Berlin. Deutschland hat ehrgeizige Klimaziele – aber keinen Plan, wie es diese finanzieren kann. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie.

Das langfristige Ziel ist klar: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Der Weg dahin führt über große Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft – und über viel Geld, dass investiert werden muss.

Doch eine neue Studie des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF zeigt jetzt, dass die Bundesregierung für diese Investitionen keinen strukturierten Plan hat, und die deutsche Klimafinanzierung Milliarden-Löcher aufweist.

„Paying for Paris“ heißt das Papier, das dieser Redaktion vorliegt, übersetzt: Zahlen für die Verpflichtungen, wie Deutschland mit dem Paris-Abkommen eingegangen ist. Betrachtet wird, welchen Bedarf und welche Lücken es in der öffentlichen Finanzierung der Klimaschutzziele 2030 gibt.

Klimaschutz: Nötig sind rund 51 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030

Ausgangspunkt sind drei Studien, alle erschienen 2021, die unabhängig voneinander untersucht haben, wie viele öffentliche Mittel nötig sind, um die Klimaziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. In der Methodik unterscheiden diese sich leicht, doch im Ergebnis kommen alle drei zur selben Größenordnung, wie viel Geld nötig sein wird, damit Deutschland bis 2030 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als noch 1990. Gebraucht werden demnach bis 2030 jedes Jahr zwischen 41 und 50 Milliarden Euro. Dazu kommen Ausgaben für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen und Naturschutzmaßnahmen mit Klimaschutzwirkung. Unterm Strich geht die Studie von FÖS und WWF von 51 Milliarden Euro öffentlicher Finanzierung pro Jahr aus, die nötig wären.

Doch erreicht wurde dieses Niveau noch nie. Um zu prüfen, wie viel Geld seit 2020 tatsächlich in Klimafinanzierung geflossen ist, haben die Autorinnen und Autoren sich den Klima- und Transformationsfonds (KTF, früher Energie- und Klimafonds, EKF) angesehen, die Ausgaben für Klimaschutz in den Ressorts sowie Steuervergünstigen, die dem Klima nutzen. Der mit Abstand größte Teil der Mittel kommt dabei aus dem KTF. Das Sondervermögen wurde von der Ampel deutlich aufgestockt, allerdings werden daraus jetzt auch Projekte finanziert, die keine direkte Wirkung für den Klimaschutz haben.

2022 fehlten 32,7 Milliarden Euro für Klimaschutz

Laut der WWF-Auswertung ergibt sich für 2022 ein Volumen von 15,7 Milliarden an Klimaschutz-Ausgaben plus 2,6 Milliarden Steuervergünstigungen, die auf den Klimaschutz einzahlen. Damit bleibt für das vergangene Jahr eine Lücke von 32,7 Milliarden Euro. Zu Beginn des Jahrzehnts fehlte sogar noch mehr: Für 2020 beziffert die Studie die Lücke zwischen dem, was nötig wäre, und was tatsächlich ausgegeben wurde, auf 41,7 Milliarden Euro.

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Für das laufende Jahr 2023 soll diese Lücke deutlich kleiner werden, dann fehlen zum Bedarf von 51 Milliarden Euro laut Analyse nur noch 8,3 Milliarden Euro. Und in einige Bereiche – etwa die Förderung von erneuerbarer Energie in der Industrie und der Gebäudesektor – wird in diesem Jahr sogar mehr Geld fließen, als nötig ist.

Kein Plan für die Klimafinanzierung? Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner (v.l.n.r.)
Kein Plan für die Klimafinanzierung? Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner (v.l.n.r.) © dpa | Michael Kappeler

Jedenfalls dann, wenn alles, was im Klima- und Transformationsfonds (KTF) und in den Haushaltsplänen der Ministerien für Klimaschutz veranschlagt ist, auch tatsächlich ausgegeben wird. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. 2022 etwa wurden von 27,9 Milliarden Euro im KTF nur knapp die Hälfte auch tatsächlich abgerufen.

„Als würde man ein Haus bauen, ohne Ahnung zu haben, wie viel es am Ende kosten wird“

Die tatsächlichen Lücken, sagt Sabina Bals, Finanzexpertin des WWF, könnten noch größer sein als die, die Studie zeigt. Denn die Annahmen dafür, wie viel Geld gebraucht wird, stammen aus 2021, bevor Russlands Angriff auf die Ukraine die Energiepreise in die Höhe trieb und die Inflationsrate deutlich stieg.

„Die Bedarfe sind wahrscheinlich mittlerweile in vielen Bereichen höher“, sagt sie. Zudem sei Vorsicht geboten – nicht jede Maßnahme, die die Bundesregierung als Klimafinanzierung verbucht, helfe am Ende auch, Emissionen zu senken. Ein Beispiel sei der Gebäudesektor. „Da geht parallel zum neuen GEG eine Menge Geld in Förderung auch für Holzheizungen“, sagt Bals. Die seien aber schlecht für Biodiversität und auch klimapolitisch nicht sinnvoll.

Doch problematisch an der Finanzpolitik der Ampel-Koalition in Sachen Klimaschutz ist nach Einschätzung des Teams, das hinter der Studie steht, nicht nur das fehlende Geld. Es gebe auch keine Übersicht und keinen Plan der Bundesregierung, wie viel Geld überhaupt benötigt wird und wann es zur Verfügung stehen wird.

„Die Klimafinanzpolitik ist überhaupt nicht konsistent mit den Klimazielen, und eine Finanzierungsperspektive über 2024 hinaus fehlt komplett“, erklärt Bals. „Im Moment agiert die Regierung so, als würde sie ein Haus bauen, ohne auch nur eine grobe Ahnung zu haben, wie viel es am Ende kosten wird – und ohne zu prüfen, ob die Fenster und Türen groß genug sind für die Löcher in der Wand. Niemand, der bei Sinnen ist, würde eine große Aufgabe so angehen.“

Ab 2026 sinken die Mittel im KTF deutlich

Die Mittel, die im KTF zur Verfügung stehen, steigen laut Finanzplan bis nächstes Jahr, sinken dann aber ab 2026 deutlich. Das Autorenteam bezweifelt deshalb, ob die Regierung die Finanzierungslücke in den kommenden Jahren schließen kann. „Unter dem Strich bleibt ein großes Maß an Unsicherheit, wie die öffentlichen Finanzbedarfe für Klimaschutz ausreichend finanziert werden können“, heißt es in dem Papier.

Der WWF fordert ein klares Konzept für die Finanzierung von Klimaschutz. Das müsse sich an den planetaren Grenzen und den Erfordernissen der Transformation ausrichten. „Das ist nicht allein über diverse Sondervermögen und Fonds zu leisten“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin der Organisation. Es brauche ein „Klima-Mainstreaming“ des Bundeshaushalts. Alle Ressorts seien in der Pflicht, ihre Haushaltspläne an den Klimazielen auszurichten.