Berlin. Die AfD steht in Umfragen gut da, besser als manche Regierungspartei. Dieser Aufstieg hat Gründe. Es gibt aber ein Gegenmittel.

Die AfD ist in Umfragen teils auf 16, ja gar 17 Prozent gestiegen. Sie liegt deutlich über ihrem Bundestagsergebnis von 2021, als sie auf 10,3 Prozent kam. Damit befindet sich die Partei auf Augenhöhe zu den Grünen und weit vor Liberalen und Linken.

Nun sind demoskopische Erhebungen nur eingeschränkt belastbar. Dennoch ist der Trend eindeutig: Gut zehn Jahre nach ihrer Gründung wirkt die AfD stärker als je zuvor. Und die politische Konkurrenz vermag daran offenkundig wenig zu ändern.

In Sachsen und Thüringen steht die AfD in Umfragen auf Platz 1

Dieser Befund gilt vor allem für Ostdeutschland, wo im kommenden Jahr gleich drei Landtags- und Kommunalwahlen stattfinden und wo die AfD ihre Bastion zielgerichtet ausbaut. In Sachsen und Thüringen steht die AfD in Umfragen auf Platz 1, in Brandenburg auf Platz 2.

Für diesen Aufstieg gibt es Gründe. Die AfD ernährt sich von Angst und Protest, sie profitiert von Spaltungen und Vertrauensverlust – und sie wächst so mit jeder Krise. Der Streit um Flüchtlinge und Integration wurde abgelöst durch die Corona-Pandemie, derweil im Schatten des Ukraine-Kriegs von Inflations- und Energiesorgen dominieren.

Vor allem in Ostdeutschland, wo den Menschen nach Jahrzehnten historischer Benachteiligung enorme Veränderungen zugemutet wurden, verfangen die populistischen Parolen der AfD. Das verlogene und in seinem Kern rassistische Versprechen eines heilen, stabilen Retrodeutschlands ohne EU und Migranten findet hier deutlich mehr Anhänger als im Westen.

Politikkorrespondent Martin Debes.
Politikkorrespondent Martin Debes. © Ingo Glase | Ingo Glase

Gleichzeitig, auch das gehört zu einer ehrlichen Analyse, wird in den östlichen Ländern der zunehmende Radikalismus der AfD akzeptiert oder gar goutiert. Dass der Verfassungsschutz einige Landesverbände inzwischen als „erwiesen rechtsextremistisch“ einstuft, ermuntert die Kernwählerschaft bloß – und schreckt den Rest der Anhänger zumindest nicht ab.

Höckes „sozialer Patriotismus“: Klare Bezüge zum Nationalsozialismus

Ein strategisches Zentrum ist ausgerechnet das kleine Thüringen. Der aus dem Westen stammende Landesvorsitzende Björn Höcke hat es geschafft, die Bundespartei von hinten Schritt für Schritt auf seinen Kurs zu bringen. Der „soziale Patriotismus“, wie er ihn nennt, besitzt klare Bezüge zum Nationalsozialismus.

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Der Landtag in Erfurt, wo sich seit 2019 keine Mehrheiten mehr bilden konnte, ist Höckes ideales Experimentierfeld. Hier ließ sich der FDP-Landeschef Thomas Kemmerich von der AfD zum Ministerpräsidenten wählen und die Republik ins Wanken bringen. Hier kann sich die CDU nicht dazu überreden, die Linke-geführte Minderheitskoalition halbwegs verlässlich zu stützen.

Der Erfolg der AfD ist nicht von der AfD gemacht

Und hier kommt es mal wieder zu mehr oder weniger zufälligen schwarz-blau-gelben Beschlüssen. „Dann ist die Mehrheit halt da.“ Dieser fatale Halbsatz, den Kemmerich zuletzt äußerte, steht stellvertretend für den verbreiteten Unwillen, aus der Geschichte des 20. Jahrhundert oder auch nur der vergangenen Jahre zu lernen.

Denn der Erfolg der AfD ist nicht von der AfD gemacht. Vielmehr ist die Partei zerstritten, inkompetent und schlecht organisiert. Sie dient nur, wie die meisten extreme Bewegungen, einem Großteil ihrer Wähler als Projektionsfläche und Ventil – für Protest, Angst und Vorurteile.

Wenn Demokraten die AfD auf ihre reale Größe zurückschrumpfen wollen, sollten sie nicht nur maximal Abstand zu ihr wahren und ihren Extremismus bekämpfen. Sie sollten, bei aller nötigen Konkurrenz, weniger parteitaktisch und ideologiegetrieben handeln. Denn der wahre Feind der AfD bleibt gute Politik.