Herzberg. Einmal mehr ist die Rhumequelle Gegenstand von Streit. Worum geht es dabei eigentlich?

Es ist ein neuer, alter Streit: Was soll mit der Rhumequelle passieren? Die Mehrheitsgruppe aus Grünen und SPD hat das Thema in der vergangenen Sitzung des Göttinger Kreistags wieder auf das politische Tableau gebracht, nachdem Mitte Juni der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) die Quelle besucht und sich für einen Erhalt in öffentlicher Hand ausgesprochen hatte. Die CDU wittert ein Wahlkampfmanöver. Doch der Reihe nach.

Die Rhumequelle gehörte früher zur Harzer Papierfabrik. Die wurde nach ihrer Insolvenz im Juni 2003 stillgelegt. Später wurde das Gelände von der River View Property GmbH gekauft, deren irischer Geschäftsführer Mark Turley international operiert und heute vermutlich von Malta aus agiert. Das Unternehmen hat seit 2011 seinen Sitz in Göttingen. Unter der Telefonnummer des Unternehmens meldet sich jemand ohne Namen und gibt bloß die knappe Auskunft: „Das wurde verkauft. Allerdings noch nicht final, weil die da Theater machen. Für Fragen bitte an den Käufer Tobias Borchard aus Gieboldehausen wenden.“

Welches Theater?

„Die“ meint in diesem Fall wohl: Die Gemeinde Rhumspringe, die Stadt Herzberg, die Göttinger Verwaltung, vielleicht auch Umweltminister Olaf Lies. Und „Theater“ meint: Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltung haben von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Das ist möglich, weil die Rhumequelle in einem Naturschutzgebiet liegt. Bundes- und Landesnaturschutzgesetze erlauben Behörden für solche Fälle, in einen bereits wirksamen Kaufvertrag anstelle des Käufers einzutreten.

Der ursprüngliche Käufer Tobias Borchard ist nicht gut auf das Thema zu sprechen und möchte sich nicht dazu äußern. Schon im Januar 2021 hat er Widerspruch gegen den Vorkauf der Verwaltung eingelegt. Der Widerspruch wurde im Februar 2022 abgelehnt, woraufhin Borchard am Göttinger Verwaltungsgericht Klage eingereicht hat. Aktuell wird eine Mediation angestrebt, also ein freiwilliges Verfahren zur Streitschlichtung, bei dem ein Richter unterstützt. Die Verwaltungen haben diesem Verfahren bereits zugestimmt, die Klägerseite allerdings noch nicht, sagt ein Sprecher des Göttinger Gerichts auf Nachfrage unserer Zeitung. Eine solche Mediation würde wohl vier bis fünf Monate in Anspruch nehmen. Ähnlich lange müssten die Streitparteien auf einen Gerichtstermin warten, sollte es kein Mediationsverfahren geben, so der Sprecher weiter. Heißt: Mit einer Entscheidung sei erst im kommenden Jahr zu rechnen.

Welche Rolle spielt der Kreistag?

Wieso aber wird das Thema jetzt diskutiert, wenn das Verfahren doch schwebt? Hier kommt der Kreistag ins Spiel. Ende Juni hat die Mehrheitsgruppe aus Grünen und SPD eine Resolution zu dem Thema eingebracht. „Die Rhumequelle muss in öffentliches Eigentum übergehen“, heißt es da. Und der Kreistag möge die „aktuellen Bemühungen von Landrat und Verwaltung“ unterstützen, die Rhumequelle für Naturschutz und Trinkwasserversorgung in öffentliches Eigentum zu übernehmen. „Geht der Quelltopf mit umliegenden Biotopen und Wegen an eine Privatperson, ist eine nachhaltige sowie besucher- und besucherinnenorientierte Nutzung nicht mehr möglich“, erläutert die Mehrheitsgruppe in einer Mitteilung ihre Resolution.

Weshalb eine nachhaltige Nutzung nach dem Kauf durch eine Privatperson nicht mehr möglich sein soll, wird nicht ganz klar – auch, weil die betreffende Privatperson sich nicht äußert. Aber: „Die Gemeinde Rhumspringe hat Projekte zur Erschließung der Quelle schon in ihrem Haushalt vorgesehen“, erläutert Bärbel Diebel-Geries, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion in Göttingen. Kollidieren also Erschließungsinteressen der Gemeinde Rhumspringe mit denen des privaten Käufers? Die Motive sind unklar.

Eigentlich halb so wild?

Georg Moneke, Gemeindedirektor von Rhumspringe, grenzt das Problem erstmal ein: Bei einem Architekturwettbewerb um fünf besondere Orte in Niedersachsen hat auch ein Konzept für die Rhumequelle gewonnen – um dieses umzusetzen, müsste das Gelände der öffentlichen Hand gehören. Im Prinzip seien sich die Verwaltungen und Käufer Borchard bei fast allen betroffenen Arealen einig. „Es geht im Grunde um ein einzelnes Grundstück“, so Moneke. Und zwar um das vor der Osmose-Umkehr-Anstalt.

Von der Zukunft dieses Grundstücks ist möglicherweise die Trinkwasserentnahme durch die Eichsfelder Energie- und Wasserversorgung Duderstadt betroffen und somit die Versorgung der Menschen der Region. Das lässt sich gerade allerdings nicht bewerten, die EEW kann sich zum laufenden Verfahren nicht äußern. So weit, so nachvollziehbar. Bei der Gemeinde Rhumspringe klingt das Problem jedenfalls deutlich schlanker als in der Resolution von Grünen und SPD.

Scharfe Schwerter

Und damit zur CDU: Deren Kreistagsfraktionsvorsitzender Andreas Körner hält ebendiese Resolution für ein Wahlkampfmanöver. Deshalb hat seine Fraktion in der Kreistagssitzung am 12. Juli auch dagegen gestimmt. „Nicht, weil wir nicht dafür sind. Wir kritisieren aber den Zeitpunkt“, so Körner. Es gebe das laufende Verfahren, in das sich schon aus Gründen der Gewaltenteilung solche Einmischung verbiete, sagt der Jurist auf Nachfrage unserer Zeitung.

Damit zückt er ein nicht minder scharfes Schwert. Die Forderung der Mehrheitsgruppe und ihr Weg an die Öffentlichkeit mögen durchaus ihren Einfluss haben; die Stimmung zumindest bei der gegnerischen Streitpartei hat die Resolution nicht verbessert. Das Gericht bleibt aber durchaus frei in seiner Entscheidung, sofern es nicht ohnehin zu einer außergerichtlichen Schlichtung kommt.

In einer Zeit, in der das Land aber auf echte Versorgungsengpässe zusteuert, sollte keine Verwirrung im Kontext von Schlagworten wie „Trinkwasserversorgung“ erzeugt werden. Was von alldem bleibt: Ein wahrscheinlich relativ banaler Verwaltungsakt zu einem ungünstigen Zeitpunkt – in nicht einmal drei Monaten wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Was aus der Rhumequelle wird, erfahren wir dann 2023.