Washington. Die Demokraten suchen einen Herausforderer für Donald Trump. Als Favorit galt bisher Joe Biden. Doch die Konkurrenz ist kraftvoll.

Für einen Moment schaute Joe Biden wie ein entgeisterter Rentner, dem eine agile, jüngere Frau in der Straßenbahn frech den letzten Sitzplatz weggenommen hat. Verständlich.

Kamala Harris, die ehemalige Generalstaatsanwältin aus Kalifornien, hatte dem früheren Vizepräsidenten und in Umfragen seit Wochen als Favorit der Demokraten für das Duell ums Weiße Haus 2020 geltenden Partei-Fossil soeben den Fehdehandschuh hingeworfen – vor den Augen ihrer acht Mitstreiter und einem Millionen-Publikum an den Fernsehern. Mit einer Unerbittlichkeit, die bei der TV-Debatte in Miami am Donnerstagabend andeutete, was auf den 76-Jährigen in den nächsten Monaten wartet: Spießrutenlaufen.

Der Anlass: Biden verkauft sich seit Beginn seiner Kandidatur als der einzige erfahrene Konsensstifter im auf insgesamt 25 Personen angeschwollenen Feld jener Demokraten/-innen, die im November nächsten Jahres Donald Trump verdrängen wollen.

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US-Wahl: Für Joe Biden wird es kein Kinderspiel

Als Nachweis für seine Gabe, mit dem politischen Gegner, den Republikanern, Kompromisse finden zu können, rühmte sich Biden neulich etwas salopp seiner guten Kontakte zu zwei Senatoren, die vor vielen Jahren Anhänger der Rassentrennung von Schwarzen und Weißen waren. Für Harris (54), Tochter von Einwanderern aus Indien und Jamaika, ein Unding.

Kamala Harris griff Joe Biden scharf an.
Kamala Harris griff Joe Biden scharf an. © Reuters | MIKE SEGAR

Sie nannte Bidens Worte zur Segregation „schmerzhaft” und ging den Parteikollegen mimisch so scharf an, dass die Luft auf der Bühne zu brennen schien. Harris’ Botschaft war unüberhörbar: Joe, es wird kein Kinderspiel für dich.

Auch Elizabeth Warren präsentiert sich stark

Dass eine Frau für die stärkste Szene sorgte, fügt sich ins Bild. Bereits am Vortag, als die anderen zehn demokratischen Möchtegern-Trump-Herausforderer, zwei Stunden lang um Sympathien für sich und ihre Konzepte buhlen durften, war es Elizabeth Warren, die nach Meinung von US-Medien und Analysten den nachhaltigsten Eindruck hinterließ.

Die 70-jährige Senatorin aus Massachusetts, die als Kämpferin gegen die wachsende Einkommensungleichheit dem 2016 Hillary Clinton unterlegenen „Sozialisten” Bernie Sanders den Rang abzulaufen droht, strahlte in ihrer Runde Ruhe und Themensattelfestigkeit aus. Dass jüngere Männer wie der ehemalige Wohnungsbauminister Julian Castro und Senator Cory Booker ebenfalls eine gute Figur machten, schmälerte ihren Erfolg nicht.

Alle Kandidaten wollen Trumps Politik zurückdrehen

Welche Bedeutung der Auftakt der TV-Debatten für den Stellenwert der Kandidaten/-innen in den Meinungsumfragen hat, ist nicht abzusehen. Das eng getaktete Format von 60-Sekunden-Antworten und abrupten Themenwechseln der Moderatoren lässt eine substanzielle Behandlung der Themen nicht zu.

Gleichwohl wurde erkennbar, dass alle Kandidaten/-innen in den Bereichen Steuern, Wirtschaft, Klimaschutz, Einwanderung, Gesundheit, Militär und Auswärtiges die Politik des Amtsinhabers an breiter Front zurückdrehen wollen. Exakt mit welchen Mitteln in einem politisch geteilten Kongress, das blieb häufig offen.

Hintergrund: Donald Trump will zweite Amtszeit – das ist seine Bilanz

Harris und Warren bieten alten Männern kraftvoll Paroli

Elizabeth Warren überzeugte mit Sachkenntnis und Ruhe.
Elizabeth Warren überzeugte mit Sachkenntnis und Ruhe. © Reuters | MIKE SEGAR

Zieht man die bisherigen Ergebnisse der Meinungsforscher in Betracht, kristallisiert sich aus dem 25er-Feld mit Joe Biden, Bernie Sanders, Kamala Harris, Elizabeth Warren und dem jüngsten Bewerber, Pete Buttigieg (37), Bürgermeister von South Bend/Michigan, eine Fünfergruppe heraus, die sich Chancen auf einen guten Einstieg in die Vorwahlen ab Februar nächsten Jahres machen kann.

Daran haben die ersten TV-Debatten (eine erste Wiederholung gibt es in vier Wochen in Detroit) voraussichtlich nichts wesentlich geändert, heißt es in ersten US-Berichten. Die Nuancen könnten dagegen so aussehen:

Bidens Vormachtstellung schrumpft. Auch Berni Sanders lässt Federn. Buttigieg festigt sich. Kamala Harris und Elizabeth Warren legen zu, auch weil sie den alten Männern so kraftvoll Paroli bieten. Oder, siehe Kamala Harris, sogar fast die Show stehlen.

Hintergrund: Welcher Demokrat könnte Donald Trump gefährlich werden?

Ist Joe Biden die richtige Wahl gegen Donald Trump?

Klar ist nach dem ersten Fernseh-Experiment: Je eher das Teilnehmerfeld ausdünnt, in dem die allermeisten bei Zustimmungswerten um ein Prozent liegen, desto eher werden die zu den Demokraten tendierenden Wähler genauer hinsehen, ob Joe Biden die richtige Wahl gegen Donald Trump ist.

Hier bleibt besonders eine Szene aus Miami in Erinnerung: Eric Swalwell (38), ein chancenloser Abgeordneter aus Kalifornien, erinnerte daran, wie er als Sechsjähriger Joe Biden erlebt und bewundert hat, als der bei einer Parteiveranstaltung dafür warb, die „Fackel” (im Sinne von Verantwortung) an die jüngere Generation weiterzugeben.

32 Jahre später sei es nun an Biden, genau das zu tun, sagte Swalwell. Der Adressat schaute säuerlich und gab zurück: „Ich halte immer noch an der Fackel fest. Damit das klar ist.”

Kamala Harris war die Erste, die diesen Machtanspruch brachial in Zweifel gezogen hat.