Hannover. Im Revier des sogenannten Rodewalder Rüden stehen sich schon länger Wolfsgegner und Wolfsfreunde erbittert gegenüber.

Im Frühjahr acht Wolfswelpen, mehrfach gerissene Schafe und im Sommer zwei tödliche Angriffe auf Ponys: Seit sich ein Wolfsrudel im Burgdorfer Holz nahe Hannover angesiedelt hat, sind viele Menschen in den umliegenden Ortschaften beunruhigt. „Ich kann die Betroffenheit der Tierhalter verstehen“, sagt Wolfsberater Thomas Behling. Der 62-Jährige versucht, über den Wolf aufzuklären und irrationale Ängste zu nehmen. Seit fünf Jahren ist der hauptamtliche Revierförster einer von inzwischen etwa 140 Wolfsberatern in Niedersachsen. Das Ehrenamt beansprucht ihn zunehmend.

Schafe werden mutmaßlich von Wölfen getötet

Erst in der vergangenen Woche musste Behling mehr als 20 mutmaßlich vom Wolf getötete und verletzte Schafe dokumentieren - das heißt Protokollbögen ausfüllen, fotografieren, DNA-Proben nehmen und verschicken. „So eine Geschichte dauert einen halben Tag“, erzählt er am „Großen Stern“, wo sich Feld- und Waldwege sternförmig treffen. Reiter, Mountainbiker und Spaziergänger sind an diesem Nachmittag unterwegs. Spaziergänger hatten die totgebissenen Schafe auf einer Weide wenige Kilometer von hier entfernt gemeldet, ihr hochbetagter Besitzer lag im Krankenhaus. Schon mehrfach hatten Wölfen die Herde des Hobby-Halters angegriffen, wolfsabweisende Zäune hat der Mann allerdings nie errichtet.

Verhalten von Rehen ein Indiz für Wolfs-Ansiedlung

Mit seinem Hund Paul, einer Slowakischen Schwarzwildbracke, ist Behling beinahe täglich im Burgdorfer Holz unterwegs. Wölfe hat er dort bisher erst selten und nur aus der Ferne gesehen. Allerdings merke man dem Rehwild an, dass sich das Rudel angesiedelt habe. „Es ist deutlich schwieriger zu beobachten und meidet offene Flächen.“

Zwar seien die Pferderisse Einzelfälle, jedoch müsse sich das Land Niedersachsen überlegen, wie es mit der wachsenden Wolfspopulation umgeht, meint der Wolfsberater. Seit Monaten wird an einer neuen niedersächsischen Wolfsverordnung gearbeitet, die den Abschuss auffälliger Tiere erleichtern soll. Umweltminister Olaf Lies (SPD) plädierte zuletzt für eine Obergrenze von maximal 500 Wölfen.

In Deutschland gibt es immer mehr Wölfe

Die Anzahl an nachgewiesenen Wolfsterritorien wächst in Deutschland um rund 32 Prozent jährlich. Ende August gab es in Niedersachsen laut Landesjägerschaft 35 Wolfsrudel.

Acht Welpen nahm eine Wildkamera im Burgdorfer Holz auf. Forscher der Tierärztlichen Hochschule Hannover betreuen sie - und erlebten am Mittwoch eine böse Überraschung: Sie fanden an den gut verborgenen Standorten nur noch durchtrennte Drähte und Schlösser, die Geräte waren gestohlen.

Aktivisten zerstören Forschungsmaterial

„Für uns Wissenschaftler ist es extrem frustrierend, dass so unser Projekt beendet wird“, sagt Friederike Gethöffer, die zu den Wanderbewegungen und der Ernährung der niedersächsischen Rudel forscht. Zwar sei es bisher nicht gelungen, die intelligenten Raubtiere zu fangen und mit Sendern auszustatten, aber mit Hilfe der Kameras habe man viele Daten sammeln können. Gethöffer vermutet, dass Medienberichte für die Zerstörung der Fotofallen den Ausschlag gaben. Darin seien die jüngsten Schafsrisse mit dem Welpen-Video in Zusammenhang gebracht worden. Die Forscher wollen Anzeige erstatten.

Auch in anderen Revieren seien schon Kameras zerstört worden, sagte der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Niedersachsen, Raoul Reding. Er vermutet „extremistische Wolfsschützer“ hinter den Sabotagen. Auch im Revier des sogenannten Rodewalder Rudels habe es Störer gegeben. Dort war mit einer Ausnahmegenehmigung monatelang erfolglos der Leitwolf gejagt worden, weil er wolfsabweisende Zäune überwunden und Rinder und Pferde angegriffen hatte. „Wir sammeln mit den Kameras Daten über die Wölfe, damit wir eine vernünftige Grundlage haben, die Bevölkerung aufzuklären“, sagt Reding.

Wolfsberater Behling bedauert ebenfalls, dass die Forschung mit der Zerstörung der Kameras unterlaufen wird. Er setzt darauf, bei Veranstaltungen aufzuklären, auch wenn er dazu im Moment wenig Zeit hat. In seinen Vorträgen vergleicht der Forstwissenschaftler den vermeintlich blutrünstigen Wolf mit dem Fuchs oder der Schleiereule. Auch ein Fuchs richte ein „Blutbad“ im Hühnerstall an, sagt Behling. Und die hübsch anzuschauenden Schleiereulen fräßen in mäusearmen Jahren sogar ihre Küken - angefangen mit dem schwächsten. dpa