Madison/Göttingen/Marburg. Der Klimawandel bedroht die deutschen Wälder. Forschende aus den USA haben nun eine Art Baum-Impfung entwickelt. Ist das die Lösung?

Dem deutschen Wald geht es nicht gut. Das zeigt eine Erhebung des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für das Jahr 2022. Auch in den Jahren davor offenbarten sich bereits sichtbare Schäden: Lichte Kronen und absterbende Bäume. Bei den häufigen Arten Buche, Eiche, Kiefer und Fichte sind vier von fünf Pflanzen betroffen.

Schuld ist hauptsächlich die vermehrte Trockenheit und Hitze – verursacht durch den Klimawandel. Forscherinnen und Forscher haben nun eine Methode entwickelt, wie Bäume widerstandsfähiger gegen die Klimaveränderungen werden könnten: Eine Art Impfung soll helfen. Was hat es damit auf sich?

Bäume im Klimastress: Darum sind die Wälder bedroht

Expertinnen und Experten diskutieren schon länger darüber: Wie geht man mit den vom Klimawandel bedrohten Wäldern um? Das Problem gibt es nicht nur in Deutschland, weltweit sind Pflanzen von den klimatischen Veränderungen betroffen und müssen sich daran anpassen. Insbesondere Bäume, die über Jahrzehnte wachsen, schaffen das nicht so schnell.

"Der Wald bekommt gerade von vielen Seiten Druck", sagt der Landschaftsökologe Martin Wilmking von der Universität Greifswald. Beispiel Fichte: Die trockenen Jahre 2018 bis 2020 haben den Bäumen massiv zugesetzt und den massenhaften Befall durch Borkenkäfer begünstigt. Zumal die Art jenseits ihrer natürlichen Standorte gepflanzt wurde, in Monokulturen, wie Wilmking betont.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland schreibt in einem Artikel von einem "zunehmenden Druck" auf den Wald und führt neben dem Klimawandel auch die gestiegene Nachfrage nach Holz für die Energiegewinnung an. Plötzlich würde es sich lohnen, auch Bäume zu fällen, die früher kein Förster angerührt hätte. Außerdem sei die Belastung von Stickstoff aus der Landwirtschaft und dem Verkehr ein fortwährendes Problem.

Impfungen für Bäume? Forschende prüfen die Methode

Um gegen das Waldsterben anzukämpfen und den Wald an das Klima der Zukunft anzupassen, haben Expertinnen und Experten schon seit einigen Jahren verschiedene Ideen. Etwa auf andere Baumarten umzusteigen, die schnell Holz liefern und trotzdem besser in Trockenheit überleben. Ein Beispiel wären Douglasien. Wie nachhaltig das allerdings ist, bleibt abzuwarten.

Eine weitere Option: Bäume über eine Art Impfung mit Mikroorganismen ausstatten. Eine US-Forschungsgruppe berichtet im Fachblatt "Science" von ihrer Erkenntnis, dass Mikroorganismen – insbesondere Pilze und Bakterien – im Boden dafür sorgen könnten, dass die Bäume mehr Trocken-Stress aushalten könnten und widerstandsfähiger würden.

In der Studie prüfte das Forschungsteam mit verschiedenen Experimenten über drei Jahre, wie Baumsetzlinge in diversen Arealen der US-Staaten Illinois und Wisconsin sowohl im Freien als auch in Gewächshäusern auf Bodenproben mit Mikrobengemeinschaften reagierten und wie sie unter Einfluss dieser wuchsen. Dabei wurden mitunter auch Birken, Eichen, Linden und Ahorn beobachtet. Das Ergebnis: Bringt man Bäume mit dürreerfahrenen Mikrobengemeinschaften in Kontakt, dann überleben sie in einem trockenen Klima eher. Auch nach drei Jahren waren die Bodenbewohner bei den Pflanzen noch nachweisbar.

"Verbindungen mit speziellen Mikrobengruppen können entscheidend dazu beitragen, dass sich Pflanzenpopulationen an extreme Umgebungen anpassen", schreibt die Gruppe um Cassandra Allsup von der University of Wisconsin in Madison. "Das Verständnis der mikrobiell vermittelten Klimatoleranz kann unsere Fähigkeit verbessern, Wald-Ökosysteme an ein verändertes Klima anzupassen."

Forschende untersuchen Pilz – so könnte er helfen

Einen Mikroorganismus hatten die Forscherinnen und Forscher besonders im Blick: Den Mykorrhiza-Pilz. Der Pilz dringt in die Wurzeln der Pflanzen ein und bildet eine Symbiose. Das funktioniert so: Die Pilze versorgen die Bäume mit Wasser und Nährstoffen und beziehen im Gegenzug Kohlenstoff von ihrem grünen Mitbewohner. Zudem können die Pilze schneller auf Klimaveränderungen reagieren.

"Diese Resultate deuten an, dass Mikrobengemeinschaften von Böden und Wurzeln für Wälder einen Weg zu mehr Klimatoleranz bieten können", schreibt die Gruppe. Das gelte zumindest für Wälder der gemäßigten Breiten. Wie übertragbar dies auf andere Ökosysteme sei, müsse aber noch geprüft werden. Auch könnte man die Mikrobengruppen nicht in einem riesigen Maßstab auf die bestehenden Wälder anwenden.

Bäume mit Mikrobengruppen impfen: Das halten Experten von der Studie

Ob die Art Impfung von Bäumen mit Mikroorganismen wirklich die Lösung für die Zukunft ist? Vieles ist noch nicht ausreichend untersucht. In einem "Science"-Kommentar schreibt Michelle Afkhami von der Universität Miami, Bodenmikroben könnten eine Strategie bieten, die Widerstandsfähigkeit von Wäldern gegenüber dem Klimawandel zu stärken. Allerdings müsse man vorher im Detail klären, worauf der Effekt genau beruhe.

Auch Andrea Polle von der Universität Göttingen sagt: "Die Mikroorganismen scheinen einen positiven Effekt zu haben." Jedoch zeige die Studie nur eine Wirkung für drei Jahre und das reiche nicht aus: "Dann sind Bäume gerade erst den Babyschuhen entwachsen". Die Baumphysiologin merkt an, dass das Verständnis um die Mechanismen hinter dem Effekt fehle: "Was wirklich passiert, wissen wir nicht."

Welchen Einfluss etwa Bakterien in den Bodenproben auf den beobachteten Effekt hatten, blieb in der Studie offen – das Forschungsteam habe laut Polle nur auf Pilze geschaut. Um wirklich sagen zu können, ob die "Impfungen" von Mikrobengemeinschaften dem Wald helfen könnten, brauche man eine belastbare Evidenz, dass die Methode den Bäumen auch langfristig bei der Anpassung an den Klimawandel hilft, so Polle. Die Studie zeige zudem nur einen Effekt bei bestimmten Baumarten wie Ahorn, Kirsche und Esche. Die seien in deutschen Wäldern bislang nicht sehr häufig. (emi/dpa)