Braunschweig/Wolfsburg. Die Braunschweiger Virologin berichtet über die Behandlung des Corona-Virus und mahnt zu Vorsichtig bei der Grippe. Auch VW beschäftigt das Virus.

Angesichts der sich verschärfenden Epidemie mit dem neuen Corona-Virus hält die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann die Abriegelung mehrerer chinesischer Städte mit insgesamt mehr als 40 Millionen Menschen für berechtigt.

„Besser eine Millionenstadt abriegeln als das ganze Land“

„Ich finde, dass der chinesische Staat sich hier richtig verhält. Es ist besser, heute eine Millionenstadt abzusperren als später vielleicht das ganze Land“, sagte die Forscherin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, die seit 2018 eine Professur an der TU Braunschweig innehalt. „Bei diesem Corona-Virus handelt es sich um ein völlig neues Virus, das hat uns aufgeschreckt“, sagte Brinkmann unserer Zeitung.

Anders als gegen Influenza-Grippeviren gibt es bisher keinen Impfstoff gegen die Corona-Variante. Dass es binnen weniger Monate gelingen könnte, einen solchen zu entwickeln, glaubt Brinkmann nicht. Immerhin sei es in kürzester Zeit gelungen, das Erbgut des neuen Virus zu entschlüsseln – „das hätten wir früher nicht gekonnt“.

Jeder kennt die Symptome – das ist gut

Derzeit versuchten Ärzte, Erkrankte mit Medikamenten zu behandeln, die auch gegen den Aids-Erreger eingesetzt werden, so Brinkmann. „Ich bin gespannt, ob das etwas bringt.“ Wie es mit der Epidemie weitergehe, werde davon abhängen, wie sich der Erreger weiter entwickele.

Dass die Aufmerksamkeit für das Virus weltweit hoch ist, begrüßt sie. „Alle sind alarmiert. Das ist gut so.“ Wohl jeder, der die entsprechenden Symptome entwickele – Fieber, Husten, Atemnot, starkes Krankheitsgefühl – und vorher mit Chinareisenden in Kontakt war, wisse um die Möglichkeit einer Infektion.

Menschen gehen zu lax mit der Grippe um

Dass die Krankheit bisher rund 80 Todesopfer forderte, während es in der Grippesaison 2017/18 laut dem Robert-Koch-Institut 1674 Tote durch Influenza allein in Deutschland gab, ist für Brinkmann kein Grund für Entwarnung. Aus ihrer Sicht zeigt der Vergleich vielmehr, wie lax viele Menschen mit der Gefahr durch Grippeviren umgehen.

„Es ist erstaunlich, wie wenige Menschen sich impfen lassen.“ Weitere wichtige Vorsichtsmaßnahmen seien gründliches Händewaschen und der Verzicht auf den Griff an die Nase. Dass das Verhalten – Alarmstimmung beim Corona-Virus, Gelassenheit beim Influenza-Virus – so unterschiedlich sei, führt Brinkmann auf die Furcht vorm Unbekannten zurück.

China für VW der wichtigste Markt

Für den Volkswagen-Konzern ist China der größte und wichtigste Markt. Der Autobauer hat dort 23 Werke mit mehr als 90.000 Mitarbeitern. Nach Angaben eines Sprechers gibt es allerdings kein VW-Werk in der chinesischen Stadt Wuhan, wo das Virus zuerst aufgetreten ist. Produktion und Logistik seien nicht beeinträchtigt.

Die Furcht vor der Ausbreitung des zuerst in China aufgetretenen Corona-Virus und vor einer Schwächung der chinesischen Wirtschaft schlägt weltweit durch. Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax sackte am Montag um 2,74 Prozent auf 13.204,77 Punkte ab, die VW-Vorzugsaktie gab um 2,43 Prozent auf 172,30 Euro nach, und auch der Preis für Heizöl und Benzin knickte ein.

Keine Auswirkung auf VW-Produktion

Reiseveranstalter wie Tui bieten ihren Kunden an, China-Reisen umzubuchen, berichtete die Deutsche Presseagentur. Im Reich der Mitte seien inzwischen 2800 Infektionsfälle bekannt,
81 Menschen seien dort an dem Virus gestorben.

VW-Mitarbeiter montieren im Werk in Anting bei Shanghai einen Tiguan.
VW-Mitarbeiter montieren im Werk in Anting bei Shanghai einen Tiguan. © dpa | Ole Spata

Wie ein VW-Sprecher unserer Zeitung sagte, wirkt sich der Ausbruch der Krankheit in der chinesischen Millionenstadt Wuhan nicht auf die Produktion oder Logistik der VW-Standorte aus. In Summe gehören zu VW in China 23 Werke, in denen mehr als 90.000 Menschen beschäftigt werden.

Gründlich auf die Hygiene achten

Nach Angaben eines weiteren VW-Sprechers wird die Entwicklung in China vom VW-Gesundheitswesen fortlaufend beobachtet. Mitarbeitern werde empfohlen, Dienstreisen nach China auf ein Mindestmaß zu beschränken. Außerdem werde VW-Beschäftigten, die im Reich der Mitte tätig sind, geraten, besonders sorgsam auf Hygiene- und Verhaltensregeln zu achten.

Dazu gehöre, Märkte und Bauernhöfe zu meiden, das regelmäßige Waschen und Desinfizieren der Hände, den Kontakt zu Vögeln zu vermeiden, nur gründlich gekochte Speisen zu verzehren und bei Anzeichen einer Krankheit sofort einen Arzttermin zu vereinbaren.

Symptome: Husten, Atemwegsbeschwerden, hohes Fieber

Anzeichen einer Infektion sind Husten, Atemwegsbeschwerden sowie hohes Fieber. Allesamt Symptome, die auch bei einer Grippe typisch sind. Die fordert regelmäßig in Deutschland viele Todesopfer. Nach Angaben des staatlichen Robert-Koch-Instituts (RKI), zu dessen Aufgaben die Krankheitsüberwachung und -vorsorge zählen, wurden in der Influenza-Saison 2017/2018 in Deutschland offiziell 1674 Todesfälle registriert, die Schätzungen gehen demnach aber von mehr als 25.000 Todesfällen aus. Das sei der höchste Stand seit 30 Jahren gewesen. Zudem gab es auch in Vorjahren den Schätzungen zufolge deutlich fünfstellige Todesfälle. Für die Saison 2016/2017 weist das RKI 22.900 aus, 20.700 für 2012/2013 und 18.800 für 2008/2009.

„Keine Signale, dass Situation im Griff ist“

Professor Stefan Bratzel, der das Auto-Institut der Fachhochschule in Bergisch Gladbach leitet, warnte davor, die Entwicklung in China zu unterschätzen. „Bislang sind keine Signale zu erkennen, dass die Situation in den Begriff zu bekommen ist“, sagte er mit Blick auf Meldungen zu steigenden Infektionszahlen.

Die chinesische Regierung habe das Neujahrsfest und den Urlaub bereits verlängert. Sollte eine weitere Verlängerung folgen, hätte das wirtschaftliche Effekte, die sich global auswirken könnten – weil etwa Produktionstage ausfielen, weil Reisebeschränkungen zu Zeitverlusten führten oder weil sich die Zollbearbeitung verzögere, erläuterte der Auto-Experte.

Überreaktion oder Wahrheit?

Dass die Börsen am Montag nach unter ausschlugen, wollte er hingegen nicht überbewerten. „Das kann ganz schnell wieder nach oben gehen.“

Derzeit gelte es, die Entwicklung im Reich der Mitte weiter zu beobachten. In einigen Tagen werde sich abzeichnen, ob die aktuelle Reaktion auf das Corona-Virus eine Überreaktion war oder ob sich die Sorgen vor Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Entwicklung in China bewahrheiten.