Clausthal-Zellerfeld. Ralf Meister war am Buß- und Bettag im Oberharz. Es ging um religiöse Ausgrenzung und Rassismus. Firouz Vladi hielt Vortrag zu Todesmärschen im Harz.

Am Buß- und Bettag war Landesbischof Ralf Meister beim Gottesdienst zum Thema „Keine Chance für Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung“ in St. Salvatoris in Zellerfeld zu Gast. Die Pastoren Jonathan Stoll und André Dittmann sowie Diakonin Annka Schirmer hatten auch den Geologen und Historiker Firouz Vladi eingeladen, der über die Todesmärsche im Harz sprach.

Der Gottesdienst begann mit einer Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus, die damit endete, dass Gefangene aus den Konzentrationslagern auf lange Märsche geschickt wurden – vermutlich, um die Zeitzeugen aus dem Zugriff der Alliierten zu bringen –, die sich durch ihre Grausamkeit auszeichneten. Völlig entkräftet wurden viele von ihren Bewachern erschossen, die anderen wurden wie Vieh auch durch Clausthal-Zellerfeld getrieben.

Während einige Bewohner Kübel mit Wasser an die Straße stellten, die aber von den Nazis schlicht umgetreten wurden, beschimpften andere die Häftlinge als Verbrecher und verachteten sie aufgrund der herrschenden Propaganda, deren Saat aufgegangen war. Es war ein eindrucksvoller und teils nur schwer erträglicher Blick in die Geschichte, den Vladi lieferte, doch einer, der nicht in Vergessenheit geraten darf, wie er betonte. „Die Identität innerhalb eine Gruppe darf nicht dazu führen, dass ich mich zu Dingen hinreißen lasse, die ich vor meinem Schöpfer nicht verantworten kann“, schloss er.

Firouz Vladi hielt einen Vortrag zu den Todesmärschen im Harz.
Firouz Vladi hielt einen Vortrag zu den Todesmärschen im Harz. © Kirchenkreis Harzer Land | Christian Dolle

Mit „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg griff Musiker Martin Hampe das Thema und die Stimmung bewegend auf, ebenso Jonathan Stoll mit der Lesung aus Matthäus 25, wo es heißt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Ralf Meister zeigte sich berührt von dem, was er bis hierhin schon gehört hatte und berichtete dann von einem Bekannten, der das Dritte Reich überlebt hatte, weil er sich mit seiner Tante in Budapest versteckt hielt, während seine Mutter in ein KZ verschleppt wurde. Zeit seines Lebens suchte er nach Spuren von ihr und bekam erst vor ein paar Jahren dann einen Brief, aus dem hervorging, dass sie 1945 tot aus einem Zug ins KZ geborgen worden war, es aber in Augsburg ein Grab gebe. So reiste er dorthin, froh, doch noch Abschied nehmen zu können.

André Dittmann, Jonathan Stoll, Annka Schirmer, Firouz Vladi und Ralf Meister (v.l.) vor der Stele.
André Dittmann, Jonathan Stoll, Annka Schirmer, Firouz Vladi und Ralf Meister (v.l.) vor der Stele. © Kirchenkreis Harzer Land | Christian Dolle

Er ist froh, dass wir uns im Nachhinein noch mit dem Leid vieler Menschen auseinandergesetzt haben, sagte der Landesbischof und meinte damit auch die Stele vor der Kirche, die auf die Todesmärsche hinweist. Auch wenn viele nicht mehr leben und wir heute nichts dafür können, was in jener Zeit geschehen ist, so sei die Erinnerung doch wichtig. Religiöse Ausgrenzung gibt es bis heute, Antisemitismus ist auf den Straßen Berlins oder in Sozialen Medien wieder präsent wie selten zuvor, ebenso Vorbehalte gegen Muslime.

„Wir sind in der Gefahr, gefährlich abzustumpfen“, fuhr Meister fort, was auch mit unzähligen Schreckensnachrichten aus aller Welt zu tun habe, die wir verarbeiten müssen. Doch das dürfe nicht passieren, wir dürften nicht zulassen, dass uns all das nicht mehr berührt, müssen aktiv dagegenarbeiten. Frieden entstehe im Kleinen, ist eine Aktion; er bedauerte, dass es dafür in unserer Sprache kein Verb gibt. „Suche den Frieden und jage ihm nach“, zitierte Landesbischof Ralf Meister zum Abschluss den Psalm 34.

Im Anschluss gab es eine Mitmachphase, André Dittmann forderte die Gottesdienstbesucher auf, sich Gedanken zu drei Fragen zu machen: Warum kann es anstrengend sein, dass die andere/der andere anders ist als ich? Warum kann es hilfreich bzw. spannend sein, dass die andere/der andere anders ist als ich? Was kann helfen, dem anderen mit Respekt zu begegnen? Einige Gedanken wurden auf Karten festgehalten, hoffentlich auch als mahnende Botschaft dieses Gottesdienstes.