Berlin. In einem Brandbrief fordert die Lebensmittelbranche von der Regierung Energiebeihilfen. Ansonsten drohe eine Lebensmittelknappheit.

  • Kunden müssen im Winter mit Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln rechnen
  • Die Lage wird immer schlimmer. Die Tiefkühlbranche sorgt mit einem dringenden Appell an die Bundesregierung für Schlagzeilen
  • Vor allem eine Branche warnt besonders

Mit drastischen Worten leiten die Vertreter der Tiefkühl- und Frischewirtschaft ihren offenen Brief an die Bundesregierung ein: „Es ist 1 Minute vor 12!“ Die Branche erlebe aufgrund der extrem stark gestiegenen Energiekosten die schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Sollte ihnen keine staatliche Unterstützung zuteil werden, wären die Konsequenzen für die Bevölkerung verheerend.

„Diese massiven Kostensteigerungen können die Unternehmen nicht mehr länger durch Einsparungen oder die anteilige Weitergabe in den Verkaufspreisen an die Kunden kompensieren“, kritisiert die Lebensmittelversorgungsindustrie, zu der Hersteller von tiefgefrorenen Lebensmitteln, Kühlhaus-Betreiber, Logistikunternehmen, Handel und Vertrieb gehören. Manche Unternehmen befürchteten den baldigen Stillstand der Produktion und die Schließung von Kühllogistikzentren für die Lebensmittelverteilung. Besonders gefährdet seien energieintensive Betriebe der mittelständischen Tiefkühl- und Frischewirtschaft.

Manche bereiten sich sogar schon auf eine mögliche Insolvenz vor“, heißt es in dem Brandbrief, der vom Deutschen Tiefkühlinstitut sowie der Verband Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen unterzeichnet wurde. Es drohten zudem Engpässe bei der täglichen Lebensmittelversorgung. Ohne Hilfen „bleiben die Kühlschränke und Tiefkühltruhen für die deutsche Bevölkerung bald leer“, so die Branche. „Die Lage ist mehr als ernst.“

Lebensmittelerzeuger schließen Produktionszusammenbruch nicht aus

Was ist dran an diesen Szenarien? Tatsächlich fürchtet auch die übrige Ernährungsindustrie, dass die Energiekrise zu einer Krise der Lebensmittelversorgung werden könnte. „Die enorm steigenden Energiepreise stellen die Ernährungsindustrie vor eine ernstzunehmende Herausforderung, denn die Herstellung von Lebensmitteln ist energieintensiv“, sagt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin und Leiterin des Büro Brüssel der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.

Auch viele Erzeuger von Lebensmitteln sehen sich durch die explodierenden Energiekosten in ihrer Existenz bedroht und fordern schnelle und unbürokratische Staatshilfen. „Ein Zusammenbruch der Produktion ist nicht auszuschließen, denn die Betriebe fallen aufgrund ihrer klein- und mittelständischen Struktur nicht in den Geltungsbereich der Hilfsprogramme der Bundesregierung“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung verschiedener Dachverbände, wie der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse und dem Deutschen Bauernverband.

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    Die Unternehmen seien aktuell nicht in der Lage, die steigenden Kosten am Markt weiterzugeben, da Lebensmittelhändler wegen abnehmender Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten alternativ auf günstigere Waren aus dem Ausland zurückgreifen könnten, die mittlerweile zu geringeren Energiekosten produzieren. „Der Zusammenbruch der Produktion würde zu Versorgungsengpässen führen und das Ende einer regionalen und nachhaltigen Erzeugung bedeuten.“

    Handel entwarnt: Lebensmittelknappheit ist unwahrscheinlich

    Einzelhändler halten die Befürchtungen für überzogen, dass nun mehr Waren aus dem Ausland importiert würden. Christian Böttcher, Sprecher des Handelsverbands Lebensmittel: „Dass Händler in jedem Fall auf Zulieferer aus dem Ausland zurückgreifen können, ist eine sehr pauschale These.“ Die Teilmärkte und Produkte müssten im Einzelnen betrachtet werden. Vielmehr setze der Handel schon seit Jahren verstärkt auf regionale frische Lebensmittel. „Daher hat der Handel auch weiterhin ein hohes Interesse an den Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten aus Deutschland“, so Böttcher

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    Gestiegene Preisforderungen seitens der Lieferanten würden laut Böttcher genau darauf geprüft, ob sie „auf echten, transparent dargelegten Kostensteigerungen“ beruhen oder mit Verweis auf die Inflation nur ein Bereicherungsversuch seien. Ziel des Handels sei es immer, für alle Kunden ein akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten: „Unvermeidbare Preissteigerungen dürfen nicht allein den Verbrauchern aufgebürdet werden, sondern müssen in der gesamten Wertschöpfungskette verteilt werden.“

    Der Großhandel hält eine Lebensmittelknappheit aktuell nicht für wahrscheinlich. In den Bereichen Getreide und Ölsaaten, aus denen Pflanzenöl hergestellt wird, gebe es beispielsweise keine Probleme, Ware zu produzieren noch zu importieren, berichtet Jens Kaß, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. „Auch bei Unternehmen, die mit haltbaren Waren wie Konserven handeln, sind die Lager gut gefüllt und ist kein Mangel im Markt zu verzeichnen.“

    Cem Özdemir hält Versorgung mit Lebensmitteln für gesichert

    Bei Obst und Gemüse herrsche in den Erzeugerländern tendenziell eine Überversorgung, weshalb die Preise stabil blieben und sich nach Angebot und Nachfrage richteten. Bei Pflanzenschutz- und Düngemittel gelten wiederum Weltmarktpreise, was sich international auf die Produktionskosten niederschlage. „Anzumerken bleibt, dass die deutschen Lebensmittelpreise seit Jahren zu den niedrigsten in Europa zählen“, so Kaß.

    Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir (Die Grünen) gibt Entwarnung. In Deutschland herrsche ein hoher Selbstversorgungsgrad. Es sei schon an vielen Stellen darauf hingewiesen worden, dass die Lebensmittelversorgung gesichert sei, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums.

    Die angespannte Lage in der Ernährungsindustrie aufgrund der hohen Energiepreise sei der Bundesregierung bewusst. „Die Bundesregierung trägt der Situation mit verschiedenen Entlastungsprogrammen Rechnung, die bei Bedarf auch immer wieder nachgeschärft werden können.“

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    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.