Hannover. Der Stammverein von Zweitligist Hannover 96 kritisiert die Deutsche Fußball Liga massiv. Hintergrund ist auch der Einstieg von Investoren.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat die Vorwürfe der Führung des Muttervereins von Hannover 96 zurückgewiesen. In einem Statement am Donnerstag hatte der Vorstand und der Aufsichtsrat des Clubs der Liga-Organisation unterstellt, sie gefährde „durch die bewusste Untätigkeit“ den Bestand der 50+1-Regel im deutschen Fußball.

50+1-Regel sorgt für Streit in Hannover

„Die DFL weist die Vorwürfe des Hannover 96 e.V. entschieden zurück“, hieß es in einer Stellungnahme der DFL am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Diese blenden insbesondere die Tatsache aus, dass der Umfang des Weisungsrechts des Hannover 96 e.V. und der ‚Kapitalseite‘ auch deshalb Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten ist, weil beide Seiten – auch der e.V. selbst – bereits 2019 einem Vertrag zugestimmt haben, der diese Frage zwischen beiden Parteien offenbar nicht interpretationsfrei regelt.“

Die 50+1-Regel begrenzt den Einfluss externer Geldgeber bei Clubs der ersten und zweiten Liga. Sie soll sicherstellen, dass Muttervereine wie der Hannover 96 e.V. selbst dann die letzte Entscheidungsgewalt behalten, wenn der Profibereich in eine Kapitalgesellschaft wie die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ausgegliedert wurde. In Hannover sind Vereins- und Kapitalseite darüber schon seit Jahren zerstritten.

Martin Kind äußert sich nicht

Auslöser des 96-Schreibens war die umstrittene Abstimmung über den Einstieg eines Investors bei der DFL, die bei einer Mitgliederversammlung im Dezember exakt die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit von 24 Ja-Stimmen erhielt. Hannovers Vereinsführung hatte Profifußball-Geschäftsführer Martin Kind angewiesen, gegen den Investoren-Einstieg zu stimmen. Das Abstimmungs-Ergebnis und die öffentlichen Bekenntnisse von Antragsgegnern lassen jedoch darauf schließen, dass Kind mit Ja gestimmt und dem DFL-Plan damit zur nötigen Mehrheit verholfen hat. Der 79-Jährige selbst verweist auf die geheime Abstimmung und verweigert jede Auskunft über sein Votum.

In zahlreichen deutschen Stadien demonstrieren Fußball-Fans seit Wochen gegen den geplanten Investoren-Einstieg. Das Zweitliga-Spiel von Hannover 96 gegen die SpVgg Greuther Fürth (2:1) am Freitagabend stand kurz vor dem Abbruch. Auch eine Woche zuvor war die reguläre Beendigung des 96-Spiels beim Hamburger SV (4:3) gefährdet, weil Hannovers Anhänger ein Plakat hochhielten, auf dem das Gesicht von Martin Kind in einem Fadenkreuz zu sehen war.

Trainer findet deutliche Worte für Fan-Proteste

Alexander Zorniger von der SpVgg Greuther Fürth hat die anhaltenden Fan-Proteste im deutschen Profifußball am Freitagabend so deutlich kritisiert wie noch kein aktiver Erst- oder Zweitliga-Trainer vor ihm. „Die Fan-Gruppierungen machen gerade ihr eigenes Spiel“, sagte der 56-Jährige am Freitagabend nach der 1:2-Niederlage seines Teams bei Hannover 96 in der 2. Fußball-Bundesliga. „Die führen die Schiedsrichter, die DFL, die Mannschaften, alle am Nasenring durch die Manege. Und keiner greift ein.“

„Ich finde es unsäglich, wenn immer wieder angedeutet wird, dass die Fans das Herz des Spiels sind. Die einzige Gruppe, ohne die du ein Spiel nicht durchführen kannst, sind die Fußballer selbst“, sagte Zorniger. „Die Fans sind die Seele des Spiels, ohne Zweifel. Aber sie sind nicht das Herz des Spiels. Und das Herz hat gerade akute Herzrhythmusstörungen, weil du einfach nicht mehr fokussiert bist. Das kann sich ein Nicht-Profisportler nicht vorstellen, was das für Auswirkungen hat, wenn du immer wieder ansetzt und immer wieder runterfährst. Das geht nicht. Das kann so nicht weitergehen.“

Fans von Hannover 96 halten ein Plakat mit dem Konterfeit von Harry Potter und einem Fadenkreuz hoch.
Fans von Hannover 96 halten ein Plakat mit dem Konterfeit von Harry Potter und einem Fadenkreuz hoch. © dpa | Swen Pförtner

Zorniger betonte bei der Pressekonferenz nach der Partie ausdrücklich, dass er bei Schiedsrichter Ittrich keinen Spielabbruch gefordert habe. Der frühere Trainer von RB Leipzig und dem VfB Stuttgart sagte aber auch: „Wenn ein Spiel nicht unter regulären Bedingungen gespielt werden kann: Warum muss dann ein Spiel durchgezogen werden? Dann sagt man: Schluss jetzt!“

Sein Trainerkollege Stefan Leitl von Hannover 96 gab Zorniger recht. „Das Spiel gehört den Spielern. Die Leute kommen wegen der Spieler ins Stadion. Die wollen ein Fußballspiel sehen“, sagte er. „Wir brauchen schnellstmöglich eine Lösung.“

Schiedsrichter brach Hannover-Spiel beinahe ab

Das Spiel der 2. Fußball-Bundesliga zwischen Hannover 96 und der SpVgg Greuther Fürth ist nach Aussage von Schiedsrichter Patrick Ittrich wegen Fan-Protesten „sehr nah“ am Abbruch gewesen. „Das war final“, sagte der 45-Jährige nach der Partie am Freitagabend im Interview bei Sky.

Die Kommunikation mit allen Beteiligten auf und neben dem Spielfeld sei gut gewesen. „Und trotzdem hast du immer im Hinterkopf: Was ist, wenn das jetzt passiert? Was ist, wenn das jetzt passiert? Du willst das ja nicht. Wir haben hier ein tolles Produkt, alle haben Bock darauf und wir müssen alle mitnehmen. Deswegen versuche ich das so durchzuziehen, dass wir alle das Spiel zu Ende kriegen. Aber wenn es nicht geht, dann geht‘s nicht und vielleicht muss man irgendwann diese Entscheidung treffen“, sagte Ittrich.

Ittrich forderte eine schnelle Lösung des Konflikts, auch um die Schiedsrichter aus dem Dilemma eines möglichen Spielabbruchs zu befreien. „Am Ende sind wir diejenigen, die ausführen. Die Entscheidungen müssen aber woanders getroffen werden. Man muss endlich mal einen Konsens finden. Es müssen mal alle zusammenkommen und irgendwas Vernünftiges mit allen zusammen besprechen, damit wir irgendwann mal durchgehend 90 Minuten Fußball spielen können. Es herrscht eine große Unzufriedenheit und es kann ja so nicht weitergehen“, sagte der Unparteiische.

DFL-Proteste: 96-Fans zeigen Fadenkreuz-Plakate und werfen Tennisbälle

Eine Woche nach dem Beinahe-Spielabbruch in Hamburg haben Anhänger von Hannover 96 beim Zweitliga-Heimspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth erneut ein Fadenkreuz-Plakat im Fanblock hochgehalten. Diesmal war die Aktion jedoch offenbar nicht ernst gemeint, denn auf dem Plakat war am Freitagabend das Film-Gesicht des Zauberers Harry Potter (Darsteller Daniel Radcliffe) aus den Romanen von Joanne K. Rowling zu sehen. Auf einem weiteren Banner darunter stand: „Angst, Potter?“ Beide Plakate wurden nach wenigen Minuten wieder eingerollt.

DFL-Proteste: Hannover-Fans werfen Tennisbälle auf das Spielfeld – Partie für 20 Minuten unterbrochen

Kurz darauf ist die Partie für insgesamt 20 Minuten unterbrochen worden. Auslöser waren Fans der 96er, die zu Beginn der zweiten Halbzeit mit dem Werfen von Tennisbällen auf das Spielfeld gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga protestierten.

Als beide Mannschaften das Spiel nach zehn Minuten wieder fortsetzen wollten, flogen erneut Tennisbälle und sorgten für die nächste zehnminütige Unterbrechung. Zahlreiche andere Stadionbesucher reagierten mit Pfiffen auf die Fan-Proteste. Der Stadionsprecher verkündete via Lautsprecher, dass die Partie im Falle weiterer Störungen abgebrochen werden könnte.

Helfer sammeln die Tennisbälle vom Spielfeld.
Helfer sammeln die Tennisbälle vom Spielfeld. © dpa | Swen Pförtner

Vor einer Woche stand das Nordduell zwischen dem Hamburger SV und Hannover 96 kurz vor dem Abbruch, weil Hannover-Fans Fadenkreuz-Banner mit den Gesichtern von 96-Geschäftsführer Martin Kind sowie je einem Vertreter der seinerzeit noch zwei potenziellen DFL-Investoren CVC und Blackstone gezeigt hatten. Die Partie wurde erst fortgesetzt, nachdem die Plakate entfernt waren. Blackstone hat sich inzwischen zurückgezogen.

Proteste gegen DFL-Investor: Auch Spiel in Köln unterbrochen

Auch das Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Köln und dem SV Werder Bremen ist wegen Protesten der Fans gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga kurzzeitig unterbrochen worden. Nach 55 Minuten flogen Tennisbälle auf das Spielfeld, zudem fuhren zwei ferngesteuerte Autos über den Rasen. Dazu hielten Fans ein Plakat mit der Aufschrift hoch: „Wir lassen uns nicht fernsteuern.“ Schiedsrichter Daniel Siebert konnte die Partie nach einigen Minuten fortsetzen.

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