An Betriebskosten denken

Experte warnt vor H2-Heizung: Alternative ist viel günstiger

| Lesedauer: 7 Minuten
Auf den Rohren einer Wasserstofferzeugungsanlage ist ein Aufkleber mit der Aufschrift «Wasserstoff» angebracht. Die Stadtwerke in Deutschland haben den Grundsatz der Technologieoffenheit im geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG) gelobt.

Auf den Rohren einer Wasserstofferzeugungsanlage ist ein Aufkleber mit der Aufschrift «Wasserstoff» angebracht. Die Stadtwerke in Deutschland haben den Grundsatz der Technologieoffenheit im geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG) gelobt.

Foto: Nicolas Armer/dpa

Berlin.  Eine neue Heizung oder doch besser die Wärmepumpe? Eigentümer haben in Zukunft mehrere Optionen – doch von einer raten Experten ab.

Weg von fossilen Brennstoffen wie Heizöl oder Gas und in Zukunft stattdessen auf erneuerbare Energien setzen – das ehrgeizige Ziel: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Ein elementarer Baustein ist die Wärmewende und damit der Umstieg von Öl- und Gasheizungen auf klimafreundliche Alternativen wie die Wärmepumpe. Das von der Ampel-Koalition vorgestellte Heizungsgesetz sieht für Neu- und Bestandsbauten jedoch mehrere Optionen vor. Primär die FDP hatte sich für die Technologieoffenheit starkgemacht.

Heizung ab 2024: Gasheizung soll weiter möglich sein – doch es gibt einen Haken

Doch was versteht man darunter? Neben der Wärmepumpe sollen auch andere Wärmeerzeuger erlaubt sein – das zumindest ist die kurze Antwort. Jedoch gibt es noch viele offene Fragen – allen voran im Hinblick auf die Gasheizung. Denn im Wasserstoff- (H2) oder Biomasse-Betrieb soll auch das Heizen mit der Gasheizung weiterhin möglich sein – zumindest in der Theorie.

In der Realität gibt es noch Stolpersteine: Noch gibt es kein auf Wasserstoff ausgelegtes Netz, und der Energieträger ist wie Biogas kaum verfügbar.

Der Fachverband Biogas zeigt sich trotzdem zuversichtlich: "Bis 2030 können wir sieben Millionen Haushalte mit Biogas erreichen." Bei Bedarf und die politischen Signale vorausgesetzt, könne der Bestand an Biogasanlagen sogar noch weiter ansteigen, erklärte Geschäftsführer Manuel Maciejczyk vor einigen Wochen im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Haken an der Sache: Einzelne Verbraucher haben auf das Einspeisen von Biomethan oder Wasserstoff in das Gasnetz keinen direkten Einfluss – hier sind die Betreiber und die Politik am Zug.

Gasheizung mit Biomethan oder Wasserstoff nutzen – ein Faktencheck

Heizung Vorteile Nachteile H2- oder Biomasse
Gasheizung Hohe Energieeffizienz Verwendung fossiler Brennstoffe H2 nein
  Geringe Installationskosten CO2-Preis und Emissionen Biomethan als Austauschgas
  Wartungsarm Abhängigkeit von Gaslieferungen  
Gas-Brennwertheizung Sehr hohe Energieeffizienz durch Nutzung der Abwärme Höhere Anschaffungskosten als bei einfachen Gasheizungen H2 nein
  Umweltfreundlicher als klassische Gasheizung Aufwendigere Wartung notwendig Biomethan als Austauschgas
Gashybridheizung mit Biomasse Erneuerbare Energiequelle Größere Lagerfläche für Biomasse nötig H2 nein
  CO2-neutral  – wenn nachhaltig produziert Hohe Anschaffungs- und Betriebskosten Biomasse ja
H2-ready-Gasheizung Potenzial für null Emissionen Wasserstoff-Infrastruktur noch in Entwicklung H2 ja
  Kann vorhandene Gasinfrastruktur nutzen Hohe Umstellungskosten Biomasse nein – außer bei Hybridheizung für Gasgemische
    Eigentümer gehen in Vorkasse – mancherorts keine Garantie für H2-Netz  

Heizung in Zukunft mit Wasserstoff (H2) nutzen – Experte spricht von "Sackgasse"

Für die Eigentümer bedeutet das: Der Betrieb einer H2-Heizung oder einer Gasheizung im Biogas-Betrieb ist nicht immer gewährleistet. Aufschluss soll die kommunale Wärmeplanung bis 2028 geben – jede Kommune soll prüfen, ob ein klimaneutrales Gas- oder Fernwärmenetz möglich ist. Und wenn eine Heizung vorher ausgetauscht werden muss? Dann kann Spekulieren teuer werden – denn letzten Endes muss der Hausbesitzer die 65-Prozent-Quote für erneuerbare Energien gewährleisten – konkret sind auch Übergangsfristen für den Tausch der Heizung vorgesehen.

Was also tun, wenn die alte Heizung unter die Austauschpflicht fällt oder schlicht irreparabel kaputtgeht? Dann sollten sich Eigentümer möglichst frühzeitig über Alternativen informieren – und primär bei der Gasheizung aufpassen. Viele Experten raten von einer neuen Gasheizung ab – darunter Jan Rosenow, der am Environmental Change Institute an der britischen Universität Oxford forscht. Das Heizen mit Wasserstoff sei eine Sackgasse, erklärte der Energieexperte gegenüber "Focus online Earth".

Videografik: Grüner Wasserstoff - Energiequelle der Zukunft
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Experte rechnet vor: Enorme Kosten für eine H2-Heizung – Alternative ist günstiger

Wasserstoff ist Rosenow zufolge nicht in ausreichender Menge verfügbar und müsse importiert werden. Zudem sei das Heizen mit Wasserstoff viel teurer als etablierte Technologien wie die Wärmepumpe und Fernwärme. Noch gebe es zu wenig grünen Wasserstoff für eine flächendeckende Nutzung. Rosenow bezeichnet die Herstellung als verschwenderisch im Vergleich zu erneuerbaren Energien wie der Wärmepumpe. Rosenow zufolge sei die H2-Heizung in der Industrie sinnvoller, um in diesem Sektor klimaneutraler zu machen.

Der Forscher rechnet vor: "Um ein Haus mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr mit Wasserstoff zu beheizen, müsste man in Deutschland 5000 Euro im Jahr bezahlen." Das sei mehr als das Doppelte der zu erwartenden Betriebskosten einer Wärmepumpe in einem Wärmepumpen-Stromtarif im Jahr 2030. Eine möglicherweise ergänzende Photovoltaik-Nutzung ist hier nicht berücksichtigt. Auch in den weniger sonnen-intensiven Monaten lassen sich damit Betriebskosten einsparen.

Zustimmung bekommt Rosenow von der Energieökonomin Claudia Kemfert. Wasserstoff im Heizungsbereich sei größtenteils pure Verschwendung, twittert die Professorin. Wasserstoff sei kostbar und der teure "Champagner" der Energieträger. Für die Energie- und Wärmewende gebe es laut Kemfert schnellere, effizientere und preiswertere Alternativen. Nicht immer muss es etwa die meistverkaufte Wärmepumpe in Deutschland sein. In Hybridsystemen etwa kann auch eine Luft-Luft-Wärmepumpe für unter 5000 Euro eine Option sein.

Heizung oder Wärmepumpe? Kosten beachten – Gas-Alternativen sind nicht günstig

Auch Sonja Álvarez – die stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros der Wirtschaftswoche – sieht die von der FDP suggerierte Technologieoffenheit im Heizungsgesetz kritisch. "Ich finde, dass die FDP hier tatsächlich eine komplette Irreführung der Wählerinnen und Wähler betreibt", sagte Álvarez jüngst in der ZDF-Talkshow Markus Lanz. Es entstehe der Eindruck, dass man sich weiter Gasheizungen einbauen könne und diese irgendwann plötzlich "Wasserstoff ready" seien.

Auch innerhalb der Ampel-Koalition ist die Haltung zur H2-Gasheizung gespalten. Die Grünen warnten jüngst vor der Gasheizung – es sei ein Spiel mit dem Feuer. Und im Zweifel könnten hohe Kosten auf die Haushalte zukommen. Auch die Beimischung von Biomethan sei nicht billig, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch gegenüber RTL/ntv. "Es ist niemandem zu raten, jetzt noch eine Gasheizung einzubauen." Als Alternativen kommen neben der Wärmepumpe noch die Pelletheizung oder der Anschluss an ein Wärmenetz infrage.

Heizung ab 2024: Statt Wärmepumpe – was neben einer Gasheizung noch möglich ist

Speziell für das Heizen mit Pellets gibt es eine verblüffende Neuregelung im Gesetz – allen voran für Altbauten mit einer schlechten Isolierung und kleinen Heizkörpern könnten die Pellets bald eine ernste Option sein. Über das Heizen mit Biogas informieren wir in einem Faktencheck in einem separaten Artikel – auch diese klimafreundliche Alternative kann in einigen Fällen eine Option sein. Und auch das Thema Wärmepumpe sollte man im Bestand in Betracht ziehen. Zumal die Preise für Wärmepumpen in den kommenden Jahren sinken sollen.

Der Viessmann-Deal mit der Wärmepumpen-Sparte war jüngst ein deutliches Zeichen für fallende Preise. Auch der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) geht von sinkenden Preisen in den nächsten Jahren aus. "Die Produktionskapazitäten werden gerade massiv ausgebaut", heißt es von einer Sprecherin. Der Ökonom Jens Suedekum von der Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf sieht noch einen weiteren Preisfaktor. "Die Aussicht auf Marktgröße zieht neue Wettbewerber an." Das wiederum setze deutsche Anbieter unter Druck.