Göttingen. Stefan Riemke vom Technischen Hilfswerk schildert den Verlauf des Einsatzes am vergangenen Wochenende in der Kreisstadt Göttingen.

Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) unterstützten den Landkreis und die Stadt Göttingen auf allen Ebenen bei der Beseitigung der vier Weltkriegsbomben am vergangenen Wochenende (wir berichteten).

Während die Helferinnen und Helfer aus Göttingen schon seit Wochen in die Planung und die Vorbereitung der geplanten Sprengungen eingebunden waren, sind die anderen Ortsverbände am 30. Januar in den Bereitstellungsraum auf dem Gelände der Unterkunft des Ortsverbandes Göttingen in Bereitschaft gegangen, um kurzfristig eingreifen zu können, sollte es die Lage erfordern.

„Warten auf Einsatzbefehl im Bereitstellungsraum“ – so lautete der Befehl für die angerückten Einheiten. Während einige Einheiten bereits als Meldekopf, zur Beleuchtung, als Versorgung oder als Führungsstelle ihre Komponenten aufgebaut und betrieben hatten, warteten weitere Einheiten auf den Zeitpunkt der Sprengung, um anschließend im Notfall schnell eingreifen zu können. Die eigentliche Sprengung zog sich bis weit nach Mitternacht hin, und in der Nacht kam endlich die Nachricht, dass die Sprengungen erfolgreich verlaufen waren und die Einsatzkräfte sich wieder zurück in ihre Unterkünfte begeben konnten. Der vom THW eingesetzte ESS-Trupp, der das Einsatzstellen-SicherungsSystem (ESS) zur Überwachung einsturzgefährdeter Objekte oder Gebäude betreibt, konnte Entwarnung geben, da ein beobachtetes Gebäude keine Bewegung zeigte. Weitere Einsatzkräfte waren in ihren Unterkünften in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt worden und wurden nicht mehr benötigt.

Der Abbau des Equipments des THW erfolgte bis zum späten Sonntagnachmittag. Für die Einsatzkräfte aus Göttingen ergaben sich noch einige kleinere Aufträge und Aufgaben, alle anderen ehrenamtlichen Kräfte stellten die Einsatzbereitschaft wieder her und gingen in die wohlverdiente Ruhe über. Für das Technische Hilfswerk Göttingen, die Regionalstelle und die beteiligten Ortsverbände war es ein kurzes, schlafloses Wochenende. Am Ende ist jedoch alles gut verlaufen, und kein Mensch kam zu Schaden.

Aus Osterode waren die Fachgruppe Führung und Kommunikation (FGr FK) und der Zugtrupp (Ztr) als unterstützende Einheiten in Bereitstellung vor Ort. Die Bergungsgruppe und die Fachgruppe Schwere Bergung befanden sich in Rufbereitschaft in Osterode. Der Ortsverband war während des gesamten Einsatzes besetzt (LuK-Dienst – Lage und Koordination). Insgesamt waren an der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung 44 Helfer aus Osterode beteiligt.

Eingesetzte Kräfte vor Ort: 112 (davon 17 aus Osterode) und 3 Kameraden für LuK – eingesetzte Fahrzeuge und Ortsverbände: nahezu die gesamte Regionalstelle Göttingen.

Der Ortsverband Osterode am Harz

Der Ortsverband besteht seit 1958 in Osterode am Harz. Im Jahr 2019 sind im Ortsverband mehr als 90 Helferinnen und Helfer, Jugend- und Minigruppenmitglieder aktiv. Derzeit besteht der Ortsverband neben der Stab aus einem Technischen Zug (bestehend aus Bergungsgruppe, Fachgruppe Schwere Bergung und Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung), der Fachgruppe Führung und Kommunikation, und in Zweitfunktion nimmt der Ortsverband im System Bereitstellungsraum 500 (BR 500) einige Positionen ein und verfügt über etliche Sonderausstattung für das System BR 500, die im Bedarfsfall in den Einsatzraum verlegt wird.

Die Regionalstelle

Die Regionalstelle ist die Servicestelle für die Ortsverbände und betreut die Ortsverbände des Bereiches. Sie koordiniert und verwaltet die Ressourcen in Absprache mit den Ortsbeauftragten und sorgt für die Sicherstellung der Aufgabenerledigung und Einsatzfähigkeit der ihr zugeordneten Ortsverbände. Zudem ist sie Ansprechpartner für alle Behörden und Stellen oberhalb der kommunalen Ebene.

In den Regionalstellen werden in Ebenen gerecht die Aufgaben Einsatz, Einsatzunterstützung sowie Ehrenamt und Ausbildung wahrgenommen. Außerdem betreuen die Regionalstellen Bundesfreiwilligendienstleistende in ihrem Einzugsbereich.

Das Technische Hilfswerk

Das Technische Hilfswerk ist die operative Bevölkerungsschutzorganisation des Bundes. Sie leistet technisch-logistische Hilfe im Inland wie im Ausland. Rund 80.000 Menschen, darunter Techniker, Ingenieure, aber auch Spezialisten aus vielen weiteren Fachrichtungen, engagieren sich ehrenamtlich in 667 THW-Ortsverbänden. Sie sind kompetente Partner der Feuerwehren, der Polizei sowie der Hilfsorganisationen bei der Abwehr von Gefahren und der Beseitigung der Folgen von Unfällen und Katastrophen. Unterstützt wird dieses ehrenamtliche Engagement durch rund 1.000 hauptamtlich Beschäftigte in den 66 Regionalstellen, den acht Dienststellen der Landesverbände, der THW-Bundesschule sowie der THW-Leitung in Bonn.

Das THW ist bundesweit einheitlich organisiert und ein verlässlicher Partner. Auf allen örtlichen Ebenen stehen Ansprechpartner zur Verfügung. Wer das Technische Hilfswerk anfordern will oder muss, braucht nur mit dem nächstgelegenen THW-Ortsverband oder der THW-Regionalstelle Kontakt aufzunehmen. Diese eröffnen den Zugang zum „technischen Baukasten“ des THW, der für eine Reihe von Schadenslagen die passenden Spezialeinheiten mit fachkundigen Einsatzkräften aus dem gesamten, bundesweiten Einsatzpotenzial bereithält.

Einsatzstellen-Sicherungssystem

Mit dem Einsatzstellen-Sicherungssystem (ESS) werden Einsatzstellen überwacht und die Rettungskräfte frühzeitig vor weiteren Gefahren gewarnt.

Einsatz des Einsatzstellen-Sicherungssystem nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs.
Einsatz des Einsatzstellen-Sicherungssystem nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs. © Michael Kretz | THW

Beim Einsturz einer Eissporthalle im Januar 2006 in Bad Reichenhall kam erstmals das ESS zum Einsatz. Schneemassen brachten das Dach des Gebäudes zum Einsturz, wodurch mehrere Menschen verschüttet wurden. Weitere einsturzgefährdete Gebäudeteile erschwerten die Rettungsarbeiten. Nach vielen kleineren und größeren Einsätzen spielte das ESS nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 ebenfalls eine große Rolle. Einige Bereiche des Archivs waren nur teilweise eingestürzt, so dass es jederzeit zu weiteren Einstürzen kommen konnte. In bisher allen Fällen konnten die Einsatzkräfte durch den Einsatz des ESS gezielt eingesetzt und geschützt werden.

Das Einsatzstellen-Sicherungssystem ist in vielen Gefahrensituationen einsetzbar und sehr hilfreich. Nicht nur bei der Überwachung von einsturzgefährdeten Gebäuden und Trümmerstrukturen, sondern auch bei Deichen, Hanglagen und in Hochwassersituationen.

Im Wesentlichen besteht das ESS aus Tachymeter, Stativ und einem Rechnersystem mit Datenübertragung über Funk oder Kabel. Das ESS erkennt frühzeitig kleinste Veränderungen durch Messung der Bewegungen. Diese sind häufig so minimal, dass das bloße Auge sie gar nicht wahrnehmen kann.

Wenn Gebäudeteile einzustürzen drohen, werden die statischen Schwachstellen farblich gekennzeichnet und nummeriert. Die markierten Schwachstellen dienen über Spiegelprismen dem ESS als Messpunkte. Die einzelnen Messpunkte werden in den Computer eingegeben und gespeichert. So kann das ESS mithilfe eines Lasers die gefährdeten Bereiche permanent und automatisch überwachen. Das Einsatzstellen-Sicherungssystem misst dreidimensional und millimetergenau. Veränderungen beispielsweise in einer Wandstruktur erkennt es sofort. Sobald die Daten abweichen und außerhalb eines vorgegebenen Toleranzbereiches liegen, ertönt ein Alarmsignal. Dieses warnt die Rettungskräfte, so dass sie die Einsatzstelle verlassen können, um nicht selber verletzt oder verschüttet zu werden.

Ein weiteres Einsatzgebiet für das ESS ist die Erkundung von hochwassergefährdeten Bereichen. Schnell können Straßenzüge oder auch ganze Ortschaften auf ihr Höhenprofil untersucht werden. So erkennen die Einsatzkräfte, wo das Hochwasser zuerst ankommen wird, und können ihre Arbeiten entsprechend planen.