Washington. Immer mehr Demokraten verkünden ihre Präsidentschaftskandidatur für 2020. Doch wer von ihnen könnte Donald Trump vom Sockel stoßen?

Es wäre vieles einfacher, wenn er sich endlich erklären würde. Wenn Joe Biden, Ex-Senator und Ex-Vizepräsident, Dinosaurier und Urgestein der Demokratischen Partei seit mehr als 45 Jahren, seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika anmelden würde. Oder wenn er, wie der Milliardär Tom Steyer, endgültig verzichtet.

Update vom 25. April 2019: Joe Biden kündigt Kandidatur für US-Wahl 2020 an

Dann wüsste die Partei, die Donald Trump im November 2020 zu einer einmaligen Verirrung des Zeitgeistes machen will, woran sie ist. Mit Biden als Kandidat bekäme das sich im Wochentakt füllende Bewerberfeld – gerade erst gingen mit den Senatorinnen Elizabeth Warren (69) und Amy Klobuchar (58) zwei weitere prominente Frauen ins Rennen – sein Gravitationszentrum.

Gegen das kampferprobte Schlachtschiff aus Scranton im Bundesstaat Pennsylvania wirken manche der mittlerweile elf offiziell angemeldeten Namen wie Schlauchboote, die schon bei den ersten Wellen der in einem Jahr beginnenden parteiinternen Vorwahlen havarieren könnten. Umfragen sehen den 76-jährigen Biden, ginge er an den Start, mit deutlichem Abstand vorn.

Joe Biden: Macht er es noch einmal?
Joe Biden: Macht er es noch einmal? © REUTERS | YURI GRIPAS

Für eine Reichensteuer und gegen die Wall Street

Das liegt an seinem Bekanntheitsgrad. Das liegt aber auch daran, dass er auf allen politischen Feldern so mittig, gemäßigt, berechenbar und anschlussfähig ist, dass sich die unübersichtlich werdende interne Konkurrenz vom Wähler leicht einsortieren ließe. In das Spannungsfeld, das der Partei der Kennedys und Clintons droht:

Linksliberale Mitte mit mehr oder weniger umfassendem Umverteilungs-Anspruch und Rückbesinnung auf Amerikas Führungsrolle in der Welt. Oder der radikal wirkende Sturm und Drang der Progressiven um Bernie Sanders, der sich nach der Niederlage gegen Hillary Clinton 2016 noch nicht offiziell zu einem zweiten Anlauf aufgerafft hat. Und seiner mit 29 Jahren fast noch jugendlichen Geistesverwandten, der jüngsten Kongress-Abgeordneten, Alexandria Ocasio-Cortez.

Joe Biden zögert mit seiner Erklärung

Beide verfolgen in den Bereichen Soziales und Umwelt eine Agenda, die parteiintern als zu wenig mehrheitsfähig gilt. Und die bei den Republikanern bis hin zu Präsident Trump ebenso penetrant wie platt unter Sozialismusverdacht gestellt wird. Vor allem Ocasio-Cortez, die es dank unbekümmerter, couragierter Auftritte im Kongress zum Shootingstar der Demokraten gebracht hat, treibt die Debatte furios an.

Erst 29 Jahre alt und ein Shootingstar der Demokraten: Alexandria Ocasio-Cortez.
Erst 29 Jahre alt und ein Shootingstar der Demokraten: Alexandria Ocasio-Cortez. © REUTERS | JONATHAN ERNST

Aber Joe Biden erklärt sich nicht. Noch nicht. Irgendwann in den nächsten Wochen soll es so weit sein, sagt der Mann, der sich schon zweimal erfolglos für das höchste Staatsamt in die Spur begeben hat. Und der im ersten Amtsjahr das 79. Lebensjahr vollenden würde. Dass die Zeit für ihn drängt, weil die Suche nach geeignetem Personal für die Wahlkampagnen und Geldgeber mit prall gefüllten Kassen natürlichen Grenzen unterliegt, ergibt sich aus einer besonderen Dynamik.

Zentrist oder Zentristin hätte beste Chancen

Analysiert man den Teil-Wahlsieg der Demokraten bei den Zwischenwahlen zum Kongress im Herbst, gab es die größten Erfolge im Repräsentantenhaus nicht mit radikaler Linksruck-Politik oder Trump-Bashing. Sondern durch moderate Kandidatinnen und Kandidaten, die gerade in den Randzonen der großen Metropolen erfolgreich waren, vor allem bei der weiblichen Wählerschaft. Die Ableitung daraus lautet aus Sicht etablierter Demokraten: Ein Zen­trist (oder eine Zentristin) hätte in zwei Jahren wohl die größte Chance gegen Trump.

Allein, der Zeitgeist weht steif von links. Jüngster Beleg: Elizabeth Warren. Die 69-jährige Jura-Professorin, die es aus kleinen Verhältnissen bis nach Harvard schaffte, schlug bei ihrer Rede am Wochenende in der siechen Industriestadt Lawrence in ihrem Heimatbundesstaat Massachusetts für manche Ohren klassenkämpferisch klingende Töne an.

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Ein Staat, der die Reichen stärkt

Sie sprach von einem „System, das die Reichen und Mächtigen stärkt und alle anderen mit Dreck bewirft“. Ohne eine substanziell höhere Besteuerung von Millionären, harte Anti-Korruptions-Gesetze, Einhegung der Macht von Wall-Street-Finanzjongleuren und eine staatlich organisierte Gesundheitsversorgung werde sich an dem Sozialgefälle in den USA nichts ändern: „Millionen von Familien können kaum atmen.“

Die „Auspressung der Mittelschicht“ müsse ein Ende haben, donnerte Warren und betonte, was sie von anderen Bewerbern unterscheide: Sie setze zur Finanzierung ihres Wahlkampfs nicht auf „big money“ von Milliardären. Sondern, wie 2016 schon Bernie Sanders, auf Kleinspenden.

Trump bezeichnet Warren als Pocahontas

Donald Trump lacht über diese Graswurzel-Strategie. Wie ernst er die blonde Brillenträgerin insgeheim nimmt, zeigt sich aber an seinem Twitter-Verhalten. Weil Warren sich vor Jahren indianische Wurzeln zuschrieb, tituliert Trump sie regelmäßig nach dem Namen einer berühmten Indianer-Prinzessin als Pocahontas. Warren hat sich mehrfach für die anmaßende Auslegung ihrer Abstammung öffentlich entschuldigt.

Was Trump aber von weiterer Häme nicht abhält. Er will so früh wie möglich ihre Glaubwürdigkeit zerstören: „Wird sie als unsere erste Präsidentschaftskandidatin der amerikanischen Ureinwohner antreten“, schrieb er am Wochenende, „oder hat sie nach 32 Jahren entschieden, dass das nicht mehr so gut läuft?“

Reichensteuer und Krankenversicherung für alle

Weil die Forderungen nach einer Reichensteuer und einer bezahlbaren Krankenversicherung in Umfragen zuletzt eine erstaunlich breite Mehrheit fanden, fischen auch viele der anderen aussichtsreicheren demokratischen Bewerberinnen und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur im Themen-Teich, den einst Sanders und Warren angelegt haben.

Ob bei der indoafroamerikanischen Senatorin Kamala Harris, dem jungen Latino Julian Castro, der unter Präsident Obama Wohnungsbauminister war, der gemäßigten New Yorker Senatorin Kirsten Gillibrand oder dem schwarzen Senator Corey Booker aus New Jersey – fast überall finden sich Spurenelemente einer dezidiert linken Programmatik.

Nur Joe Biden kann Trump vom Thron stoßen?

Das gilt auch für die Außenseiter: Andrew Yang, Unternehmer mit asiatischen Wurzeln, Tulsi Gabbard, Ex-Soldatin und Abgeordnete aus Hawaii, oder Peter Buttigieg, homosexueller Bürgermeister aus dem Bundesstaat Indiana.

Wo genau Joe Biden sich einsortieren ließe? Gegenüber Gefolgsleuten hat der weißhaarige Mann mit dem Haifisch-Lächeln bekundet, er sehe niemanden in den eigenen Reihen, der es wirklich in sich habe, den Amtsinhaber vom Sockel zu holen. Außer sich selbst.

Joe Biden, kommentieren US-Zeitungen, wäre der richtige Mann, wenn es allein darum ginge, Industriearbeiter aus Michigan oder Pennsylvania zurückzuerobern, die sich Trump 2016 mit seiner Anti-Globalisierungs-Rhetorik angelacht hat. Bei urbanen Eliten, gebildeten Frauen, aufstrebenden Latinos und Schwarzen dagegen, kurzum: bei der demografischen Zukunft Amerikas, sehe die Lage anders aus. Da gilt Joe Biden manchen als Kandidat für die Ehrennadel. Aber nicht mehr fürs Weiße Haus.