Peine. Eine Mutter mit fünf Kindern ist verzweifelt auf der Suche nach einer Wohnung – doch es fehlt im Kreis Peine an bezahlbarem Wohnraum für Familien.

Viele Kinder wünschen sich zu Weihnachten eine Murmelbahn, ein neues Fahrrad, eine Spielekonsole oder ein Handy. Das Funkeln in den Augen der Kleinen am Heiligabend ist groß, wenn die Wünsche tatsächlich in Erfüllung gehen. Bei fünf Kindern aus dem Landkreis Peine jedoch gibt es in diesem Jahr keinen Wunschzettel. Materielle Wünsche wie Spielzeug haben sie nicht. Ihr einziger Wunsch: Endlich eine eigene Wohnung. Mehr nicht. Nur endlich eine Wohnung finden, die eigenen vier Wände, Platz zum Spielen, Privatsphäre, einen Rückzugsort und Freiheit. Da sind sich die Kinder von Mareike M. einig. (Name von der Redaktion geändert.)

Rückzugsorte gibt es für die Familie nicht

Die alleinerziehende Mutter ist vor knapp einem halben Jahr in eine schwierige Lage geraten. Unverschuldet musste sie gemeinsam mit ihren Kindern die angemietete Wohnung verlassen. Ein Schock. Die zunächst einzige Lösung: bei Freunden Unterschlupf suchen. Eine Lösung, die nur übergangsweise, für einige Wochen, gedacht war. Zwei kleine Räume im Keller von Freunden nennen sie aktuell ihr Zuhause. Bad und Küche werden mit der anderen Familie geteilt. Rückzugsorte, Schreibtische zum Lernen, Platz zum Spielen gibt es nicht. Seit nunmehr fast sechs Monaten leben Mareike M. und ihre Kinder nun schon in dieser prekären Situation.

„Was das Belastendste an der aktuellen Situation ist? Das ist wohl die schwerste Frage“, sagt Mareike M: „Wir geben uns alle Mühe, machen es uns so schön wie möglich, nehmen Rücksicht und sind dankbar, dass wir hier einen Unterschlupf gefunden haben.“ Die fünffache Mutter versucht die belastenden Umstände von ihren Kindern fernzuhalten. Und obwohl sie mit Herzenswärme und Kreativität alles dafür tut, dass der kleine Platz im Untergeschoss für ihre Familie zumindest für wenige Momente den Raum gibt, den jedes Mitglied gerade braucht, ist es auf lange Sicht eine unlösbare Aufgabe, den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. Denn die Bedürfnisse der Kinder könnten unterschiedlicher kaum sein. Das Kleinste gerade einmal zwei, das Älteste 15 Jahre alt – mitten in der Pubertät. Zwei Kinder haben zudem eine Lerneinschränkung. Das bedeutet, dass sie viel Unterstützung, eine klare Struktur im Alltag und viel Ruhe zum Lernen brauchen.

Caritasverband Peine berät Familien in schwierigen Notlagen

Beim Auszug aus der alten Wohnung musste Mareike M. mit ihren Kindern das vertraute Leben hinter sich lassen. Möbel und Spielzeug verschenkte die Familie notgedrungen, da es keine Möglichkeit gab, alles mitzunehmen. Nur das Nötigste besitzt die sechsköpfige Familie noch. Gemeinsam schläft sie nun in einem Kellerraum auf einem Matratzenlager. In dem anderen Zimmer bewahren sie die wenigen Habseligkeiten auf, die ihnen geblieben sind. „Das ist wirklich kein Zustand, in dem die Familie gerade lebt“, betont auch Margret Borsum. Sie ist Sozialarbeiterin bei der Schwangeren- und Familienberatung des Caritasverbandes in Peine und berät und hilft Familien, die sich in Notlagen befinden. „Die Mutter gibt wirklich alles. Sie hat vieles probiert, bewirbt sich auf fast jede zumutbare Wohnung, selbst wenn es nur drei Zimmer sind. Doch alle Bemühungen waren bisher vergebens – dabei wird die Miete sogar vom Jobcenter übernommen. Sicherer geht es eigentlich nicht“, sagt Borsum ungläubig.

Bezahlbarer Wohnraum für Familien im Kreis Peine ist Mangelware

Auch wenn der Fall von Mareike M. besonders tragisch sei, es gäbe viele Familien in Peine, die ein ähnliches Schicksal teilen. „Es fehlen in unserem Landkreis einfach größere Wohnung für Familien mit Kindern, die dann auch noch bezahlbar sind“, betont die Mitarbeiterin der Caritas. Ein weiteres Problem seien aber auch die Vermieter: „Selbst, wenn sie es nicht direkt sagen, Familien mit Kindern werden bei der Vergabe einer Wohnung häufig nicht berücksichtigt, weil die Kinder unerwünscht sind. Die Angst, dass die Wohnung verwohnt werden könnte ist dann zu groß. Das ist schlimm.“

Befinden sich die Familien in einer Notsituation und finden in der knappen Zeit keine neue Wohnung, komme es häufig zur versteckten Wohnungslosigkeit – kein unbekanntes Phänomen für die Mitarbeiter der Caritas. „Das ist ein riesiges Problem. Familien finden dann zwar zunächst Unterschlupf bei Freunden oder Verwandten, doch die Last, die sie auf ihren Schultern tragen, wird damit immer größer“, sagt Borsum und ergänzt: „Häufig wollen sie sich niemandem anvertrauen, das soziale Netz reißt, die Unterstützung bleibt aus. Es geht häufig nur darum, nicht aufzufliegen und die Lebenssituation, in der sie sich befinden, zu verheimlichen - aus Scham.“

Corona-Pandemie verschlimmert die Situation vieler Familien

Im Laufe des Jahres 2018 waren in Deutschland 678.000 Menschen ohne Wohnung. Diese Zahlen gab die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) im November 2019 heraus. Wohnungslos sind laut BAG W Personen, die in Notunterkünften, ohne Mietvertrag, in Frauenhäusern oder vorübergehend bei Freunden und Verwandten untergebracht sind sowie Personen, die ohne jegliche Unterkunft sind. Dies beschreibt tragische Situationen, aus denen die Betroffenen meist nur durch Unterstützung von außen herausfinden.

Auch die Kinder von Mareike M. haben mit der Situation zu kämpfen. Sie möchten sich nicht offenbaren, haben Angst, von Mitschülern oder Lehrern stigmatisiert zu werden. Die Corona-Pandemie habe die Situation noch verschlimmert. Mareike M. müsse nun alles noch besser und vor allem vorausschauender planen. Gerade die zusätzlichen Corona-Einschränkungen gelte es zu beachten. Förderangebote für die Kinder wahrnehmen, gemeinsam Hausaufgaben machen und Wohnungsbesichtigungen unter einen Hut zu bekommen, bedeutet einen enormen Kraftakt für die Mutter, die bei der Organisation des Familienalltags auf sich alleine gestellt ist.

Hilfe und Beratung erfolgt in Peine vertraulich

Sich Hilfe zu suchen, war auch für Mareike M. kein leichter Schritt, sie sagt: „Es hat auf jeden Fall Überwindung gekostet, sich Unterstützung zu suchen, jemandem von unserer Situation zu erzählen und die Hilfe dann auch in Anspruch zu nehmen.“ Sie ist über die Stiftung „Familie in Not“ auf das Angebot der Schwangeren- und Familienberatung der Caritas in Peine aufmerksam geworden. „Das Vertrauen gegenüber Frau Borsum war sofort da. Ich war dann so erleichtert, glücklich und froh diesen Schritt gegangen zu sein und bin sehr dankbar, dass es diese Hilfe gibt“, beschreibt die fünffache Mama.

Das Angebot der Schwangeren- und Familienberatung des Caritasverbandes Peine richtet sich an Alleinerziehende oder Eltern mit Kindern unter drei Jahren. Die Anlaufstelle berät über Hilfsmöglichkeiten, findet gemeinsam Lösungen für die vorhandenen Fragen und Schwierigkeiten, stellt gemeinsam mit den Eltern Anträge und hilft damit auch in finanziellen Notlagen. Die Hilfe und Beratung erfolgen vertraulich, kostenfrei und auf Wunsch anonym, unabhängig von Nationalität und Religionszugehörigkeit. Zu vielen Familien habe Borsum ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Je nach Problemlage treffe sie sich mit den Familien mal regelmäßiger, mal in einem etwas lockereren Austausch.

Familie sucht weiterhin nach einer bezahlbaren Wohnung

„Frau M. ist eine starke Frau, das habe ich nach den ersten Treffen schnell festgestellt“, betont Borsum. „Sie hat sich nie über ihre Situation beschwert, lässt den Kopf nicht hängen und kämpft wie eine Löwin für ihre Kinder.“ Woher sie diese Kraft nimmt? „Ich habe fünf wunderbare Kinder, die mir unendlich viel Kraft geben. Ich glaube fest daran, dass wenn wir zusammenhalten, den Kopf nicht hängen lassen, wir auch diese schwierige Situation meistern und hoffentlich bald ein schönes Zuhause finden werden“, erklärt Mareike M.

Wer der Familie helfen möchte und eine zumutbare Wohnung oder ein Haus für etwa 1000 Euro zuzüglich Heizkosten im Monat vorzugsweise im Landkreis Peine vermieten möchte, kann sich direkt an Margret Borsum, Sozialarbeiterin bei der Caritas in Peine unter: borsum@caritaspeine.de wenden. Aufgrund der Weihnachtsfeiertage kann die Rückmeldung ein paar Tage dauern.

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Das Thema recherchierte Ida Wittenberg
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