Hannover. Minister Björn Thümler verlieh in Hannover den Wissenschaftspreis 2021. Unter den Preisträgern sind auch zwei Göttinger.

Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler hat am Mittwoch im Schauspielhaus Hannover elf Persönlichkeiten mit dem Wissenschaftspreis Niedersachsen 2021 ausgezeichnet für ihre hervorragenden Leistungen in Forschung, Transfer und Lehre sowie dafür, dass sie sich in herausragender Weise um die Hochschulentwicklung in Niedersachsen verdient gemacht haben. Der Preis ist mit insgesamt 109.000 Euro dotiert.

Alle Preisträgerinnen und Preisträger sind an einer niedersächsischen Hochschule tätig – unter ihnen auch die Göttinger Christoph Rußmann und Viola Priesemann.

Christoph Rußmann von der HAWK in Kategorie I ausgezeichnet

Als Wissenschaftler an einer Fachhochschule wird Professor Dr. rer. nat. Christoph Rußmann ausgezeichnet. Dieser Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Rußmann ist seit 2016 Professor für Photonik und Medizintechnik an der HAWK, der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst.

Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der medizinischen Bildgebung, Lasermedizin und in der Anwendung von Mobile Health sowie KI- und Big-Data-basierten Ansätzen in der Medizintechnik und im Gesundheitswesen, berichtet das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Übergeordnetes Ziel seiner Forschung ist die Überwindung regulatorischer Innovationshürden, um den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in dringend benötigte Medizinprodukte, zum Beispiel zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, zu ermöglichen. Hierbei war er in der Vergangenheit sehr erfolgreich, wie eine ganze Reihe patentierter erfolgreicher und ausgezeichneter Medizinprodukte, an deren Entwicklung er federführend mitgewirkt hat, zeigen. Er bindet klinische Anwendung und Firmen frühzeitig in seine Forschungsprojekte ein.

Christoph Rußmann widmet sich unter anderem der erfolgreichen Entwicklung und Zulassung von Medizinprodukten.
Christoph Rußmann widmet sich unter anderem der erfolgreichen Entwicklung und Zulassung von Medizinprodukten. © HAWK-Pressestelle

Als Studiendekan und heutiger Dekan Gesundheit der HAWK ist Rußmann federführend am Aufbau der Organisations- und Infrastruktur des Gesundheitscampus Göttingen beteiligt und vernetzt aktiv die verschiedenen Akteure am Standort Göttingen.

Translation in Medizinprodukte

Im internationalen Kontext erarbeitet er in firmenübergreifenden Netzwerken Grundlagen zur Translation von revolutionären Technologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologien in Medizinprodukte.

Auch im Bereich Studium und Lehre ist er mit innovativen Formen der Wissens- und Kompetenzvermittlung sehr erfolgreich. Alleinstellungsmerkmal der von ihm konzipierten Studiengänge ist eine berufsgruppenübergreifende akademische Sozialisation, die auf die interprofessionelle Zusammenarbeit im Beruf vorbereitet. Dabei werden den Studierenden die modernen Werkzeuge zur Produktentwicklung und des dazugehörigen gesetzlichen Rahmens durch innovative Konzepte (Fallstudien, interprofessionelle Projektarbeiten etc.) sowie die Einbindung relevanter Akteure der Medizintechnikindustrie vermittelt.

Viola Priesemann von der Uni Göttingen erhält Preis in Kategorie II

Den Preis als Wissenschaftlerin in einer frühen Karrierephase, dotiert mit 20.000 Euro, erhält Dr. phil. nat. Viola Priesemann. Sie leitet seit 2017 die Forschungsgruppe „Theorie Neuronaler Systeme“ am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und am Institut für Dynamik komplexer Systeme der Universität Göttingen.

Sie erforscht auf theoretischer Ebene Ausbreitungsdynamiken in komplexen Systemen sowie die Selbstorganisation und Emergenz der Informationsverarbeitung in lebenden und künstlichen neuronalen Netzen. Sie ist Mitglied des Göttinger Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) und des Göttingen Campus-Instituts für Data Science sowie des Elisabeth-Schiemann-Kollegs der Max-Planck-Gesellschaft.

Belegt durch eine Vielzahl an Publikationen sowie Kooperationen mit Forschungsgruppen im In- und Ausland hat Priesemann sich bereits in einer frühen Phase ihrer Karriere in ihrem Forschungsgebiet einen Namen gemacht und sich zu einer herausragenden Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Entwicklung physikalisch-mathematischer Modelle zur Erforschung von Selbstorganisation und Informationsverarbeitung in komplexen Systemen entwickelt. Zu den wichtigsten Ergebnissen ihrer Forschung gehört eine Lernregel dafür, wie sich Neuronen zu stabilen und effektiven Netzen verschalten, um Informationen zu verarbeiten, und wie sie dafür individuell ihre Verbindungsstärke anpassen.

Erforschung des Coronavirus

Seit Beginn der Corona-Pandemie widmet Priesemann sich zusätzlich der prädiktiven Erforschung der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 in Deutschland und Europa und entwickelt Strategien zu dessen Eindämmung. Sie berechnet Szenarien, wie sich die Ausbreitung des Virus unter verschiedenen Bedingungen beschleunigt oder abschwächt. So hat sie sich schnell zu einer äußerst gefragten Expertin entwickelt. Sie berät unter anderem die Bundesregierung und hat mit ihren dynamischen Modellen zur Pandemieentwicklung die Grundlage für politische Entscheidungen gelegt.

Sie nimmt in der seriösen Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft durch regelmäßige Stellungnahmen und Medienpräsenz eine wichtige Rolle ein. Auf der Grundlage ihrer Modellierung zur Virusausbreitung und richtungsweisenden Arbeiten zur Quantifizierung der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie war sie zudem maßgeblich an einer europäischen Stellungnahme beteiligt.

Zusätzlich zu ihrer Forschungstätigkeit engagiert sie sich durch zahlreiche Lehraktivitäten in ihrem Fachgebiet und die Betreuung einer Vielzahl von Studierenden, Master- und Promotionsarbeiten für die Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Das ist Mai Thi Nguyen-Kim

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    Thümler: Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit ist gemeinsame Herausforderung

    „Auch mit Blick auf das Pandemiegeschehen ist heute ein guter Anlass, um der aktuell und in den anstehenden Transformationsprozessen wachsenden Bedeutung von Wissenschaft und Forschung Geltung zu verschaffen, indem wir elf herausragende Persönlichkeiten mit dem Wissenschaftspreis Niedersachsen ehren“, sagte Minister Thümler in Hannover. Und weiter: „Die vergangenen 19 Monate haben ein unübersehbares Schlaglicht auf die Leistungsfähigkeit unseres Wissenschaftssystems geworfen. Es gilt nun, die Wissenschaftskommunikation als wichtiges Element eines Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft nachhaltig zu stärken. Dabei ist die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit eine gemeinsame Herausforderung.“

    Alle Preisträgerinnen und Preisträger wurden von den niedersächsischen Hochschulen vorgeschlagen. Die Auswahl übernahm die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen. In der Kategorie I Variante „Wissenschaftler an einer Universität“ wurde außerdem Professor Dr.-Ing. Arno Kwade von der TU Braunschweig ausgezeichnet, in der Kategorie III „Lehrpreis“ Juniorprofessor Dr. phil. Raphael Thöne von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, und in der Kategorie IV mehrere Studierende für ihre herausragenden fachlichen Leistungen oder ihr besonderes gesellschaftliches Engagement. Der Wissenschaftspreis wurde zum fünfzehnten Mal vergeben.