Berlin. Brendan ist Faschist. Als das bekannt wird, verliert er Job und Freunde. Er nimmt an einer Studie teil – und die verändert sein Leben.

Sie ist nicht nur unter Ravern in Berlin als "Kuschel-Droge" bekannt: die chemische Verbindung Methylendioxy-N-methlyamphetamin, kurz MDMA. Das Rauschmittel konsumieren Partygänger gerne als Aufputschmittel, unter anderem um besonders lange zu tanzen. Andere nehmen die illegale – und potenziell lebensgefährliche – Droge wegen ihres entaktogenen Effekts: Unter dem Einfluss der Substanz kann es zu einer intensiveren Wahrnehmung der eigenen Emotionen kommen.

Auch eine stark mitfühlende Wirkung, die sich durch gesteigerte Offenheit und einem Gefühl der Verbundenheit mit anderen Personen und gesteigerte Kontaktfreudigkeit ausdrückt, gehört zum Wirkungsspektrum von MDMA.

Besonders letztere Wirkung dürfte ein Rechtsradikaler aus den USA erfahren haben, von dem die Wissenschaftsjournalistin Rachel Nuwer in einem Bericht bei der britischen BBC erzählt. Nuwer beschreibt in ihrem Text ausführlich eine einigermaßen unglaubliche Geschichte.

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Weißer Junge aus Chicago wird Faschist

Brendan, Nachname unbekannt, aus Chicago und Sohn irischer Katholiken, wird im Trump-Amerika zu einem glühenden Anhänger der rechtsnationalen Splittergruppe Identity Evropa, ein Sammelbecken für Weiße Nationalisten im Mittleren Westen.

Sein Weg in die rechtsextreme Szene beginnt früh, führt über einen konservativen Studentenbund und antisemitische Verschwörungserzählungen hinab in einen Kaninchenbau voller Rassenhass und Frauenfeindlichkeit, bis er schließlich bei den Faschisten der Identiy Evropa Anschluss findet. Er nimmt an berüchtigten Fackelmärschen teil, erklimmt immer höhere Ränge seiner Organisation, bereist Europa und die USA.

Wahrscheinlich wäre sein Abstieg weitergegangen, hätte eine Antifa-Gruppierung nicht seine Identität enthüllt. Brendan, so beschreibt es Nuwer weiter, verliert daraufhin seinen Job, seine Freunde und seine Familie – kurz: Jeder, der nicht wie Brendan weißer Nationalist ist, will nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Rechtsextreme treffen sich in Charlottesville, Virginia, zum
Rechtsextreme treffen sich in Charlottesville, Virginia, zum "Unite the Right"-Marsch, im August 2017. © IMAGO / ZUMA Press

Eine Pille verändert sein Leben

Isoliert und voller Reue surft Brendan durch das Internet und findet bei Facebook eine Anzeige. Die Universität Chicago sucht Studienteilnehmende für eine Medikamentenstudie. Aus Langeweile und für ein paar schnelle Dollar meldet sich Brendan an. Was er nicht weiß: Als Teil der Studie bekommt er eine Pille mit 110 Milligramm MDMA verabreicht. Die Dosis wird sein Leben verändern.

Nach etwa 30 Minuten setzt die Wirkung ein und Brendan beginnt, sich Fragen zu stellen. „Warum mache ich das überhaupt? Warum denke ich so, wie ich denke? Warum war es für mich jemals okay, meine Beziehungen aufs Spiel zu setzen?“ Im Lauf seines unter Aufsicht ablaufenden Trips kommt Brendan eine tiefgreifende Einsicht: Es sind die Verbindungen zu anderen Menschen, die ihm wichtig sind. Und die fehlen ihm.

Also macht sich Brendan auf zum Todfeind der Nationalisten: der Antifaschistischen Aktion Chicagos. Er nimmt Kontakt zu einem Aktivisten auf, der ihm beim Ausstieg aus der Szene helfen soll, heuert einen persönlichen Berater an, beginnt eine Therapie, liest sich durch Regalmeter antirassistischer Literatur.

Drogen sind kein Heilmittel für faschistisches Gedankengut

Der Aktivist ist überzeugt, dass Brendans Wandel dauerhaft ist. Seine Erfahrung mit der Droge MDMA seien aber nur der Ausgangspunkt für sein Wachstum gewesen, das Nachdenken über diese Erfahrung habe dann den größeren Einfluss auf den bekehrten Rechtsradikalen gehabt als der Trip an sich.

Und sein Weg ist längst nicht gegangen. Die Journalistin Nuwer trifft Brendan als einsamen Mann, der das Familienfest Thanksgiving allein verbringen muss und sich noch immer nach den Verbindungen sehnt, die ihm so fehlen. Auch seine Ideologie hat er nicht ganz abgelegt, es gebe Momente, in denen ihm antisemitische, rassistische, Gedanken kämen, berichtet er. Aber nun erkenne er, dass ihm diese Gedanken schadeten – mehr als allen anderen.

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Dabei sei ihm klar, dass keine Droge allein die Probleme der USA lösen wird oder auch nur die Weltanschauung von Weißen Nationalisten ändern kann. Viele Männer in der Szene nähmen bereits jetzt MDMA und blieben trotzdem Nazis.

Aber, die richtige Umgebung und das richtige Mindset vorausgesetzt, könne die Substanz Menschen helfen, die zumindest offen gegenüber der Idee sind, ihre Ansichten zu ändern. „MDMA hat mir geholfen, die Dinge in anderem Licht zu sehen.“ Für ihn sei der Trip definitiv ein Durchbruch gewesen.