Hannover. Die Klimakrise, die Zukunft der Landwirtschaft oder der Wohnungsmangel drängten ohnehin schon, hinzu kommt jetzt die Corona-Krise. Was sind die Pläne?

Unter dem Eindruck der Corona-Krise haben SPD und CDU in Niedersachsen zur Halbzeit der großen Koalition eine erste Kursbestimmung für die zweite Hälfte der Regierungszeit vorgenommen.

Die Herausforderung sei, den Neustart der Wirtschaft sowie bestehende Themen wie den Klimawandel und die Zukunft der Landwirtschaft gleichermaßen anzugehen, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer bei der Vorlage einer Zwischenbilanz am Mittwoch in Hannover.

Es gehe darum, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, ohne sich kaputt zu sparen, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder. Angesichts nötiger Konjunkturprogramme müsse man die Schuldenbremse neu definieren.

„Vieles, was noch auf der Agenda stand, wird ganz neu bewertet werden müssen“, betonte Toepffer. In der Agrarpolitik werde die Versorgungssicherheit einen anderen Stellenwert bekommen, außerdem müsse man sich um die Umstände der Fleischproduktion Gedanken machen. Bei der medizinischen Versorgung stehe das flächendeckende Krankenhausnetz mehr als zuvor im Fokus. „Wir müssen eine ehrliche Debatte darüber führen, wie unsere Wirtschaft eigentlich aussehen soll.“

Eine Kursbestimmung sei wie bei der Automobilindustrie auch für den Tourismus nötig. Niedersachsen könne vom erwarteten Trend hin zu mehr Urlaub im eigenen Land profitieren, die Tourismusförderung müsse darauf ausgerichtet werden.

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Mit Blick auf die riesigen Finanzlöcher in Folge der Krise kündigten die Fraktionschefs an, auf die bislang in Erwägung gezogene weitere Angleichung der Lehrerbesoldung sowie ein Weihnachtsgeld für Pensionäre verzichten zu wollen. Zunächst nicht abrücken wollen beide von ihrem Gesetzentwurf zur Änderung von Vorschriften für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Dieser sieht vor, dass das Fachministerium eine Beteiligung von Pflegekräften an den Maßnahmen „zur Bekämpfung der bedrohlichen übertragbaren Krankheit“ anordnen kann.

Wie Modder sagte, gehe es darum, wenn es in einer Krisensituation knapp wird, Kräfte rekrutieren zu können. Als Beispiel nannte sie Hausärzte, die sich jetzt gegen Ende des Quartals hätten weigern können, weitere Patienten über ihr Budget hinaus zu behandeln.

Modder: In zweieinhalb Jahren viel erreicht

Dirk Toepffer (CDU) und Johanne Modder (SPD), Fraktionsvorsitzende ihrer Parteien im Landtag, sitzen bei einer Presskonferenz im Landtag. Die niedersächsische SPD/CDU-Landesregierung hat eine Halbzeitbilanz gezogen.
Dirk Toepffer (CDU) und Johanne Modder (SPD), Fraktionsvorsitzende ihrer Parteien im Landtag, sitzen bei einer Presskonferenz im Landtag. Die niedersächsische SPD/CDU-Landesregierung hat eine Halbzeitbilanz gezogen. © dpa | Julian Stratenschulte

„Ich glaube, dass wir in den zweieinhalb Jahren viel erreicht haben“, sagte Modder. Toepffer lobte den aus seiner Sicht guten Politikstil in der Koalition. „Corona war im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen“, meinte er. „Was man hätte vorhersehen können, war die Debatte um den Klimawandel.“ Die bevorstehenden Herausforderungen ließen die Koalition zusammenrücken, für einen vorgezogenen Wahlkampf sei kein Raum. Die Frage einer Fortsetzung der Koalition ließen beide offen.

Kritik von Grünen, FDP und AfD

„Selten war die politische Zwischenbilanz einer Regierungskoalition so uninspiriert und ohne große Ambitionen und zupackenden Gestaltungswillen für Niedersachsen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg. „Klimakrise, soziale Spaltung, Angriffe auf die Demokratie von rechts – diese zentralen Probleme werden allenfalls angetippt oder ausgeblendet.“

FDP-Fraktionschef Stefan Birkner warf der Koalition Visionslosigkeit vor. „In der Krise erleben wir die Auswirkungen dieser Ideenlosigkeit: Die Mängel in der Digitalisierung sind offensichtlich, die Unterrichtsversorgung kann ebenfalls nicht sichergestellt werden und auch eine Aufgabenkritik in der Verwaltung ist ausgeblieben.“ Nun müsse der Fokus auf dem wirtschaftlichen Aufschwung und auf Steuererleichterungen liegen.

Der AfD-Abgeordnete Stefan Henze warf der Landesregierung eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Es sei viel zu wenig getan worden, um das Flächenland abseits der Ballungsräume voran zu bringen. Es sei zu wenig in die Infrastruktur und Digitalisierung investiert worden, die kleinen und mittleren Unternehmen seien in Stich gelassen worden. „Gemeinsam mit den Kommunen forcierte Standortpolitik wäre die Antwort für Niedersachsens Zukunft“, sagte Henze.

Wirtschaft und Gewerkschaften pochen auf mehr Investitionen

Wirtschaft und Gewerkschaften stellten der Landesregierung ein respektables Zwischenzeugnis aus, pochen aber auf mehr Investitionen. Nötig sei jetzt eine nachhaltige Belebung der Wirtschaft, forderten sowohl die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der DGB-Landesvorsitzende Mehrdad Payandeh forderte eine Stärkung der Wirtschaft, der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Dienstes. UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller verlangte bessere Rahmenbedingungen, die die Erholung der Wirtschaft erleichterten.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warf der Koalition eine Vernachlässigung des Bildungswesens vor. Lehrer fehlten, seien überlastet und würden nicht angemessen bezahlt. Wenn die Anpassung der Besoldung jetzt ausgesetzt werden solle, werde die Gewerkschaft entschiedenen Widerstand leisten. /dpa

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