Göttingen. Vor 50 Jahren: Experten untersuchen bei Sartorius in Göttingen Mondstaub von der Apollo-11-Mission. Dafür gibt es einen bestimmten Grund.

Vor 50 Jahren, im September 1969, erhalten deutsche Wissenschaftler Proben eines äußerst raren Materials. Das Material ist sehr kostbar, nur knapp 22 Kilogramm gibt es davon auf der Erde. Für die Forscher, die damit arbeiten dürfen, ist es völliges Neuland – und zwar im Sinne des Wortes: Das Probenmaterial befindet sich erst seit wenigen Wochen auf unserem Planeten. Im Juli 1969 haben Neil Armstrong und Edwin Aldrin bei ihrer Mondlandung Gesteins- und Staubproben vom Erdtrabanten eingesammelt. Ein Teil dieser Mitbringsel landet bei der Firma Sartorius in Göttingen. Der Grund: Das Unternehmen hat ein Wägesystem entwickelt, das spezifische Messungen mit höchster Präzision ermöglicht.

Die US-Weltraumbehörde Nasa überließ damals nur weltweit führenden Instituten Proben von der ersten Mondlandung. Die in das Programm eingebundenen Wissenschaftler untersuchten das Material mit unterschiedlichsten Methoden, um unter anderem neue Erkenntnisse über die mineralische Zusammensetzung und Geomorphologie der Mondoberfläche zu gewinnen. „Leider gibt es bei uns kein Protokoll darüber“, sagt Marcel Stierand, Unternehmensarchivar bei Sartorius. Die einzige Aufzeichnung, die man bislang dazu gefunden habe, sei eine Notiz im Jahresband 1969 des Chefsekretariats.

Aus der Notiz geht hervor, dass in Göttingen einige Partikel Mondstaub untersucht wurden. Die Probe wog gerade mal 20,2 Milligramm (ein Milligramm ist ein tausendstel Gramm). Sie stammte leihweise aus dem Institut für Kernchemie in Köln. Das Kölner Institut war eine der Forschungseinrichtungen, die Mondproben erhalten hatten.

„Die Sartorius Vertretung im Rheinland hatte offensichtlich gute Kontakte zu dem Kölner Institut“, erzählt Stierand. Denn über diese „Schiene“ kam es zu dem Partikel-Transfer nach Göttingen. Sartorius war in Forscherkreisen als international führender Wägetechnik-Hersteller bekannt, viele wissenschaftliche Einrichtungen waren mit Laborwaagen von Sartorius ausgestattet. Die Untersuchungen wurden im anwendungstechnischen Labor mit dem Wägesystem Gravimat vorgenommen. Das damalige „High-Tech-Produkt“ ermöglichte Messungen von einer solch hohen Genauigkeit, wie sie nur in Göttingen erreichbar war. Ziel war es, die absolute Oberfläche des Mondstaubs zu bestimmen. Und was ist damals dabei herausgekommen? Die Notiz in dem Jahresband gibt darüber nur wenig Aufschluss: „Die sorgsam gehüteten kleinen Proben ergaben leider keine besondere Überraschung“, heißt es dort lapidar. „Da wir bislang keine weiteren Unterlagen zu dem Projekt gefunden haben, kennen wir das exakte Ergebnis nicht“, so Stierand.

So sah der „Mondbrief“ aus, den Sartorius 1969 als Weihnachtspost an Kunden verschickte.
So sah der „Mondbrief“ aus, den Sartorius 1969 als Weihnachtspost an Kunden verschickte. © Sartorius | Marcel Stierand

Möglicherweise könnte die Lücke aber irgendwann geschlossen werden: Über die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte ist der Archivar seit drei Jahren mit der Mammutaufgabe befasst, die in unzähligen Kisten verwahrten Dokumente aus der knapp 150-jährigen Unternehmensgeschichte von Sartorius zu sichten und ein systematisches Firmenarchiv aufzubauen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass beim Durchforsten der Bestände auch Details über die damalige Mondstaub-Untersuchung ans Licht kommen.

Da die Mondlandung „das“ Ereignis des Jahres 1969 gewesen war, nutzte Sartorius die Gelegenheit zu einer besonderen Marketingaktion: „Besonders wichtige Kunden erhielten zu Weihnachten einen Mondbrief“, erzählt Stierand. Darin wurde auch erläutert, was es mit diesem Brief auf sich hat. Demnach hatten Neil Armstrong und Edwin Aldrin an Bord von Apollo 11 einen Brief abgestempelt, der mit einem Probedruck der Mondbriefmarke „frankiert“ war. „Von dem Druckstock, der in der Mondlandefähre auf dem Mond war, wurden nach Ablauf der Quarantäne die Druckplatten für die Marke hergestellt, die auf diesem Ersttagsbrief klebt und am Ausgabetag mit einem Ersttagsstempel abgestempelt wurde, der auch den Mondlandestempel enthält“, hieß es in dem Begleitschreiben. Während der eigentliche Mondbrief im amerikanischen Postmuseum bleibe, „halten Sie jetzt ein indirektes Mitbringsel vom Mond in Ihren Händen von einem einmaligen historischen Wert.“ Der „Mondbrief“ kam ausgesprochen gut an, erzählt Stierand. Sartorius habe Dankesbriefe von begeisterten Kunden erhalten.

Nicht nur bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der ersten Mondlandung war Technologie von Sartorius im Einsatz. Auch die Internationale Raumstation ISS hat ein Analyseinstrument von Sartorius an Bord: Die NASA setzt dort für Forschungsprojekte den Luftkeimsammler „Airport MD8“ ein. Das Gerät sammelt und analysiert Keime und Allergene, mit denen die ISS-Crew in Kontakt kommt. Die mikrobiologischen Untersuchungen sollen Aufschluss über potenzielle gesundheitliche Risiken geben, die der Aufenthalt im All mit sich bringen könnte.