Osterode. Die Republik diskutiert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – wie betrifft das unsere Region zwischen Harz und Göttingen? Diskutieren Sie mit!

Die neue Folge „Harter Brocken“ hat im gesamten Samstagabendprogramm die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer gefunden: Fast ein Viertel des deutschen Fernsehpublikums schaute sich den Krimi um Provinzpolizist Frank Koops im Ersten an.

Darüber gerät fast die jüngste Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in Vergessenheit, nachdem erst die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wegen diverser Verfehlungen ihren Hut nehmen musste und beim NDR in Schleswig-Holstein Vorwürfe laut wurden, die Berichterstattung sei politisch beeinflusst worden. Nun hat der WDR-Intendant und aktuelle ARD-Vorsitzende Tom Buhrow die Revolution ausgerufen und einen neuen Grundlagenvertrag gefordert. Was heißt das?

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Tom Buhrow glaubt, dass im Jahr 2030 ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wie heute nicht mehr gewünscht sein wird. Deshalb möchte er eine breite Diskussion über dessen künftige Gestalt anstoßen. Der ARD-Vorsitzende hat dabei das große Ganze im Blick, zum Beispiel ob weiterhin ARD und ZDF nebeneinander existieren sollen oder ob jede Drittanstalt eine eigene Infowelle braucht. Und spätestens an der Stelle wird es auch in unserer Region interessant.

Wie viele Standorte, wie viele Sender sind nötig?

Der Norddeutsche Rundfunk unterhält insgesamt elf Studios und Büros sowie eine Redaktion in Hannover allein in Niedersachsen, weitere Standorte in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Das nächste Studio in unserer Region liegt in Göttingen und ist für ganz Südniedersachsen zuständig.

Wer autoradiohörend durch den Harz fährt, landet jenseits der früheren innerdeutschen Grenze bald im Sendegebiet des MDR. Und wer häufig im Grenzgebiet unterwegs ist, der weiß: Beide Sender unterhalten eine eigene Pop-, Kultur- und eine eigene Nachrichtenwelle, insgesamt bespielt der NDR elf Radiosender, beim MDR sind es derer zehn.

Tom Buhrow meint: Müssen weiterhin beide Anstalten (von denen es in Deutschland ja noch viele mehr gibt) jeweils einen eigenen Sender für populäre und klassische Musik und einen eigenen für Nachrichten haben? Wenn Navigationssysteme Stau in Echtzeit melden, wird die lokale Verkehrsmeldung im Radio nicht mehr gebraucht.

Diese Mehrfachstrukturen stammen aus einer Zeit ohne Internetradio, als nur wenige Sender empfangen werden konnten. Heute kann man auch in Flensburg das Fernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks schauen und umgekehrt. Dabei werden Ressourcen und also neue Möglichkeiten frei: Wie wäre ein Jazz-Sender öffentlich-rechtlicher Finanzierung oder einer für Folkmusik? Allerdings kann die ARD sowas nicht alleine entscheiden, sondern die Politik. Um genau zu sein: die Bundesländer miteinander. Und die haben eigene Interessen, die sie nicht ohne Weiteres aufgeben.

Wie viel „Harter Brocken“ brauchen wir?

Umso wichtiger ist die breite gesellschaftliche Debatte über den künftigen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, an der möglichst viele Bürgerinnen und Bürger teilnehmen sollten. So können politische Akteure bewegt und ein gemeinnütziger Rundfunk geschaffen werden, dem die Menschen vertrauen, von dem sie sich gut informiert und unterhalten fühlen.

Bislang landet die Diskussion um Reformen meist schnell bei den Programminhalten: Wie viele „Rosamunde Pilcher“-Liebesgeschichten sollen noch gedreht werden, wie viele Staffeln von „Der Bergdoktor“? Gerade solche Fernsehfilme und Vorabendserien stehen weit oben auf den Streichlisten von Politikern und Journalisten, ohne das deren Erfolg dabei so recht einkalkuliert würde. Von da ist der Weg auch nicht mehr weit bis zur Frage: Wie viel „Harter Brocken“ brauchen wir eigentlich? Als Teil der Donnerstags-Krimis im Ersten kostet die Produktion einer Folge mit circa 1,8 Millionen Euro sogar mehr als ein durchschnittlicher Tatort, der für etwa 1,6 Millionen Euro gedreht wird. Die Zahlen sind von August 2019, neuere rückt „Das Erste“ nicht heraus, zumindest verweist der Sender noch auf diese Daten. Würde die Fairness nicht verlangen, dass auch der Thüringer Wald seinen eigenen Krimi bekommt? Oder müsste es reichen, wenn der Hannover-Tatort ab und an in Göttingen gastiert?

Dabei gibt es auch Alleinstellungsmerkmale im Programm wie zum Beispiel die umfängliche Berichterstattung zu Wahlen. Da zeichnet sich auch keine Alternative ab. Der private Fernsehsender „Bild TV“ hatte sich bei der Bundestagswahl 2021 bei Live-Ausschnitten der ARD bedient – unrechtmäßig, wie im September ein Gericht entschied. Dabei gehen der Sender und die zugehörige „Bild“-Zeitung mit den ÖRR gerne besonders hart ins Gericht.

Eine andere wiederkehrende Frage dreht sich um den Sport, genauer: um Fußball. Müssen ARD und ZDF mit international operierenden Medienkonzernen um Übertragungsrechte für Champions League-Spiele wettbieten und wenn ja, bis wohin?

Es lohnt der Blick auf Strukturen abseits des Programms

Abgesehen vom Programm gilt es aber auch anderes zu beachten: Die Sender sind behäbige Behörden, in deren oberen Etagen viel und in den unteren (zu) oft relativ wenig verdient wird. Seit Jahren vergrößert sich aber auch der Aufgabenbereich der Anstalten, weil sie ihr Online-Angebot neuen Entwicklungen anpassen müssen. Der ZDF-Verwaltungsrat Leonhard Dobusch zum Beispiel fordert seit längerem eine öffentlich-rechtliche Alternative zu kommerziellen sozialen Medien wie Facebook und Twitter.

Zurück ins Kleine: Die sogenannten dritten Programme wie der NDR sind gleichermaßen Konkurrenz und Ergänzung zu privatwirtschaftlichen Lokalzeitungen wie dem Harz Kurier. Gerade für all jene, die sich kein Zeitungs- oder Online-Abo leisten können, ist der gemeinsam finanzierte Rundfunk eine wichtige Informationsquelle. Ihr Funktionieren ist im Sinne der Gesellschaft. Deshalb: