Braunschweig. Hebräisch lernen, monatelanger Unterricht - zu konvertieren ist kein leichter Prozess. Wie er abläuft und wie viele Menschen sich dafür entscheiden.

Zum Judentum konvertieren – geht das überhaupt? Müssen Juden und Jüdinnen nicht als solche geboren werden? Diese Fragen kommen schnell auf bei der Recherche zu diesem Thema. Im Judentum ist die Mutter die ausschlaggebende Person: Wenn sie Jüdin ist, sind auch ihre Kinder jüdisch. Ist das nicht der Fall, müssen Personen konvertieren, die Juden oder Jüdinnen werden möchten. Das ist keine schnelle Prozedur, sondern dauert mehrere Jahre. Dieser Prozess der Konversion heißt auf Hebräisch „Giur“.

„Da es im Judentum keine Missionierung gibt, sind Konversionen ein sehr persönlicher und intensiver Prozess“, teilt Nils Lange mit, Pressesprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland. Um zu konvertieren, müssen Interessierte zunächst eine Gemeinde finden, der sie als Gäste beitreten können. Anschließend müssen die Konvertierenden unter anderem die hebräische Sprache lernen und die Tora lesen.

Ist der Unterricht abgeschlossen, prüfen drei Mitglieder des Rabbinatsgerichts die Gründe der Konversion und wie viel die Interessenten gelernt haben. Wenn das bestanden ist, folgt das rituelle Bad, das den Übertritt besiegelt. Männer, die konvertieren wollen, müssen sich im Laufe des Prozesses auch beschneiden lassen. „Nach einer anerkannten Giur ist jemand ein vollwertiges Mitglied der Gemeinde“, so Lange.

Was das Reformjudentum für Ash bedeutet

Ash aus der Region Braunschweig-Wolfsburg konvertiert zum Reformjudentum, einer Strömung des Glaubens. „Im Reformjudentum werden die jüdischen Gesetze nicht mehr als verpflichtend angesehen“, erklärt die Konvertierende. Es sei dabei trotzdem nicht egal, was in der Tora stünde. Aber man dürfe den Glauben individueller ausrichten.

„Es geht eher um Fragen, wie: Was bringt mir persönlich Erfüllung oder was bringt mich näher zu Gott?“, führt Ash aus. Sie selbst könne nach der Konversion entscheiden, welche Formen ihr jüdisches Leben annehmen solle, zum Beispiel wie oft sie beten oder in die Synagoge gehen möchte. Oder auch wie streng sie ihre koschere Ernährung auslegt.

Was genau koscher ist, werde in der Tora definiert, wie es in einer Information des Jüdischen Museums Berlin heißt. Demnach sollten Menschen sorgsam mit Pflanzen und Tieren umgehen – und darauf achten, was sie essen. Als koscher gelten Tiere, die gespaltene Hufe haben und wiederkäuen, etwa Schafe oder Kühe, aber keine Schweine. Außerdem darf Milch und Fleisch nicht zusammen gegessen oder zubereitet werden. Wie lange Juden nach dem Verzehr von Fleisch warten, um ein Milchprodukt zu essen, liege an der eigenen Auslegung, erklärt Ash: „Ich persönlich warte drei Stunden.“

Die Zahl der Konvertierenden ist recht gering, denn im Judentum wird nicht aktiv nach Anhängern gesucht.
Die Zahl der Konvertierenden ist recht gering, denn im Judentum wird nicht aktiv nach Anhängern gesucht. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Zahl der Konversionen in Deutschland bleibt ungefähr gleich

Als Konvertierende gehört Ash zu einer Minderheit. Denn im Judentum gibt es keine Missionierung – es wird nicht aktiv nach neuen Mitgliedern gesucht. Die Anzahl der Konversionen zum Judentum in ganz Deutschland lag im Jahr 2022 bei 66. Insgesamt gab es im Dezember des vergangenen Jahres 90.885 Mitglieder jüdischer Gemeinden im Land. „Wir bewegen uns bei den Konversionen in den vergangenen Jahren auf einem ungefähr gleichbleibenden Niveau“, erklärt Lange. Das gilt auch für die Zahlen der Übertritte in Niedersachsen: Durchschnittlich sieben Menschen sind jedes Jahr in den vergangenen zehn Jahren zum Judentum konvertiert.

In der Region Braunschweig-Wolfsburg gibt es zwei jüdische Gemeinden: die Jüdische Gemeinde Braunschweig und die Orthodoxe Jüdische Gemeinde zu Wolfsburg. Im vergangenen Jahr hatte die Braunschweiger Gemeinde 251, die Wolfsburger Gemeinde 93 Mitglieder.