Göttingen. Deutscher Krebskongress Berlin: Professor Dr. Ghadimi von der Universitätsmedizin Göttingen zeichnet dieses Jahr als Kongresspräsident verantwortlich.

Alfred Behlau ist gelernter Tischlermeister und wohnt in Bad Lauterberg. Doch seinen Beruf, den er liebt, kann er nicht mehr ausüben. Der Grund dafür: Alfred Behlau hatte Krebs.

1995 wurde bei ihm Stirnhöhlenkrebs, eine seltene Krebsart, hervorgerufen durch Buchen- und Eichenstäube, diagnostiziert. Da war er 38 Jahre alt. „Ich stand mitten im Leben.“ Er fügt hinzu: „Die meisten Tischler, die mit Holz arbeiten, erkranken nicht. Aber mich hat’s erwischt. Doch ich habe überlebt.“

In den folgenden acht Jahren wurde er immer wieder an Gesicht und Kopf in der Medizinischen Hochschule Hannover operiert. Das sei schon heftig gewesen. Lange habe er sich entstellt gefühlt. „Entstellt ist ein negativ behaftetes Wort“, fügt Alfred Behlau hinzu. „Ich bin gesichtsversehrt.“

Nach einem längeren Prozedere und mehreren Gerichtsprozessen wurde seine Krebserkrankung als Berufserkrankung anerkannt. Medikamentös gut eingestellt sei er. „Ich habe im ganzen Unglück wirklich wahnsinnig viel Glück gehabt. Klar habe ich meine Behinderung und es wird nie mehr so sein, wie vor der Krebserkrankung. Aber es ist möglich, mit der Behinderung leben zu lernen und auch wieder glücklich zu sein.“

Markenzeichen: rotes Kopftuch

Sein Markenzeichen ist das Kopftuch, meist in rot. „Das trage ich nicht, weil ich das so schick finde. Es ist nicht, weil ich ein Spät-Hippie wäre, oder Motorradrocker – denn mit diesen Menschen verbindet man das leicht. Am Anfang habe ich es getragen, um meine Narbe zu kaschieren und unsichtbar zu machen. Denn ich wurde wirklich komisch angeguckt. Also trage ich ein Kopftuch. Das ist mittlerweile zu meinem Markenzeichen geworden. Und ich muss meine Narbe auch schützen, denn der Kopf ist bei mir ein ganz sensibler Bereich.“

Doch die eigene Krebserkrankung war nicht der einzige schwere Schicksalsschlag. Als weitaus schlimmer hat Alfred Behlau die Krebserkrankung seiner kleinen Tochter empfunden. „Sie hatte einen Gehirntumor und ist 1990 gestorben. Sie ist nur fünf Jahre alt geworden.“ Um das irgendwie zu verarbeiten, schrieb er das Buch „Der Vogel und die Krake“, erschienen im Abekra-Verlag. „Es ist oft so schwer, darüber zu reden, wenn es um Tod, Trauer und Verzweiflung geht. Da gibt es viele Tabus, denn es gab Menschen, die wussten einfach nicht, wie sie damit umgehen sollten, dass eine junge Familie ihr Kind verliert. Und manche haben die Straßenseite gewechselt.“ Das seien heftige Erfahrungen gewesen.

Liedtext

Der Songtext zu Alfred Behlau – „Schau in den Spiegel“:

Du bist so schön.
Ich kann es seh‘n,
auch wenn das Andere nicht versteh‘n. Schau in den Spiegel in dein Gesicht, sonst glaubst du mir nicht.
Ja, du bist du - das kann man seh‘n.

Du gehst in‘s Bett,
doch schläfst nicht ein.
Du schließt die Augen,
schaust in dich hinein.
Wenn du dann um dein Morgen bangst - hab‘ keine Angst.
Vieles ist rund, was eckig erscheint.
So hab‘ ich‘s gemeint.

Schau in den Spiegel in dein Gesicht, sonst glaubst du mir nicht.

Du schaust mich an und erzählst,
was dich glücklich macht,
womit du dich quälst.
Du leuchtest plötzlich wie ein Stern. Das seh‘ ich so gern.
Und ich fang‘ an dich zu versteh‘n.
Das finde ich schön.

Schönheit ist Glück
und glücklich ist schön.
Das kann man in deinen Augen seh‘n. Kleine sind groß
und Große sind klein -
so soll es sein.
Mutig, wer lebt,
denn Leben heißt Mut.
Das finde ich gut.

Schau in den Spiegel in dein Gesicht, sonst glaubst du mir nicht.

Die Organisation „Verwaiste Eltern“ war für die Familie ein wichtiger Anlaufpunkt. „Dort haben wir uns sehr gut aufgehoben und geborgen gefühlt, denn wir konnten uns mit anderen Betroffenen austauschen. Die waren nicht unbedingt mutiger als wir. Die waren nicht feiger als wir. Aber es waren betroffene Menschen wie wir.“ Es sei ihm wichtig gewesen, das Thema in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, um Vorurteile abzubauen, und so wurde er eingeladen zu Lesungen und ins Fernsehen.

Selbsthilfegruppe Tulpe e.V.

Nach seiner eigenen Erkrankung wurde er auf die 1995 gegründete Selbsthilfegruppe für Menschen mit Gesichtsversehrung mit dem Namen „Tulpe e.V.“ aufmerksam. Der Name bedeutet: „Ob Tumor oder Unfall, ein Leben mit Perspektive und Epithese“.

Alfred Behlau spricht aus eigener Erfahrung, wenn er sagt: „Hinter jedem Schicksalsschlag kann auch eine neue Chance stecken.“ Und weil er selbst durch diese Selbsthilfegruppe viel Unterstützung am erfahren hat, sei es ihm ein besonderes Anliegen, ähnlich Betroffenen etwas zurückzugeben. Aus diesem Grund engagiert er sich bundesweit in Selbsthilfegruppen unterschiedlichster Art – und bereichert er deren Veranstaltungen mit seiner Musik. Denn es sei die Musik gewesen, die ihm als Liedermacher geholfen habe, das zu verarbeiten, was er erlebt und durchgestanden hat. Dabei sei der Humor ein wichtiger Motor.

Alfred Behlau lacht gern – und das am Liebsten mit anderen zusammen. Aber er scheut sich auch nicht, ernste Themen in seinen Liedern aufzugreifen. Hier bricht er manchmal ganz bewusst mit Tabus und singt über Themen, bei denen oft die Worte fehlen, die aber zur Lebenserfahrung vieler Menschen dazugehören. So auch in seinem Lied „Schau in den Spiegel“, in dem er dazu aufruft, trotz aller vermeintlicher Defekte die eigene Schönheit zu erkennen.

Neben der Darbietung eigener Kompositionen gehört es zu seinem Programm, dass er die Zuhörenden zum Mitsingen animiert. In seiner verbindlich-lockeren Art gelingt es ihm scheinbar mühelos, dass stur gewordene Menschen wieder singen, Traurige fröhlicher werden und Bewegungsmuffel zu tanzen beginnen. Kennzeichen seiner Konzerte: Alfred Behlau singt nicht „von oben herab“, sondern sieht sich als Mittler und Teil eines Ganzen. So ist es nicht verwunderlich, dass ihn vielfältige Organisatoren schätzen und immer wieder gerne einladen. Als Vertreter der Selbsthilfegruppe „Tulpe e.V.“ trat Alfred Behlau während des 35. Deutschen Krebskongresses in Berlin als Sänger auf, der vom 13. bis 16. November im City Cube stattfand. Es ist der größte nationale deutschsprachige Kongress, der sich mit Krebserkrankungen beschäftigt.

Dr. Michael Ghadimi, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen, zeichnet als Kongresspräsident des 35. Deutschen Krebskongresses in Berlin verantwortlich.
Dr. Michael Ghadimi, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen, zeichnet als Kongresspräsident des 35. Deutschen Krebskongresses in Berlin verantwortlich. © Peter-Paul Weiler, berlin-event-foto.de

In diesem Jahr ist Professor Dr. Michael Ghadimi, unter anderem geschäftsführendes Vorstandsmitglieder im Krebszentrum der Universitätsmedizin Göttingen, Kongresspräsident. Professor Dr. Ghadimi ist Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen und unter anderem auch ständiger Vertreter des Vorstands Krankenversorgung.

Interdisziplinarität im Fokus

Aus allen Bereichen der Krebsforschung und Krebstherapie kamen Experten in Berlin zusammen, um sich über die Zukunft und den Standard der Krebsmedizin in Deutschland auszutauschen. So stand etwa das Thema Interdisziplinarität im Fokus. „Als Chirurg in Göttingen erlebe ich jeden Tag interdisziplinäre Arbeit mit allen Partnern aus der Krebsmedizin, mit Strahlentherapeuten, Onkologen, Pathologen und Radiologen und gemeinsam therapieren wir Patienten.“

Auch gesundheitspolitische Veränderungen aufgrund des demografischen Wandels in einem unterfinanzierten Gesundheitswesen beschäftigten die Fachleute in Berlin. So wurde unter anderem gemeinsam mit Politkern auf dem Kongress über innovative Konzepte der zukünftigen Versorgung der Krebserkrankungen und der krebserkrankten Patienten diskutiert.

Im Hinblick auf die Bewältigung der Corona-Pandemie ergänzt Ghadimi: „Sie ist derzeit ohne jeden Zweifel von höchster Relevanz. Dennoch und gerade deshalb darf die Aufmerksamkeit für andere Krankheiten nicht nachlesen.“ Jedes Jahr erkranken in Deutschland eine halbe Million Menschen neu an Krebs.

Neben medizinischen Fachvorträgen fand eine große Ausstellung statt, bei der neueste onkologischen Medikamente und medizinische Hilfsmittel vorgestellt wurden.

Zu finden ist die Musik von Alfred Behlau auf allen gängigen Internetportalen wie Spotify, Amazon, Facebook und Youtube. Weitere Informationen erhalten Interessierte auf der Internetseite des Musikers unter www.alfred-b.de. Informationen über die Selbsthilfegruppe „Tulpe e.V.“ gibt es unter www.tulpe.org.