Göttingen. Sicherheitsbehörden sind am Dienstag erneut gegen die islamistische Szene in Göttingen vorgegangen. Die Aktion richtete sich gegen einen 47-Jährigen.

Niedersächsische Sicherheitsbehörden sind am Dienstag erneut gegen die islamistische Szene in Göttingen vorgegangen. Polizeibeamte durchsuchten zwei Wohnungen sowie einen Geschäftsbetrieb in der Göttinger Innenstadt. Wie aus Ermittlerkreisen bekannt wurde, richtete sich die Aktion gegen einen 47-jährigen Mann aus Göttingen, der sich bereits seit längerem im Visier der Staatsschützer befindet.

Gegen ihn werde wegen des Verdachts des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland ermittelt, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle, Bernd Kolkmeier. Der 47-Jährige soll in privaten Gesprächskreisen für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geworben und versucht haben, andere Menschen für islamistische Ideen zu begeistern.

Die Ermittler erhoffen sich von den sichergestellten Unterlagen und Kommunikationsmitteln Aufschluss über den Personenkreis, der an diesen Unterrichts- und Gesprächsrunden beteiligt ist. Waffen seien bei der Durchsuchung nicht gefunden worden, sagte Kolkmeier.

Der türkischstämmige 47-Jährige war schon einmal in anderem Zusammenhang von einer Durchsuchung betroffen. Im Februar 2017 hatte die Polizei zwölf Wohnungen und Geschäftsräume in Göttingen und Kassel durchsucht. Dazu gehörte nach Angaben aus Ermittlerkreisen auch die damalige Arbeitsstätte des 47-Jährigen. Die Beamten hatten damals bei der Großrazzia zwei salafistische Gefährder festgenommen, die später abgeschoben wurden.

Der 27-jährige Algerier und der 23-jährige Nigerianer waren den Ermittlungen der Polizei zufolge seit längerem in der radikal-islamistischen Szene verankert und hatten Anschläge in Deutschland geplant. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte die Abschiebung der beiden in Deutschland aufgewachsenen Männer für rechtmäßig befunden.

Bei der Aktion am Dienstag wurde neben zwei Wohnungen auch der Betrieb durchsucht, in dem der 47-jährige Beschuldigte aktuell tätig sein soll. Dessen Inhaber ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. An diesem Montag sollte sich der 44-jährige Betriebsinhaber vor dem Amtsgericht Göttingen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, bei einer Kontrollaktion des Hauptzollamtes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit eine Zollbeamtin angegriffen haben. Da der 44-Jährige der Verhandlung fernblieb, erließ das Gericht gegen ihn einen Strafbefehl von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro (insgesamt 6000 Euro).

Der Göttinger Polizeipräsident Uwe Lührig hatte sich kürzlich vor Medienvertretern für die geplante Änderung des Polizeigesetzes stark gemacht. Die Polizei brauche neue Überwachungsinstrumente wie die Online-Durchsuchung, um gegen islamistische Gefährder ermitteln und Anschläge verhindern zu können. Derzeit sei im Raum Göttingen eine Personenzahl im mittleren zweistelligen Bereich der salafistischen Szene zuzurechnen, sagte der Sprecher der Polizeidirektion Göttingen, Michael Müller. Die Zahl der Personen, die als Gefährder eingestuft seien, liege im „hohen einstelligen Bereich“. Die Hälfte von ihnen befinde sich nach den Erkenntnissen der Polizei gegenwärtig im Ausland.

Die Göttinger islamistische Szene rekrutiert sich nach Erkenntnissen der Staatsschützer insbesondere aus der Anhängerschaft der seit 2001 verbotenen islamistischen Organisation „Kalifatstaat“. Mindestens zwei Göttinger Anhänger dieser Gruppierung sind 2015 in Einflussgebiete des IS ausgereist, darunter ein 28-Jähriger, der sich nach seiner Ausreise vor drei Jahren gemeinsam mit drei weiteren Selbstmordattentätern im Irak mit einer Autobombe in die Luft sprengte.

Die Stadt Göttingen hatte 2015 einem heute 22-jährigen mutmaßlichen Islamisten, der auch mit dem inzwischen abgeschobenen Nigerianer in Verbindung gestanden haben soll, den deutschen Pass entzogen. Inzwischen wurde diese Maßnahme bis Ende 2018 verlängert. Auch in einem weiteren Fall sei ein Pass entzogen worden, teilte eine Verwaltungssprecherin auf Anfrage mit.