Washington. Pete Buttigieg ist Bürgermeister einer Kleinstadt im Mittleren Westen. 2020 will er US-Präsident werden. Seine Chancen stehen gut.

Vor zehn Jahren wäre das, was Pete Buttigieg am Sonntag in der ehemaligen Fließband-Halle 84 der längst verblichenen Auto-Marke Studebaker in South Bend (Bundesstaat Indiana) vor Tausenden Zuschauern mit seinem typischen Lausbuben-Grinsen hingelegt hat, in Amerika noch unmöglich gewesen.

Der erst 37 Jahre alte, homosexuelle, verheiratete Bürgermeister der 100.000-Einwohner zählenden Ex-Industriestadt im Mittleren Westen, der in Oxford und Harvard eliteuniversitär ausgebildet wurde und als Soldat in Afghanistan gedient hat, kündigte offiziell seine Bewerbung für das demokratische Präsidentschaftsticket 2020 an.

Buttigieg ist einer der interessantesten Kandidaten

Medien-Amerika schaute gebannt hin. Denn Buttigieg (gesprochen: „Buddedschidsch“) gilt im inzwischen auf 18 angeschwollenen Bewerber-Feld der Demokraten als Exot mit willkommenen Alleinstellungsmerkmalen in einem Land, dessen amtierender Amtsinhaber Hetze und Spaltung zu zentralen politischen Werkzeugen gemacht hat.

„Mayor Pete“, wie Fans den Linkshänder nennen, hat es mit seiner erfahrungsgesättigten und rhetorisch gewinnenden Art über Amerikas Probleme zu reden, ohne sich dabei messianisch anzubiedern oder besserwisserisch zu erscheinen, laut dem konservativen Wall Street Journal zum „vielleicht heißesten Kandidaten“ gebracht.

Progressiv, aber nicht dogmatisch

Binnen drei Monaten trieb der Sohn eines Einwanderers der Mittelmeer-Insel Malta sieben Millionen Dollar Kleinspenden ein. Kein Demokraten-Name wird derzeit häufiger gegoogelt als seiner. Mit 29 wurde Buttigieg Bürgermeister im seinerzeit völlig heruntergerockten South Bend. Inzwischen ist nicht alles Gold, aber die Arbeitslosigkeit ist rapide gesunken und 1000 baufällige Häuser wurden abgerissen.

Das schicke Innere der revitalisierten Studebaker-Halle, in der er an der Seite von Ehemann Chasten für einen Generationswechsel warb, verströmt modernen Silicon-Valley-Charme. Wie Buttigieg argumentiert (progressiv, aber nicht dogmatisch), wenn er sagt, die Demokraten müssten ihr „Vokabular“ erneuern, wenn sie „Freiheit“, „Demokratie“ und „Verantwortung“ ausbuchstabieren, macht zunehmend Eindruck. Ebenso, dass er den Obersten Gerichtshof erweitern will, um ihn zu entpolitisieren.

Buttigieg will die US-Demokratie reformieren

Dagegen soll das Wahlmänner-Gremium („electoral college“), ohne das Donald Trump nicht Präsident wäre, abgeschafft werden, um „echte Demokratie“ zu ermöglichen. „Das ist keine Eintagsfliege“, kommentieren US-Zeitungen. Längst sind die Verweise auf den politisch provinziellen Hintergrund des jüngsten Kandidaten im Feld weitgehend verschwunden.

Dagegen verfängt, wenn der einst bei der Unternehmensberatung McKinsey angestellte Schöngeist feststellt, dass er im Jahr 2054 so alt ist wie der amtierende Präsident heute. Buttigieg akzeptiert nicht, dass Leute über Amerikas Zukunft entscheiden, die tot sind, „wenn etwa die Folgen des Klimawandels richtig durchschlagen“.

Gute Startposition in den Umfragen

Der Lohn seiner Anstrengungen, die noch bei Großspendern auf fruchtbaren Boden fallen müssten, ohne die jede Wahlkampfmaschine einen Kolbenfresser bekommt: Umfragen in den Vorwahl-Bundesstaaten Iowa und New Hampshire, wo bereits im Februar 2020 der Kandidat (oder die Kandidatin) für die Präsidentschaftswahl 2020 gekürt wird, sehen Buttigieg an dritter Stelle; hinter den betagten Schlachtrössern Joe Biden und Bernie Sanders.

Hintergrund: US-Präsidentschaftswahl 2020 – Welcher Demokrat könnte Donald Trump gefährlich werden?

Aber vor vielen Promi-Senatoren, Ex-Gouverneuren oder Kongress-Abgeordneten wie Kirsten Gillibrand, Jay Inslee, Amy Klobuchar, John Hickenlooper oder Corey Booker. Und vor den zwei konstant als aussichtsreich geltenden Frauen: Kamala Harris (54), Senatorin aus Kalifornien, und die 69-jährige Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts.

Joe Biden in Zeiten von #metoo

Spreu vom Weizen trennende Sortierung im unübersichtlichen Rennen erhoffen sich viele von Joe Biden. Der frühere Vize-Präsident von Barack Obama genießt, obwohl noch nicht offiziell am Start, mit 30 Prozent in Meinungsumfragen den größten Vertrauensvorschuss. Hillary Clintons Konkurrent von 2016, Bernie Sanders, kommt auf etwa 20 Prozent. Biden will sich nach Ostern in die Schlacht werfen.

Altlasten – konkret: die bekannte Neigung zu nett gemeinten Handgreiflichkeiten (Umarmungen, Schultermassagen und Küsschen) fürs Volk – haben den elder statesman in die Defensive gezwungen. Nachdem Frauen an die Öffentlichkeit getreten waren und zum Teil zehn Jahre zurückliegendes Eindringen in ihre Privatsphäre beklagten (einmal ging es um einen Hinterkopf-Kuss, das andere Mal soll Biden im Eskimo-Stil seine Nase an einer anderen gerieben haben), sah sich der Mann aus Scranton/Pennsylvania im Zeitalter von #meToo zu einer Klarstellung per Video gezwungen. „Ich werde in Zukunft aufmerksamer sein, wenn es darum geht, den persönlichen Raum zu respektieren.“

Sanders ist am Wahltag schon 79

Auch bei Bernie Sanders, obwohl mit 18 Millionen Dollar Spenden-Aufkommen vorläufig Krösus unter seinesgleichen, blättert der glänzende Lack seines ersten Anlaufs auf das Weiße Haus 2016 allmählich ab. Hauptgrund laut US-Medien: das Alter. Biden wäre am Wahltag 77 Jahre alt, Bernie Sanders bereits 79.

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