Berlin. Die Gasumlage bringt Mehrkosten für Millionen Kunden. Sie beträgt 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Lesen Sie hier alle wichtigen Antworten.

  • Die Höhe der Gasumlage wird rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen
  • Auf einen Vier-Personen-Haushalt kommen so 575,72 Euro Mehrkosten zu
  • Lesen Sie hier alle wichtigen Antworten zur Gasumlage

Ab Herbst müssen sich Gaskunden auf deutlich höhere Kosten einstellen. Die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland haben hiesige Energieunternehmen wie Uniper massiv unter Druck gebracht. Um einen Kollaps der Versorger zu verhindern, hat die Bundesregierung beschlossen, ab Oktober eine Gasumlage einzuführen. Am Montag teilte nun das Gemeinschaftsunternehmen der Gasimporteure, die Trading Hub Europe (THE), die Details zu dem Instrument mit. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Gasumlage: Wie hoch fällt sie aus?

Die staatliche Gasumlage sorgt ab Herbst für Mehrkosten für Millionen von Kunden. Sie wird 2,419 Cent pro Kilowattstunde betragen. Das verkündete die Trading Hub Europe GmbH (THE) am Montagmittag.

  • Einen Musterhaushalt im Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden pro Jahr wird die Gasumlage damit 575,72 Euro zusätzlich kosten. Das ergab eine Beispielrechnung des Vergleichsportals Verivox, die unserer Redaktion vorliegt. Ohne Mehrwertsteuer belaufen sich die Kosten demnach auf 483,80 Euro.
  • Ein typischer Single-Haushalt müsste in dieser Rechnung mit rund 144 Euro zusätzlich kalkulieren, bei einem Zwei-Personenhaushalt mit einem Gasverbrauch von 12.000 Kilowattstunden pro Jahr würden die Mehrkosten inklusive Mehrwertsteuer rund 345 Euro betragen.

Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte gesagt, er rechne pro Jahr mit "einigen Hundert Euro pro Haushalt".

Wann wird die Gasumlage fällig?

Ab Oktober gilt die Umlage. Es kann aber etwas dauern, bis die Versorger sie in Rechnung stellen. „Die Umlage wird mit etwas Zeitverzug wahrscheinlich erstmals im November/Dezember ausgewiesen“, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Das spüren die Immobilieneigentümer zuerst. Bei vielen Mietern könnte die Umlage im Zuge der Betriebskostenabrechnung erst nächstes Jahr ankommen. Die Umlage soll am 1. April 2024 enden.

Wie lange gilt die Umlage?

Die Umlage wird alle drei Monate neu berechnet, kann zunehmen, aber auch sinken. Sie kommt zu den sowieso steigenden Gaspreisen hinzu. Diese sind das größere Problem. Schon für sparsame Privathaushalte können sie momentan 150 Euro monatlich betragen. Ein Anstieg auf 300 pro Monat ist nicht unwahrscheinlich.

Wer muss die neue Umlage bezahlen?

Alle Privathaushalte und Unternehmen, die Erdgas beziehen, um zu heizen, zu kochen, Wasser zu erwärmen oder Güter zu produzieren.

Warum wird sie erhoben?

Im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Ukraine liefert Russland viel weniger Erdgas als vereinbart. Hiesige Importeure müssen sich deshalb zu weit höheren Kosten auf dem Weltmarkt eindecken, während sie den Brennstoff noch zu früher festgelegten niedrigen Preisen an die Gasversorger abgeben.

Diese Schere bedroht manchen Importeur in der Existenz. „Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag. Die Umlage soll die Zusatzkosten der Importeure decken und sie auf die Kunden verteilen. Praktisch organisiert das die Firma THE. Die Bundesnetzagentur, die dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, rechnet nach.

Welche Firmen profitieren?

„Insgesamt haben zwölf Gasimporteure ihre Ersatzbeschaffungskosten bei THE angemeldet“, erklärte das Wirtschaftsministerium, „sie machen 34 Milliarden Euro Kosten geltend.“ Eine Liste der Empfänger veröffentlichte THE am Montag nicht.

Erwirtschaften Unternehmen Gewinne, obwohl sie die Umlage erhalten?

Das meiste Geld wird wohl an Uniper fließen, den größten deutschen Gasimporteur. Dieser macht wegen Russland augenblicklich hohe Verluste, weshalb ihn die Bundesregierung stützt. Grundsätzlich erscheint aber denkbar, dass Gasimporteure mit ihrem Russland-Geschäft rote Zahlen schreiben, in anderen Geschäftsfeldern jedoch Gewinne verbuchen. Das ist bei RWE (Strom) und Shell (Benzin) so. Diese beiden haben freiwillig auf die Umlage verzichtet.

Will die Regierung den Haushalten helfen?

Entlastungspakete hat die Regierung bereits geschnürt. Demnächst erhalten alle steuerpflichtigen Erwerbstätigen beispielsweise einen staatlichen Energiepreiszuschuss von 300 Euro, der allerdings versteuert werden muss. Die Ökostrom-Umlage wurde abgeschafft, das Kindergeld einmalig um 100 Euro angehoben.

Je nach individueller Konstellation können die staatlichen Entlastungen 600, 700 oder mehr Euro pro Privathaushalt erreichen. Trotzdem werden sie nicht die kompletten Mehrkosten für Energie und Lebenshaltung abdecken. Besonders Bürgerinnen und Bürger mit geringen Einkommen haben zu kämpfen.

Ein zusätzliches Entlastungspaket ist deshalb in der Diskussion – ob und wie schnell es kommt, ist unklar. Für den Jahresanfang 2023 hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein höheres Wohngeld für Niedrigverdiener und das neue Bürgergeld (bisher Hartz IV) angekündigt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dringt auf eine Steuersenkung.

Gibt es aktuelle Vorschläge?

Habeck versprach am Montag „zielgerichtete Entlastungen.“ Das ist aus Sicht des Sozialverbandes VdK auch dringend notwendig. „Eine Gas-Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde und zudem steigende Energie- und Lebensmittelpreise treiben Menschen mit wenig Geld in die Zahlungsunfähigkeit“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele unserer Redaktion. Sie forderte ein „Wärmekontingent“: Ein Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden Gas pro Haushalt solle zu einem fairen Preis angeboten werden.

Schnelle Hilfe für Rentner, Menschen in der Grundsicherung und Geringverdiener forderte auch der Sozialverband Deutschland (SoVD). Es brauche jetzt schnell armutsfeste Regelsätze in der Grundsicherung sowie die Einführung der Kindergrundsicherung, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer unserer Redaktion. „Außerdem ist eine Wohngeldreform nötig und die bislang völlig ignorierten Millionen Menschen in Rente brauchen schnell eine 300 Euro-Energiepauschale.“

Welche wirtschaftlichen Folgen sind zu erwarten?

„Zusammen mit dem auslaufenden Tankrabatt und dem Wegfall des Neun-Euro-Tickets kann der Anstieg der Gaspreise zu zweistelligen Inflationsraten im Herbst führen“, sagte Jens Südekum, Ökonom an der Uni Düsseldorf. Die Kaufkraft der Privathaushalte sinkt dann. Dies könne dazu beitragen, dass die hiesige Wirtschaft im Winterhalbjahr in eine Rezession abgleite, erklärte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Der Mittelstands-Bundesverband forderte einen Energiegipfel im Kanzleramt, um schnellmöglich Anreizmechanismen für Unternehmen zu schaffen, die nicht benötigte Gasmengen freigeben. „Um dabei alle relevanten Akteure an den Tisch zu holen, ist ein Energiegipfel im Kanzleramt das Gebot der Stunde“, sagte Verbandschef Markus Jerger unserer Redaktion.

Gasumlage: Wird die Mehrwertsteuer berechnet?

Unklar ist noch, ob auf die Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig wird. Zwar will die Bundesregierung das verhindern, das ist aber rechtlich nicht einfach. Laut Finanzministerium sind solche Ausnahmen im Europarecht nicht vorgesehen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat aber auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten: In einem Brief an EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni forderte Lindner diesen dazu auf, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben. Unabhängig davon werde Deutschland nach Artikel 395 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Ausnahme beantragen, hieß es.

Gasumlage: Drohen weitere Preiserhöhungen?

Gaskunden und -kundinnen sollen die Gasumlage zahlen. Doch was viele nicht wissen: Daneben können die Gasversorger auch regulär die Preise erhöhen. Diese Mehrkosten können dann noch zusätzlich zur Gasumlage anfallen. "Es ist wahrscheinlich, dass Sie sowohl reguläre Preiserhöhungen als auch die Umlage zahlen müssen", schreibt dazu etwa die deutsche Verbraucherzentrale.

Wenn bei Verträgen die abgemachten Preisgarantien enden, können die Unternehmen Preiserhöhungen ankündigen. Wer einen neuen Vertrag abschließt, muss ohnehin mit höheren Preisen rechnen.

Rechtlich unklar ist derzeit aber noch, ob Kunden und Kundinnen in Verträgen mit Festpreisgarantie die Umlage überhaupt zahlen müssen. Das Wirtschaftsministerium erklärt dazu am Montag, diese Frage werde derzeit noch geprüft.

Neben der Gasumlage drohen auch reguläre Preiserhöhungen
Neben der Gasumlage drohen auch reguläre Preiserhöhungen © Jens Büttner/dpa/Symbolbild

Gasumlage: Was passiert, wenn ich nicht zahlen kann?

Angesichts steigender Kosten ist es sinnvoll, für höhere Zahlungen in der Zukunft finanzielle Rücklagen anzuschaffen und Geld beiseite zu legen. Doch viele Haushalte können sich das nicht leisten.

In manchen Fällen unterstützen das Jobcenter oder das Sozialamt einkommensschwache Personen und Familien bei den Kosten. In anderen können die Kunden und Kundinnen bei den Energieversorgern um Ratenzahlungen bitten.

Das passiert, wenn Verbraucher kein Strom oder Gas bezahlen können

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    Bisher gibt es keine Schutzmechanismen, die Verbrauchende vor einer Gassperre oder sogar einer Kündigung schützen. Zwar wollte die Bundesregierung Kündigungen wegen nicht bezahlter Energiekosten vorerst aussetzen, setzte das Vorhaben aber bisher nicht um.

    Zudem verschwinden auch in jenem Fall die Schulden nicht: Dann kann die Kündigung auch zu einem späteren Zeitpunkt beim Auslaufen der Regelung erfolgen.

    Welche Unternehmen auf die Gasumlage verzichten

    Um systemrelevante Gasimporteure wie Uniper zu retten, müssen Verbraucher ab Oktober eine deftige Gasumlage zahlen. Doch es gibt auch Energieunternehmen, die von der Kostenerstattung durch die Umlage keinen Gebrauch machen wollen.

    Dazu gehört RWE: Zumindest vorerst will der Konzern auf die Umlage verzichten, weil man laut Aussagen vom Vorstandschef Markus Krebber vergleichsweise wenig Gas aus Russland beziehe. „RWE ist ein finanzstarkes und robustes Unternehmen. Wir erwägen daher, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, unsere Verluste aus der Gasersatzbeschaffung für diese Umlage geltend zu machen“, erklärte der CEO vergangene Woche in Essen.

    Auch der Energiekonzern Shell will kein Geld aus der geplanten Umlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure einfordern. Wie die Sprecherin von Shell Deutschland, Cornelia Wolber, am Sonntag (14. August) in Hamburg mitteilte, registrierte sich das Unternehmen gar nicht erst für entsprechende Zahlungen und wird diese daher auch nicht in Anspruch nehmen.

    Gasumlage: Darum ist Deutschland besonders betroffen

    Dieser "externe Schock" treffe Deutschland, das bislang stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war, besonders. Viele Gaslieferungen aus Russland, die bisher vertraglich zugesichert waren, fielen weg.

    Gasimporteure aber haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden.

    Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart – und im Zuge dessen auch die Gasumlage. Diese kommt zusätzlich zu marktbedingten Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen. (pcl/reba/lgr/dpa)

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.