Berlin. Die Hauptstadt hat eine neue Regierung: Kai Wegner (CDU) wurde im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt.

Geteert, gefedert, aber doch am Ziel: Der CDU-Politiker Kai Wegner ist neuer Regierender Bürgermeister von Berlin. Das Abgeordnetenhaus wählte den 50-Jährigen am Donnerstag nach einer mehrstündigen Hängepartie zum Chef der Landesregierung, des Senats. Dafür waren allerdings drei Anläufe notwendig. Zudem behauptete die rechtspopulistische AfD nach dem dritten Wahlgang, Wegner zur Mehrheit verholfen zu haben.

Nach mehr als 20 Jahren residiert damit wieder ein Christdemokrat im Roten Rathaus der Bundeshauptstadt. Wegner stützt sich auf eine fragile Koalition aus CDU und SPD. Er löst die Sozialdemokratin Franziska Giffey ab, die das Amt der Wirtschaftssenatorin übernimmt.

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Kai Wegner: Beim dritten Versuch hat es dann geklappt

Wegners Wahl am Donnerstag entwickelte sich für die Berliner CDU und die Sozialdemokraten zu einem Drama. Erforderlich waren drei Durchgänge: In den beiden ersten scheiterte Wegner, weil er nicht die erforderliche absolute Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringen konnte. Erst im dritten Durchgang, in dem auch eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen gereicht hätte, votierten schließlich so viele Parlamentarier für ihn, wie Schwarz-Rot Sitze hat.

Franziska Giffey (SPD) gratuliert ihrem Nachfolger Kai Wegner (CD) zur Wahl.
Franziska Giffey (SPD) gratuliert ihrem Nachfolger Kai Wegner (CD) zur Wahl. © Tobias Schwarz/AFP

CDU und SPD kommen im Abgeordnetenhaus zusammen auf 86 Stimmen. Erforderlich für eine absolute Mehrheit sind 80 Stimmen. Im ersten Durchgang erhielt Wegner nur 71 Stimmen, im zweiten dann 79. Im dritten Durchlauf votierten 86 Parlamentarier für den Berliner CDU-Vorsitzenden. Gegenkandidaten gab es nicht.

Die AfD-Fraktion erklärte nach dem dritten Wahlgang, sie habe "aus gesamtstädtischer Verantwortung" für Wegner gestimmt. Ob das zutreffend ist, lässt sich nicht überprüfen. Die AfD hat 17 Abgeordnete im Landesparlament.

Wegner erklärte daraufhin, dass er sich nicht von den möglichen AfD-Stimmen bei seiner Wahl beirren lassen wolle. "Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will", sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in einem RBB-Spezial. "Sie will das nutzen. Weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass die AfD einen Regierenden Bürgermeister wählt, der die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland nach Berlin holt." Damit dürfte er sich auf die neue Justizsenatorin Felor Badenberg beziehen, die zuvor im Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete und sich auch um die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall kümmerte.

Kai Wegner: Kein guter Start ins Amt

Angesichts des Chaos bei seiner Wahl kann der neue Regierungschef schon jetzt als angeschlagen betrachtet werden, Wegners schwarz-rote Koalition ist sichtlich instabil. Obwohl unklar ist, welche Abgeordneten ihm bei der geheimen Abstimmung im Parlament die Gefolgschaft verweigerten, fällt der Verdacht zwangsläufig auf die SPD.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz sagte nach zwei gescheiterten Wahlgängen in Berlin: "Ich kann nur hoffen, dass die SPD im Verlaufe des Tages noch zur Vernunft kommt und die Regierungsfähigkeit dieser Stadt wiederherstellt." Es habe ein klares Wahlergebnis und einen klaren Wahlgewinner gegeben. "Und dem darf sich die SPD hier nicht durch Verweigerung und Boykott und Obstruktion entziehen." Die SPD machte ihrerseits die CDU für das Chaos verantwortlich.

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Die Berliner Sozialdemokraten, die bislang gemeinsam mit Grünen und Linkspartei die Hauptstadt regierten, hatten sich in den vergangenen Wochen nur unter großen Schmerzen dazu durchringen können, als Juniorpartner ein Bündnis mit dem konservativen CDU-Landesverband einzugehen. Während Anfang der Woche ein CDU-Parteitag den ausgehandelten Koalitionsvertrag ohne Gegenstimme billigte, fiel bei der SPD die Zustimmung in einem Mitgliedervotum mit 54 Prozent sehr knapp aus.

Wiederholungswahl in Berlin: SPD erlebt historisches Debakel

Bei der Wiederholungswahl zum Landesparlament im Februar hatte die Berliner SPD mit ihrer Co-Landesvorsitzenden Giffey als Spitzenkandidatin ein historisches Debakel erlebt. Sie erhielt ehedem nur 18,4 Prozent der Zweitstimmen und damit so viel wie die Grünen.

Die CDU unter Wegner triumphierte hingegen mit einem Stimmenanteil von 28,2 Prozent. Viele Wähler machten Giffey persönlich für die zahlreichen Probleme in der Hauptstadt verantwortlich – etwa den eklatanten Wohnungsmangel, eine überforderte Verwaltung und verstopfte Verkehrswege.

Trotz des schwachen Abschneidens der SPD wäre nach der Parlamentswahl rechnerisch eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition möglich gewesen, was viele Sozialdemokraten befürworteten. Giffey verzichtete jedoch auf den Posten der Regierenden Bürgermeisterin und nahm Kurs auf Schwarz-Rot.

Die Wiederholungswahl im Februar war notwendig geworden, nachdem das Berliner Landesverfassungsgericht die reguläre Wahl zum Abgeordnetenhaus vom September 2021 wegen zahlreicher Pannen für ungültig erklärt hatte.

Berlin-Wahl: Erinnerungen an Schleswig-Holstein

Das Drama bei der Wahl Wegners zum Regierenden Bürgermeister am Donnerstag rief Erinnerungen wach an das Jahr 2005, als in Schleswig-Holstein die damalige SPD-Kandidatin Heide Simonis mit dem Versuch scheiterte, sich trotz unklarer Mehrheitsverhältnisse im Amt der Ministerpräsidentin bestätigen zu lassen.

Simons verfehlte ehedem sogar in vier Wahlgängen die erforderliche Mehrheit und schmiss schließlich entnervt hin. Im Gegensatz zu Wegner hatte Simonis mit dem CDU-Politiker Peter-Harry Carstensen allerdings auch einen Gegenkandidaten, der schließlich Regierungschef einer schwarz-roten Koalition wurde.

Es kommt bei knappen Mehrheitsverhältnissen in Parlamenten immer wieder vor, dass Regierungschefs nicht gleich im ersten Durchgang gewählt werden, dann aber doch die erforderliche absolute Mehrheit erreichen. Im Land Berlin etwa war das 2006 der Fall, als sich der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) von einer rot-roten Koalition im Amt bestätigen lassen wollte.

Werden zwei Wahlgänge notwendig, gilt das gemeinhin als "Denkzettel" für den Regierungschef: Die Abgeordneten erinnern ihn daran, dass seine parlamentarische Mehrheit keine Selbstverständlichkeit ist. In Thüringen brauchte der Linken-Politiker Bodo Ramelow 2020 drei Wahlgänge. Sein rot-rot-grünes Regierungsbündnis verfügt im Erfurter Landtag über keine eigene Mehrheit, im dritten Wahldurchgang reichte Ramelow ehedem eine einfache Mehrheit.

Im Falle des neuen Berliner Bürgermeisters Wegner stellt sich nun die Frage, ob die neue schwarz-rote Koalition tatsächlich bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 durchhalten wird. Auch Giffey ist sichtlich geschwächt. Die Architektin des ungeliebten Regierungsbündnisses und Co-Vorsitzende der Berliner SPD hat ihren Laden offenkundig nur noch bedingt im Griff.

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