Smyrek: Tarifverhandlungen führen wir jetzt auch nicht. Die führt das Land und würde das weiter – auch für die Stiftungsuniversitäten – tun. Wir möchten uns gemeinsam mit den anderen Stiftungshochschulen dafür einsetzen, dass ein Arbeitgeberverband gegründet wird. Auf der anderen Seite machen wir auch deutlich, dass der Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen hat, damit es zum Beispiel nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt.

Ittel: Seit 20 Jahren gibt es Stiftungshochschulen in Niedersachsen. Bislang gab es keine Anzeichen, dass der Tarifvertrag nicht angewandt wurde, oder dass die Beschäftigten mit noch schlimmeren Einschränkungen konfrontiert waren. In Gutachten lässt sich dagegen nachlesen, dass sich die Identifikation der Belegschaft mit der Stiftungshochschule stattdessen erhöht hat.

Was verändert sich für die Studentinnen und Studenten, wenn die TU umgewandelt wird?

Ittel: Nichts. Sollten wir als Stiftung Gewinne durch das Anlegen von Geldern erwirtschaften, haben wir zugesagt, dass wir diese Gelder flexibler auch zum Wohle der Studierenden ausgeben werden. Ich denke zum Beispiel an Sitzgelegenheiten auf dem Universitätsplatz, an ansprechendere Lehrräume oder digitale Infrastruktur.

Wie reagieren die Studentinnen und Studenten auf die Idee der Stiftungsuniversität?

Ittel: Grundsätzlich verläuft die Diskussion mit den Studierenden sehr konstruktiv und interessiert. Wir werden gefragt, ob die TU dann enger mit der Industrie zusammenarbeitet. Dabei schwingt die Sorge mit, dass wir ideell gekauft werden und unsere Eigenständigkeit verlieren. Ich verstehe diese Fragen und Sorgen.

Ist die Sorge berechtigt?

Ittel: Nein. Wenn Gelder aus der Industrie kommen, wird bereits jetzt immer genau geprüft, ob diese zur Universität passen – und gegebenenfalls künftig, ob diese Gelder dem Stiftungszweck entsprechen. Deshalb wird es sehr wichtig sein, den Stiftungszweck sehr präzise zu definieren.

Sie setzten als Stiftungsuniversität auf Zustiftungen und Erbschaften als zusätzliche Einnahmen. Gibt es
Erfahrungswerte anderer Hochschulen, wie hoch diese Mittel im Schnitt im
Vergleich zum Gesamtbudget sind?

Smyrek: Die TU erhält einen Landeszuschuss von ca. 240 Millionen Euro. Würden wir nur zwei Prozent dieser Summe über Zustiftungen und Erbschaften erhalten, bekämen wir viel Freiraum für zusätzliche Investitionen. Der Stiftungsgedanke kann uns diesen Weg leichter öffnen, als wenn wir eine staatliche Universität bleiben würden. Diese werden nur selten durch private Initiativen unterstützt.

Ittel: Kaum jemand spendet an staatliche Hochschulen, weil immer der Gedanke mitschwingt, dass sie ohnehin durch Steuern finanziert werden. Das ist bei einer Stiftung anders, weil die Menschen wissen, dass sie konkret helfen können. Natürlich müssten auch diese Mittel den Stiftungszweck erfüllen.

Was geschieht, sollte es nicht zu einer Stiftungsuniversität kommen?

Ittel: Wir würden natürlich weitermachen als eine großartige Universität. Die Qualität der Wissenschaft würde dadurch nicht verlieren – aber es blieben auch Chancen ungenutzt. Unsere größten Partner in Niedersachsen sind die Stiftungsuniversitäten Göttingen und Hannover. Wenn wir künftig mit ihnen als Nicht-Stiftungsuniversität am Tisch sitzen und gemeinsame Projekte aushandeln, könnte das für uns allerdings nachteilig sein. Denn wir müssten dann als TU zusätzlich immer noch mit dem Land verhandeln. Ich hoffe sehr, dass die Idee der Stiftung von den Senatorinnen und Senatoren unterstützt wird. Es täte der TU Braunschweig gut, und das ist das wichtigste Argument für mich und meine Kolleginnen und Kollegen.