Buenos Aires. Nach nervenaufreibenden Wochen im heimischen Deutschland besucht Olaf Scholz Südamerika. Er wirkt gelöst. Eindrücke der Kanzlerreise.

Fußball-Freundlichkeiten gehen immer, besonders hier. „Vielen Dank für den freundlichen Empfang hier in Argentinien“, sagt Olaf Scholz. „Im Land des Weltmeisters.“ Dabei lächelt der Bundeskanzler verschmitzt auf die ihm eigene Art, die der bayerische Ministerpräsident Markus Söder einmal „schlumpfig“ nannte. Man weiß nicht, ob Argentiniens Präsident Alberto Fernández in dem Moment das Wort „pitufo“ durch den Kopf geht – spanisch für Schlumpf. Aber der argentinische Staatschef freut sich sichtlich über den Besucher aus Deutschland.

Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires ist die erste Station seiner gut viertägigen Reise nach Südamerika. Es folgen Stationen in Chile und Brasilien, am Mittwochmorgen wird der Kanzler pünktlich zur wöchentlichen Kabinettssitzung zurück in Berlin erwartet. Scholz will mit dem Besuch in den drei Staaten deutlich machen, wie viel ihm an diesen drei demokratischen Ländern liegt.

„Gerade in diesen Zeiten sind Freundschaften wichtig und Beziehungen zwischen Ländern, die gut zusammenarbeiten“, betont Scholz. Erneuerbare Energien, Handel, Kampf gegen den Klimawandel: Der Kanzler zählt ein Feld nach dem anderen auf, das er gemeinsam beackern will. Auch im Konflikt mit Russland sucht Scholz den Schulterschluss, „weil wir die gleichen Werte im Herzen haben“.

Olaf Scholz: Ein Erfolg, für den ich Kritiker lobten

Ws ist sommerlich, der Wind weht warm durch die argentinische Hauptstadt. Viele Bewohner befinden sich derzeit in den Sommerferien am Meer. Die abendliche Pressekonferenz von Scholz und Präsident Fernández findet unter freiem Himmel statt. Olaf Scholz scheint der Szenenwechsel zu gefallen. Gestartet war der Kanzler noch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in Berlin. Sein Kanzlerflieger vom Typ Airbus A350-900 musste erst enteist werden, bevor sich die Maschine die 12.052 Kilometer und 15 Stunden Flugzeit auf den Weg nach Argentinien machen konnte.

Es ist die erste Reise des Kanzlers in der „Konrad Adenauer“, dem neuen Flaggschiff der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Wegen seiner speziellen VIP-Ausstattung gilt die Maschine als die deutsche „Air Force One“. Schon auf dem Flug hatte Scholz gute Laune. Das mag an dem nigelnagelneuen Flieger gelegen haben – oder am Verlauf der vergangenen Woche. Am Mittwoch konnte Scholz eine von Deutschland und den USA angeführte internationale Allianz zur Unterstützung der Ukraine mit Kampfpanzern verkünden.

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Bundeskanzler Olaf Scholz wird auf dem Flughafen Ministro Pistarini von Santiago Cafiero, Außenminister von Argentinien, empfangen.
Bundeskanzler Olaf Scholz wird auf dem Flughafen Ministro Pistarini von Santiago Cafiero, Außenminister von Argentinien, empfangen. © Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld/dpa

Für den Kanzler war das ein Erfolg, für den ich Kritiker lobten. Scholz fühlte sich in den Tagen und Wochen zuvor zu Unrecht attackiert. Wer ihm Zögerlichkeit oder schlechte Kommunikation vorwarf, war aus der Sicht von Scholz und seinen Leuten schlicht unverantwortlich und nicht über die Vorgänge hinter den Kulissen informiert.

Eine andere Lesart ist jedoch, dass Scholz in der Panzer-Frage mächtig unter Druck stand. Dass er der Lieferung von deutschen Kampfpanzern des Typs Leopard 2 trotz Bedenken zustimmte, weil er nicht mehr anders konnte. „Diese Bellizisten!“ und „diese Kriegstreiber“ soll er laut einem „Spiegel“-Bericht intern über diejenigen geschimpft haben, die sein Handeln als zu langsam, zu spät, zu wenig kritisierten. Zu dem meist so kontrollierten Auftreten des Kanzlers in der Öffentlichkeit passen solche Eruptionen nicht.

Scholz reiste bereits als junger Mann nach Argentinien

Bundeskanzler Olaf Scholz und Alberto Angel Fernandez, Präsident von Argentinien, reichen sich die Hände.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Alberto Angel Fernandez, Präsident von Argentinien, reichen sich die Hände. © Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld/dpa

Wer ihn nun nach Lateinamerika begleitet, trifft auf einen Olaf Scholz, der zumindest deutlich gelöster ist als am Wochenende zuvor auf der Reise zum deutsch-französischen Ministerrat in Paris. Druck ist von ihm gefallen. Deutlich wird aber auch, dass Scholz sich speziell auf den Besuch in Südamerika freut. Alle drei Staaten kennt Scholz von früheren Reisen. Argentinien hat er als Tourist besucht, außerdem als Hamburger Bürgermeister und Finanzminister, jetzt zum ersten Mal als Bundeskanzler.

Besonders gerne erinnert sich Scholz daran, wie er in den 80er Jahren als junger Sozialist nach Argentinien reiste, um einen Freund zu besuchen. Damals hatte der heute 64-jährige Scholz noch dichte Locken auf dem Kopf. Argentinien war bereits der Militärdiktatur entkommen, im benachbarten Chile ging das Pinochet-Regime seinem Ende entgegen. Scholz fuhr nach Chile, um dort mit den neuen gesellschaftlichen Kräften zu sprechen. Solche Begegnungen haben Scholz geprägt.

Der Kanzler besucht den Park der Erinnerungen am Ufer des Rio de la Plata. Hier sind die Namen von Opfern der argentinischen Militärdiktatur in lange Mauern graviert. Scholz spricht mit Hinterbliebenen, steckt eine weiße Blume für Elisabeth Käsemann in die Wand. Die junge Deutsche wurde 1977 von dem Regime ermordet. Diktaturen seien immer mit Verschwundenen und Getöteten verbunden, sagt Scholz und nennt ausdrücklich den Iran. „Das ist eine Mahnung an uns alle, die Freiheit, die wir haben, zu schätzen und zu verteidigen.“

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Wenig zuvor: Scholz sitzt nach einem kurzen Spaziergang durch das Hafenviertel La Boca in weißem Hemd, ohne Sakko, in einem schattigen Patio und trifft junge Unternehmer, Klimaaktivisten, Wissenschaftler. Sie stellen ihm Fragen zum Umweltschutz, zum Handel – und äußern Sorgen, dass Deutschland zwar scharf sein könnte auf Argentiniens Lithium, das wichtig ist für die Herstellung von Batterien für E-Autos – das Land selbst aber nicht davon profitiert.

Der Krieg in der Urkaine begleitet Scholz überall hin

Scholz bemüht sich, diese Angst vor einem modernen Kolonialismus zu zerstreuen, verspricht eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Anstatt in China könne die Weiterverarbeitung auch in Argentinien stattfinden und tausende Jobs schaffen. Auslandsreisen vor allem auf andere Kontinente sind für den Bundeskanzler auch eine Abwechslung zum politischen Alltag. Fernab der Heimat lassen sich einmal andere Themen bearbeiten, als die letzten Konflikte mit störrischen Koalitionspartnern.

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Der Krieg in der Ukraine begleitet Scholz in diesen Tagen allerdings überall hin. Wie er zu der Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) steht, Deutschland kämpfe „einen Krieg gegen Russland“, wird Scholz nach dem Treffen mit Präsident Fernández gefragt. „Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine“, betont Scholz. Daran ändere sich nichts durch die Unterstützung der Ukraine auch mit Waffen. Viel lieber als über den verbalen Fehltritt seiner Außenministerin spricht Scholz aber über die Haltung Argentiniens zu dem Krieg.

„Wir verurteilen diesen Angriff“, stellt Fernández klar. Zwar nimmt Argentinien einerseits eine distanzierte Haltung ein: Waffen werde weder Argentinien noch ein anderes südamerikanisches Land an die Ukraine liefern, macht Fernández deutlich. „Der Bundeskanzler und ich wünschen uns, dass sobald wie möglich wieder Frieden herrscht.“

Der Krieg im fernen Europa ist dem argentinischen Staatschef aber auch aus eigenem Interesse nicht egal: „In der nördlichen Halbkugel fliegen Raketen und sterben Menschen. Aber hier in der südlichen Halbkugel hat das Folgen auf die Preise und den Hunger der Menschen.“ Das müsse Putin verstehen, klagt Fernández. Scholz ist froh über solche Worte.

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