Paris. Das Pariser Rathaus spricht nach dem Protest der „Gelbwesten“ von gravierender Zerstörung. Präsident Macron will sich am Montag äußern.
Die Proteste der „Gelbwesten“ am Samstag haben in vielen französischen Städten Schäden angerichtet. Ansicht des Pariser Rathauses seien diese noch gravierender gewesen als in der Woche zuvor. „Das Spektakel, das Paris abgeliefert hat, ist katastrophal“, sagte Emmanuel Grégoire, Beigeordneter der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, am Sonntag dem Sender France Inter. „Die Gewalt war zwar weniger radikal, aber die Schäden sind wahrscheinlich noch schwerwiegender als eine Woche zuvor.“
Macron will sich an die Nation wenden
Der von der Gewalt betroffene Teil der Stadt sei viel größer gewesen als in der Vorwoche, sagte Grégoire. Weil es weniger Barrikaden gegeben habe, habe sich der Protest weiter verteilt. Paris könne nicht weiter einen Tag pro Woche derart in Gefahr gebracht werden, sagte er. Die Regierung und Macron müssten jetzt Antworten liefern, um aus der Krise herauszukommen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will sich nach neuen gewaltsamen Protesten gegen seine Reformpolitik am Montagabend in einer Rede an die Nation wenden. Ein Regierungssprecher warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen.
Macron steht zunehmend in der Kritik, weil er seit über einer Woche trotz der Proteste gegen seine Reformpolitik nicht in der Öffentlichkeit erschienen ist.
Die Stimmung am Sonntag war ruhig – ganz anders am Samstag, als die „Gelbwesten“ zu Zehntausenden demonstriert hatten. In der Hauptstadt brannten Autos und Barrikaden, die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein.
Gravierende Schäden durch Proteste der „Gelbwesten“
Zehntausende Menschen waren nach offiziellen Angaben in ganz Frankreich bei den „Gelbwesten“-Protesten auf die Straße gegangen. 10.000 Demonstranten waren es allein in Paris. Landesweit bis Samstagmittag etwa 125.000. Diese Zahl nannte Frankreichs Innenminister Christophe Castane.
Polizei griff hart durch
Die Polizei griff hart durch: In Paris gab es neuen Angaben zufolge mehr als 1700 Festnahmen. Mehr als 1220 Menschen kamen in der Stadt in Gewahrsam. 264 wurden landesweit verletzt, darunter 39 Einsatzkräfte.
Die Polizei setzte 89.000 Beamte im ganzen Land ein. In der Hauptstadt waren etwa 8000 Polizisten und andere Ordnungskräfte im Einsatz. Auch in Belgien und den Niederlanden kam es zu Ausschreitungen mit mehreren Hundert Festnahmen.
Randalierer setzen Autos in Brand
Demonstranten der „Gelbwesten“ hatten am Samstagvormittag mehrfach versucht, den Autobahnring um Paris (Boulevard Périphérique) zu blockieren, so ein Polizeisprecher. Die Sicherheitskräfte hätten die Demonstranten aber stets rasch zurückgedrängt.
Am Nachmittag spitzte sich die Lage jedoch zu. Wieder brannten Autos, Geschäfte wurden angegriffen, Demonstranten versuchten, Barrikaden zu errichten. Wie von den Behörden befürchtet suchte eine Minderheit radikalisierter Demonstranten sowie mehrere Hundert im Polizeikreisen als „professionelle Schläger“ bezeichnete rechts- oder linksextreme Chaoten die Konfrontation mit der Ordnungsmacht.
Vielerorts lag Rauch und Tränengas-Dunst in den Straßen. Demonstranten rissen auf dem Prachtboulevard der Champs-Élysées Holzbretter herunter, die Schaufenster von Geschäften schützen sollten, wie der Sender BFMTV berichtete. Einzelne Läden wurden geplündert.
Paris war am Samstag beinahe eine Geisterstadt. Geschlossen der Eiffelturm, die meisten Museen wie etwa der Louvre, Theater und öffentlichen Gebäude, geschlossen auch viele Cafés, Restaurants und Geschäfte bis hin zu den bekannten Galeries Lafayette sowie 45 Metrostationen im weitläufig abgeriegelten Zentrum.
Strenge Personenkontrollen und das Aufgebot von Polizisten und Gendarmen sollten verhindern, dass es zu ähnlichen Orgien der Gewalt wie an den beiden vorigen Wochenenden kommen konnte. Demonstranten ohne Ausweispapiere oder solche, die Gegenstände bei sich trugen, die als Waffen oder Wurfgeschosse hätten dienen können, wurden sofort festgenommen.
Schlägertrupps wurden abgeschirmt
Weil Schlägertruppen mit einer Ausnahme die gut abgeschirmten Champs-Elysées mieden und auf Nebenschauplätze auswichen, konnten sie sich nur selten unter friedfertige „Gelbwesten“ mischen und waren für die Ordnungshüter leichter zu identifizieren.
Vor allem aber ging die Bereitschafspolizei sofort und robust gegen sie vor. Versuche, Barrikaden zu errichten, wurde mit gepanzerten Räumungsfahrzeugen rasch beendet und ganz im Gegensatz zum vergangenen Samstag gelang es den Gewalttätern bis zum späten Nachmittag nicht, eine ihre Stellungen zu halten oder die Ordnungshüter in die Flucht zu schlagen.
Am vergangenen Wochenende war es ebenfalls zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, unter anderem in Paris. In der Hauptstadt lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei, Autos gingen in Flammen auf. Bei den Krawallen hatten Demonstranten unter anderem schwere Schäden am Triumphbogen verursacht.
Hunderte „Gelbwesten“ auch in anderen Ländern
Der Protest der „Gelbwesten“ hat auch in anderen Ländern Anhänger gefunden. Mehrere Hundert Menschen protestierten am Samstag bei „Gelbwesten“-Demonstrationen in den Niederlanden gegen die aus ihrer Sicht wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
Neben dem Rücktritt der Regierung des rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte forderten Teilnehmer den Austritt aus der EU, ein niedrigeres Rentenalter sowie die Aufhebung von Umweltschutzmaßnahmen, wie die Amsterdamer Zeitung „Het Parool“ berichtete.
Macron-Regierung machte Zugeständnisse
Mittlerweile ist es das vierte Wochenende in Folge, an dem die „Gelbwesten“, benannt nach den Warnwesten im Auto, protestieren.
Ursprünglich hatten sie gegen geplante Steuererhöhungen auf Sprit und Diesel demonstriert - dieses Vorhaben legte die Regierung jedoch zwischenzeitlich auf Eis und machte Zugeständnisse.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Mittwochabend angekündigt, die geplanten Steuererhöhungen für Benzin und Diesel für das Jahr 2019 außer Kraft zu setzen.
Der Protest hat sich jedoch inzwischen ausgeweitet und richtet sich nun auch gegen Frankreichs Staatschef Macron und dessen Reformpolitik.
(dpa/aba)