Braunschweig. Laut einer Studie der Barmer Krankenkasse steigen die Zahlen seit Jahren. Niedersachsen liegt dabei über dem Bundesschnitt.

Sprachliche und motorische Entwicklungsstörungen bei Kindern nehmen zu. Zu diesem Ergebnis kommt die Krankenkasse Barmer in ihrem Arztreport 2023, für den sie Daten von insgesamt rund neun Millionen Versicherten in ganz Deutschland ausgewertet hat. Demnach wurde im Jahr 2021 bei rund 14,32 Prozent der Kinder in Niedersachsen eine Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache diagnostiziert. 2020 lag der Wert bei 14,2 Prozent, 2019 bei 13,88 Prozent. Störungen im motorischen Bereich wurden bei 5,77 Prozent der Kinder diagnostiziert. In beiden Fällen liegt Niedersachsen leicht über dem Bundesschnitt (13,23 Prozent und 5,02 Prozent).

Allein unter Schulkindern zwischen sechs und zwölf Jahren waren im Jahr 2021 in Niedersachsen etwa 72.000 Mädchen und Jungen von Sprachdefiziten betroffen. 2006 seien es noch 47.000 gewesen. „Die Zahl der Kinder mit Defiziten beim Sprechen liegt auf einem hohen Niveau. Störungen beim Spracherwerb gehören mit zu den häufigsten Diagnosen bei Heranwachsenden“, sagt Heike Sander, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Niedersachsen und Bremen.

Zunahme der Entwicklungsstörungen kommt auch in Kitas an

Defizite in diesem Bereich zögen oft sekundäre Folgen nach sich. Zum Beispiel, was das Lesen und Schreiben betrifft oder soziale und emotionale Komponenten. „Kinder erlernen Sprache durch Nachahmen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern viel mit ihrem Kind kommunizieren und den Medienkonsum begrenzen“, empfiehlt Sander.

Es ist wichtig, dass Eltern viel mit ihrem Kind kommunizieren und den Medienkonsum begrenzen.
Heike Sander, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Niedersachsen und Bremen.

Ursachen sieht die Göttinger Kinder- und Jugendärztin Dr. Tanja Brunnert, die auch Sprecherin des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) ist, vor allem im familiären Umfeld. In den Familien finde weniger Kommunikation statt, außerdem sorgten hohe Belastungen durch Job und Alltag für Versäumnisse. Sie rate Eltern, die sprachliche und motorische Förderung ihrer Kinder in den Alltag zu integrieren und zum Beispiel das abendliche Vorlesen zu priorisieren.

Die Zunahme der Entwicklungsstörungen bei Kindern mache sich nicht nur im Grundschulalter, sondern bereits im frühkindlichen Alter bemerkbar, sagt Ursula Tetzel, Bereichsmanagerin für Kindertagesbetreuung des Awo-Bezirksverbandes Braunschweig. Das stelle Fachkräfte vor neue Herausforderungen. Kitas seien ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung der Kinder. Aber: „Kitas können lediglich unterstützen und die Eltern darauf hinweisen, wenn Förderbedarf gesehen wird“, so Tetzel.