Berlin. In Uniper hat der Energiekonzern Eon 2016 Kraftwerke und Gashandel gebündelt. Rettet der Staat mit Milliardenzahlungen eine Resterampe?

Es ist als „Resterampe“ gestartet, jetzt muss der Staat Milliarden in das Unternehmen pumpen. Uniper aus Düsseldorf ist zu wichtig für die deutsche Energieversorgung. Eine Pleite hätte aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums unübersehbare Folgen gehabt. Was rettet der deutsche Staat da mit Steuergeld und einer verkorksten, sehr teuren Gasumlage?

Uniper ist erst wenige Jahre alt. Entstanden ist der Konzern als Teil des radikalen Wandels der deutschen Energieindustrie. Und er ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Geschäfte im Verborgenen laufen. Es spielen auch noch mit: Jede Menge Manager-Ego, ein aggressiver US-Hedgefonds und ein umtriebiger Vermögensberater, finnische Investoren mit viel Geld und wenig Konzept. Lesen Sie auch: Nord Stream 1: Gazprom nimmt Gastransport nicht wieder auf

Gas: Uniper beliefert mehr als 100 Stadtwerke mit Energie

Doch zunächst die wesentlichen Fakten: Uniper mit Sitz in Düsseldorf handelt weltweit mit Gas. In Deutschland beliefert das Unternehmen mehr als 100 Stadtwerke mit Gas. Uniper besitzt zwei Langfristverträge mit dem staatlichen russischen Gaskonzern Gazprom und ist größter deutscher Importeur russischen Gases, steht für gut ein Fünftel der deutschen Gasversorgung. Die Verbindungen nach Russland reichen bis in die Fünfzigerjahre zurück. Uniper betreibt auch drei Gasspeicher in Deutschland.

Der Konzern gehört zu den größten europäischen Stromproduzenten mit Gas- und Kohlekraftwerken in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Belgien. Die Düsseldorfer sind an drei schwedischen Atom- und zahlreichen Wasserkraftwerken beteiligt. Zudem gehören über Unipro fünf Kohle- und Gaskraftwerke in Russland zum Geschäft, die gut fünf Prozent des russischen Strombedarfs liefern.

Uniper verzeichnete zuletzt einen Milliardenverlust

Im ersten Halbjahr 2022 setzte das Unternehmen vor allem wegen der drastisch gestiegenen Energiepreise 119,34 Milliarden Euro um, der Verlust belief sich auf 12,42 Milliarden Euro. Beide Werte sind weit von den 41,45 Milliarden Euro Umsatz und 20 Millionen Verlust des Vorjahres entfernt.

Die Zukunftsstrategie Unipers ist eher vage: Ausbau Erneuerbarer Energien, Wasserstoff und Flüssiggas LNG. Das Unternehmen ist im MDax der mittelgroßen Werte notiert. 78 Prozent gehören dem finnischen Energiekonzern Fortum, an dem der finnische Staat die Mehrheit hält.

Die Düsseldorfer sind vor allem wegen ihres Gasgeschäfts nahe an die Insolvenz geraten. Weil Gazprom nur noch sehr begrenzt liefert, Uniper aber seine Kunden, vor allem Stadtwerke, mit Gas versorgen muss, kauft das Unternehmen am Spotmarkt teuer ein. Die Kunden zahlen nur die niedrigen, in ihren Verträgen festgehaltenen Preise. Die Differenz trägt Uniper. Von bis zu 100 Millionen Euro Verlust pro Tag ist die Rede.

Linke und Grüne fordern Gehaltsverzicht

Deshalb springt der deutsche Staat ein. Er gewährt rund acht Milliarden Euro als direkte Beteiligung und über eine Wandelanleihe. Gleichzeitig kann Uniper bei der staatlichen Förderbank KfW bis zu neun Milliarden Euro Kredit aufnehmen. Uniper ist auch Hauptnutznießer der Gasumlage, die nach ersten Zahlen rund 34 Milliarden Euro umverteilen wird, gut die Hälfte dürften an die Düsseldorfer gehen.

Nicht alle sind mit der Art und Weise zufrieden. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, verweist gegenüber unserer Redaktion auf die Gehälter der Uniper-Führungsriege. 2,24 Millionen Euro wurden laut des Vergütungsberichts im vergangenen Jahr dem Vorstandsvorsitzenden Klaus-Dieter Maubach gewährt, mit nachträglich gezahlten Boni könnte die Summe auf bis zu 4,3 Millionen Euro anwachsen. Eine Anfrage, wie viel Geld Maubach inklusive Boni bereits genau bezahlt wurde, ließ Uniper bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

So oder so: „Staatliche Hilfen sollte Uniper nur erhalten, wenn die Zahlungen an die Uniper-Chefetage drastisch reduziert werden“, findet Bartsch. Ähnlich hatte sich bereits die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge geäußert, die dafür plädierte, dass die Vorstände auf ein Teil ihres Gehalts verzichten sollten.

Uniper hatte von Anfang an schwere Bedingungen

Der Name Uniper setzt sich aus „Unique“ (einzigartig) und „Performance“ (Leistung) zusammen. Doch das Versprechen nach einer einzigartigen Leistung sieht eher nach Desaster aus. Schon der Start zum 1. Januar 2016 war wenig verheißungsvoll.

Der Essener Energiekonzern Eon hatte sich nach Plänen des damaligen Vorstandschefs Johannes Teyssen als erster deutscher Energiekonzern aufgeteilt, um die Energiewende nachhaltig anzugehen: in die neue Eon mit Wind- und Solaranlagen, Netzen und Endkundengeschäft und Uniper mit den konventionellen Kraftwerken, Gashandel der alten Ruhrgas und allem anderen, was Eon nicht mehr passte, um in der schönen neuen Energiewelt zu strahlen. Von „Resterampe“ war die Rede.

Zudem war die Marktlage schwierig. Wind- und Solarstrom fluteten den Markt. Weder Kohle- noch Gaskraftwerke konnten so billig produzieren. Uniper kämpfte mit hohen Verlusten, war hoch verschuldet. Und die Strategie des Unternehmens war vermutlich nur Uniper-Chef Klaus Schäfer, Ex-Eon-Manager, richtig klar. Eon brachte mehr als die Hälfte der Uniper-Aktien im September 2016 an die Börse. Lesen Sie hier: Preisbremse für Gas und Strom: Bald auch in Deutschland?

Querelen um die Übernahme

Schäfer gelang, was viele nicht vermutet hatten: Uniper recht zügig in die schwarzen Zahlen zu bringen. Denn ohne Uniper mit den modernen Gaskraftwerken und den lukrativen Verträgen mit Gazprom keine Energiewende, war die Idee. Zumal das Unternehmen bei steigenden Strompreisen richtig gut Geld verdient hätte. Der Aktienkurs legte zeitweise bis auf mehr als 42 Euro zu. Heute sind es knapp über fünf Euro.

Möglicherweise wäre alles gut gelaufen, hätte nicht Eon sich zügig von seinen restlichen 46,65 Uniper-Prozent trennen wollen. Einen Käufer hatte Eon-Chef Teyssen schnell gefunden: Fortum. Besser gepasst hätte wahrscheinlich RWE. Doch der Eon-Rivale war für Teyssen wohl inakzeptabel.

Nicht über das Geschäft informiert war Uniper-Chef Schäfer, der in der Folge einen bisher beispiellosen Abwehrkampf inszenierte, der nicht nur den Aktienkurs hochtrieb und die Finnen lange blockierte, sondern auch so viele Kräfte band, dass anderes liegenblieb.

Die Zukunft bleibt ungewiss

Der aggressive US-Hedgefonds Elliott kaufte sich über die Börse bei Uniper ein, der US-Vermögensverwalter Knight Vinke ebenfalls. Beide pokerten auf höhere Kurse, machten sowohl Fortum als auch Uniper die Arbeit schwer. 2019 hatte Fortum genug, kaufte die Anteile der Amerikaner, übernahm die Uniper-Mehrheit und klärte die Lage. So sah es jedenfalls aus. Seither wechselte das Management bereits zweimal. Klaus-Dieter Maubach, aktuell CEO, versuchte, Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Dann schränkte Gazprom die Lieferung ein.

Als der deutsche Staat im Juli zur Rettung bei Uniper schritt, wollten die Finnen lieber nur den Gashandel ausgründen und Deutschland überlassen – eine neue Resterampe sozusagen. Möglicherweise der Versuch, Uniper zu zerlegen und ganz loszuwerden. Denn bisher konnten die Finnen nicht genau erklären, warum sie Uniper unbedingt kaufen wollten – Synergien mit der auf CO2-neutrale Energieerzeugung ausgerichteten Fortum gibt es kaum.

Jetzt hat der deutsche Staat – und damit der Steuerzahler – womöglich den deutschen Gasmarkt stabilisiert. Dafür aber muss er sich um ein Unternehmen kümmern, dessen Zukunft ungewiss ist.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.