Berlin. Mit Elterngeld Plus konnten wir unseren Sohn betreuen und gleichzeitig arbeiten. Das Problem: Zeit zu dritt gab es überhaupt nicht.

Der Elterngeldantrag ist ein Monstrum. Sechs Seiten Behördendeutsch zum Ausfüllen, dazu kommen beglaubigte Dokumente, Gehaltsbescheinigungen, Erklärungen, Ausweiskopien. Für mich war der Antrag kein Antrag – sondern eine Kriegserklärung. Kein Wunder, dass es in Hebammenhäusern nicht nur Kurse zur Geburtsvorbereitung gibt. Sondern auch welche, die einen durch den Elterngelddschungel lotsen. Elterngeld Basis, Elterngeld Plus und dazu noch die Partnerschaftsbonusmonate? Oder alles zusammen? Und wie lange? Und wie viel Geld haben wir am Ende überhaupt? Ich wurde wahnsinnig. Eine Bekannte von mir bekam beim Ausfüllen des Antrags sogar Wehen. Ein Zufall ist das nicht.

Dabei war für uns von Anfang an klar, wie wir es machen wollen: gleichberechtigt. Jeder ist einige Monate komplett zu Hause. Jeder arbeitet zudem einige Monate in Teilzeit, sodass sich immer einer ums Kind kümmern kann und man gleichzeitig den Anschluss im Beruf nicht verliert. Fifty-fifty. Das war unser Plan. Als der Antrag erst einmal ausgefüllt war (ohne Wehen), fühlten wir uns gut. Fast so gut wie die Eltern, die auf den Fotos in der 180 Seiten umfassenden Elterngeld-Infobroschüre des Familienministeriums gezeigt werden: glücklich, entspannt und ausgeglichen. Mutter, Vater, Kind. Eine perfekte Elterngeld-Plus-Familie. Hach ja.

Unser Sohn wurde im August 2016 geboren, im Januar 2017 fing ich nach einem fünfmonatigen Dasein als Vollzeitmama wieder zu arbeiten an – zunächst zwei bis drei Tage pro Woche, genauso machte es mein Freund. Zum Verdienst kam das Elterngeld Plus hinzu. Das war nicht viel, aber immerhin ein kleiner Bonus. Das Problem: Zeit, um dieses Geld auch nur irgendwie auszugeben, hatte ich fortan nicht. Wenn ich die Fotos auf meinem Handy aus dieser Phase durchscrolle und mit denen aus der Elterngeldbroschüre vergleiche, sehe ich neben sehr tiefen Augenringen bei uns Erwachsenen vor allem eines: fast nur Fotos zu zweit. Mutter und Kind. Vater und Kind. Selfies, die wir dem jeweils anderen an den Schreibtisch geschickt haben. Wenn ich bei der Arbeit war, war er mit unserem Sohn zu Hause. War er im Büro, pendelte ich zwischen Spielplatz und Wickeltisch hin und her. Ein Familienleben zu dritt existierte quasi nicht.

Wie beim Staffellauf klatschten wir uns zu Hause nur eben mal ab, bevor der jeweils andere das Kommando übernahm. Wir arbeiten beide im Journalismus und damit in einem Sieben-Tage-Betrieb, der keine Wochenenden und nur ganze Arbeitstage kennt. Aber das Tolle: Unserem Sohn war es immer egal, ob sein Vater oder ich ihn tröstete, fütterte oder ins Bett brachte – schließlich waren wir immer gleich viel für ihn da.

So schwierig die Gleichberechtigung war, so sehr hat sie aber auch für mich funktioniert. Denn ich finde, ich darf beides verlangen: Kind und einen erfüllenden Beruf, ein „Oder“ gibt es nicht mehr.

Nina Paulsen ist Redakteurin der „Berliner Morgenpost“, die wieunsere Zeitung zur Funke Mediengruppe gehört.