Berlin. In ganz Europa sind multiresistente Tuberkulose-Erreger bei Flüchtlingen nachgewiesen worden. Ein Warnsystem verhinderte Schlimmeres.

Schweizer Wissenschaftler haben bei mehreren Flüchtlingen multiresistente Tuberkulose-Erreger nachgewiesen. Wie die Universität Zürich mitteilt, sei der Keim der gefährlichen Lungenkrankheit zunächst bei einem somalischen Asylbewerber im schweizerischen Aufnahmelager von Chiasso im Februar 2016 festgestellt worden. Später sei der gleiche Erreger dann auch bei anderen Flüchtlingen gefunden worden.

Eigentlich seien resistente Tuberkulosekeime für die Wissenschaftler vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien (NZM) keine große Besonderheit, wie es in der Mitteilung heißt. Doch der gefundene Erreger weise eine „neuartige Kombination von Resistenzen gegen vier verschiedene Antibiotika auf, die noch nie beschrieben worden war“, sagt der Entdecker des Erregers, Peter Keller, vom NZM.

Wo liegt der Ursprung des Tuberkulose-Erregers?

In den Folgemonaten sei der gleiche multiresistente Keim dann bei weiteren Patienten festgestellt worden. Von Februar bis November 2016 hätten ihn Mediziner bei acht Flüchtlingen gefunden, die aus Ländern am Horn von Afrika nach Europa gelangt seien. Konkret handele es sich dabei um Somalia, Eritrea und Dschibuti.

Die Patienten seien sofort nach dem Befund isoliert worden. Es habe keine Übertragungen auf andere Personen gegeben, heißt es. Zudem meldete ein deutsches Labor in Borstel bei Hamburg, dass sie das Bakterium mit derselben auffälligen Struktur gefunden hätten.

Weitere Fälle in ganz Europa

Das Warnsystem in Europa funktionierte dann offenbar erfolgreich: Nachdem die Schweizer und Deutschen ihre europäischen Kollegen gewarnt und ihnen über das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) molekularbiologischen Daten zum Erreger zur Verfügung gestellt hätten, seien Wissenschaftler bis zum April 2017 in Europa auf insgesamt 21 weitere Fälle gestoßen.

Davon seien allein 14 in Deutschland gefunden worden, wie das Fachmagazin „Lancet“ schreibt. Bei ihnen konnte derselbe multiresistente Tuberkulose-Erreger nachgewiesen werden. Auch hier seien die Betroffenen hauptsächlich aus Ländern am Horn von Afrika oder aus dem Sudan gekommen.

Katastrophale Zustände in Libyen

Bis zum Juli 2017 sei der Tuberkulose-Erreger dann noch bei vier weiteren Flüchtlingen in Deutschland und einem in Italien diagnostiziert worden. Doch die Forscher geben Entwarnung: Durch die schnelle Warnmeldung aus der Schweiz und Deutschland sei eine Ausbreitung rechtzeitig verhindert worden. „Der außerordentliche Fall hat zum Aufbau einer europäischen Warnorganisation für gefährliche Tuberkuloseerreger geführt“, sagt Keller weiter.

Inzwischen sei es den Forschern gelungen, den Weg des Erregers zu rekonstruieren. Offenbar liege sein Ursprung im Flüchtlingslager Bani Walid in Libyen, in dem katastrophale Zustände herrschen sollen. „Das überfüllte Lager rund 180 Kilometer südöstlich von Tripolis ist berüchtigt für seine unhygienischen und menschenunwürdigen Verhältnisse“, heißt es in der NZM-Mitteilung.

Ursprung liegt wohl in Somalia

Mehrere der Flüchtlinge seien auf ihrem Weg nach Europa hier zeitweilig untergekommen. Wie das Bakterium dorthin gelangt sei, können die Forscher nicht mehr mit Sicherheit sagen. Sie vermuten, dass sein Ursprung im Norden von Somalia liegen könnte.