Berlin. Das Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat eine Debatte über die Schuldenbremse losgetreten. Was man darüber wissen sollte.

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine große Lücke im Bundeshaushalt. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise ist nun erneut eine Debatte über die Schuldenbremse entbrannt. Kritiker halten sie für nicht mehr zeitgemäß und fordern eine Reform. Doch was ist sie eigentlich genau und wie funktioniert sie? Alle wichtigen Fragen und Antworten.

Was ist die Schuldenbremse?

Die Schuldenbremse soll die Neuverschuldung in Deutschland begrenzen. Konkret besagt sie, dass Bund und Länder ihre Haushaltsdefizite nicht mehr durch die Aufnahme von Krediten ausgleichen dürfen. Das heißt, Deutschland darf nicht wesentlich mehr ausgeben als einnehmen. Damit soll die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte gesichert werden.

Während die Länder überhaupt keine Schulden mehr machen dürfen, hat der Bund zumindest einen kleinen Spielraum. Die Höhe der möglichen Schulden hängt von der Wirtschaftsleistung ab. Jedes Jahr ist eine Nettokreditaufnahme in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestattet. 2022 entsprach das 12,5 Milliarden Euro. Zusätzlich muss der Bund für die neuaufgenommenen Schulden einen konkreten Plan zur Tilgung vorlegen.

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Kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden?

In außergewöhnlichen Notsituationen und bei Naturkatastrophen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Davon hat der Bundestag in den vergangenen drei Jahren Gebrauch gemacht – zunächst wegen der Corona-Pandemie und dann wegen der Energie-Krise infolge des Ukraine-Kriegs.

Wie ist die Schuldenbremse entstanden?

Die Schuldenbremse wurde 2009 im Grundgesetz verankert. Auslöser damals waren die hohen Schulden als Folge der Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008. 2011 trat die Grundgesetzänderung schließlich in Kraft, bis 2016 galt eine Übergangsfrist für den Bund. Die Länder dürfen seit 2020 keine neuen Schulden mehr machen.

Was ist die „Schwarze Null“?

Im Zusammenhang mit der Schuldenbremse taucht auch immer wieder der Begriff „Schwarze Null“ auf. Damit wird ein ausgeglichener öffentlicher Haushalt bezeichnet, in dem die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen und es überhaupt keine Neuverschuldung gibt. Die „Schwarze Null“ geht also noch einmal über die Schuldenbremse hinaus.

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Welche Kritik gibt es an der Schuldenbremse?

Seit ihrer Einführung ist die Schuldenbremse umstritten. In den Augen einiger Experten ist sie vor allem eine Investitionsbremse. „Wenn die Schuldenbremse den Staat daran hindert, in Bildung, in Innovation, in Infrastruktur zu investieren, dann entsteht langfristig ein viel größerer Schaden“, sagte etwa der Präsident vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, dem „WDR“. Auch andere Wirtschaftswissenschaftler, wie etwa der Ökonom Jens Südekum, sehen die Schuldenbremse kritisch – und fordern daher eine Reform der Regelung.

Warum wird derzeit wieder über die Schuldenbremse diskutiert?

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Die Ampel hatte geplant, das Geld, das eigentlich für den Kampf gegen die Corona-Pandemie vorgesehen war, rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu verschieben. Das ist jetzt nicht mehr möglich – und die Gelder fehlen an anderer Stelle. Als mögliche Auswege aus der Krise gelten ein erneutes Aussetzen oder eine Reform der Schuldenbremse. Um die Schuldenbremse im Grundgesetz zu ändern, bräuchte es allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

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Wie stehen die Parteien zur Schuldenbremse?

Unter den Ampel-Parteien sind die Positionen zur Schuldenbremse sehr unterschiedlich. Vor allem aus SPD und Grünen kommen kritische Stimmen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) etwa bezeichnete die Schuldenbremse am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“ als nicht mehr zeitgemäß. „Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte“, sagte Habeck. Sie sei „sehr statisch“ und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig klug, sagte der Grünen-Politiker.

Auch die SPD-Fraktionsvorsitzenden von Bund und Ländern forderten am Dienstag einstimmig eine Reform der Schuldenbremse. In ihrer jetzigen Form sei sie nicht für die Herausforderungen der Zukunft geeignet, heißt es in einem Positionspapier, das die SPD-Fraktionschefs am Dienstag bei einer Konferenz in Duisburg beschlossen. Die SPD-Politiker warnten zugleich vor Gefahren für die Demokratie, wenn der Staat finanziell nicht mehr handlungsfähig sei.

Die FPD hingegen gilt traditionell als Befürworterin der Schuldenbremse. Vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will bisher kategorisch daran festhalten. Auch die Union schließt eine Änderung der Schuldenbremse aus. „Wenn wir die jetzt über Bord werfen, ist die für immer weg“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der „Neuen Westfälischen“. Er fügte hinzu: „Die Schuldenbremse gehört zur CDU wie der Fisch das Wasser braucht.“ Die Politik müsse „an unsere künftigen Generationen denken und daran, dass ein Ende der Schuldenbremse auch die Inflation anheizt“.