Rom. Die Agromafia kontrolliert in Italien die Landwirtschaft. Migranten werden grausam ausgebeutet. Zuletzt kam es sogar zu Todesfällen.

Es herrscht sengende Hitze auf den Auberginenfeldern in der italienischen Provinz Latina. In der Ebene südlich von Rom arbeiten Tausende Feldarbeiter aus Asien und Afrika. Sie beliefern ganz Europa mit Gemüse.

Der 55-jährige Singh Rupinder war einer von ihnen, er stammte aus Pakistan. Im Juli war er nach einem harten Tag auf den Feldern in seine Hütte in Bella Farnia zurückgekehrt – ein de facto selbstorganisiertes Gebiet in der Provinz Latina. Nachdem er neun Stunden lang gekauert und bei Temperaturen über 30 Grad Auberginen geerntet hatte, fühlte sich Rupinder unwohl und brach zusammen.

Sklaven in der Gemüse-Produktion: Immer wieder sterben Arbeiter in Italien

Die Männer, die mit ihm zusammenlebten, riefen Hilfe herbei: Der Pakistaner wurde in die Neurologie-Abteilung des Krankenhauses der Stadt Latina eingeliefert und operiert, starb aber nach einigen Tagen auf der Intensivstation. Rupinder hat keine Verwandten in Italien, sein Leichnam soll nach Pakistan gebracht werden. Noch ist unklar, wer sich darum kümmern wird.

Einige Tage zuvor war Naceur Messauod gestorben, ein 57-jähriger Feldarbeiter, ebenfalls aus Pakistan. Er kam ums Leben, während er für einen Euro pro Stunde Wassermelonen auf den Feldern von Montaldo di Castro in der südlichen Toskana sammelte.

Die Agromafia in Italien kontrolliert die Landwirtschaft

In Italien mehren sich solche tragischen Berichte über unterbezahlte Feldarbeiter, die unter extremen Bedingungen Gemüse und Obst ernten. Im Hintergrund zieht die Mafia die Fäden, vor allem in Süditalien. Sie kontrolliert die gesamte Produktionskette – von der Herstellung über den Transport, den Vertrieb und den Verkauf, heißt es in einem Bericht des Bauernverbands Coldiretti. Das System hat in Italien längst einen eigenen Namen: Agromafia.

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Das italienische Parlament hat 2016 ein strenges Gesetz zur Bekämpfung des sogenannten "Caporalato", der Ausbeutung von Schwarzarbeitern auf den Feldern, verabschiedet. Wer dagegen verstößt, wird mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft. Verschärfungen sind möglich, wenn Arbeiter geschlagen oder schwer bedroht wurden. Hinzu kommen mitunter Geldstrafen zwischen 500 und 1.000 Euro für jeden Schwarzarbeiter. Dieser Betrag steigt auf 2.000 Euro, wenn dir Arbeitnehmer Gewalt erlitten haben oder bedroht wurden. Für die Opfer sind Entschädigungen vorgesehen.

Italien: Gesetz gegen Ausbeutung gilt europaweit als Vorbild – wird aber oft nicht angewendet

Das Gesetz gilt europaweit als Vorbild. Doch nicht immer wird es angewendet. Das wissen auch die Carabinieri der mittelitalienischen Stadt Macerata, die vor wenigen Tagen einen italienischen Staatsbürger pakistanischer Herkunft festgenommen haben. Er soll gezielt verzweifelte Nicht-EU-Bürger rekrutiert haben – sogar aus Auffanglagern – um sie bei miserablen Löhnen, anstrengenden Schichten und ohne Schutz in der Landwirtschaft einzusetzen. 30 bis 60 Arbeiter beschäftigte er täglich auf den Feldern.

Auch in der deutschen Landwirtschaft arbeiten viele Migranten. Sie ernten häufig als Saisonkräfte Spargel oder Erdbeeren.
Auch in der deutschen Landwirtschaft arbeiten viele Migranten. Sie ernten häufig als Saisonkräfte Spargel oder Erdbeeren. © juefraphoto/iStock

Die mit dem Namen "Krankes Gemüse" eingeleitete Ermittlung zur Bekämpfung der Zwangsarbeit und Ausbeutung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft führte zur Beschlagnahme eines Agrarunternehmens. Die Feldarbeiter wurden ohne Arbeitsvertrag mit Löhnen beschäftigt, die weit unter den in den nationalen Tarifverträgen festgelegten Standards lagen. Auch Sicherheitsvorschriften wurden ignoriert – persönliche Schutzausrüstung gab es keine.

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Ausbeutung von Migranten bis ins kleinste Detail organisiert

Die Migranten arbeiteten auch bei schlechtem Wetter und ohne jegliche Gesundheitsüberwachung vom Morgengrauen bis zum späten Nachmittag. Überstunden wurden nicht bezahlt, die Feldarbeiter waren erniedrigenden Formen der Überwachung ausgesetzt. Die Menge der von jedem Team geernteten landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurde ständig kontrolliert, stellten die Ermittler fest. Der Festgenommene behielt sogar Beträge vom Lohn der Arbeitnehmer ein, die den Kosten für Verpflegung und Unterkunft entsprachen. Die illegale Tätigkeit war bis ins kleinste Detail organisiert. Angesichts der starken Nachfrage nach Arbeitskräften rekrutierte der Festgenommene Dutzende von Ausländern, vor allem pakistanischer, aber auch nigerianischer und indischer Nationalität.

"Dort, wo es keine gute Integration von Ausländern gibt, werden Männer, Frauen und manchmal sogar Minderjährige illegal und unter großer Gefahr für ihre Gesundheit beschäftigt", warnt Marco Omizzolo, Soziologe des Statistikamts Eurispes. Die Ausbeutung von Arbeitnehmern auf den Feldern betrifft auch Norditalien. In wenigen Tagen findet die erste Anhörung bei einem Verfahren wegen landwirtschaftlicher Ausbeutung in der an Österreich grenzenden Region Friaul-Julisch Venetien statt. Drei Rumänen und ein Moldawier, die in den ärmsten Regionen Rumäniens rekrutiert worden waren, wurden für 6 Euro pro Tag für die Arbeit in den Weinbergen eingesetzt.