Jahrtausendwende 1999/2000, Hamburg, Jungfernstieg: Abi in der Tasche, Studium begonnen, erste eigene Wohnung. Was kostet die Welt? So dachte ich damals, als es um die Frage ging, dieses besondere Silvester zu begehen. Also fuhr ich mit Freunden in die Freie und Hansestadt – zurück kam ich geläutert und mit einer verbogenen Brille. Ein Böller hatte mich getroffen. Zum Glück einer, der nicht zündete. Nie wieder habe ich seitdem im öffentlichen Raum, zusammen mit Millionen auf der Straße das neue Jahr begangen. Wieso hatte ich Zivildienst gemacht, wenn ich mich freiwillig in ein Kriegsgebiet begebe, dachte ich im Nachhinein? Es war mir eine Lehre.

Die Debatte, ob es in Deutschlands Innenstädten ein generelles Böller-Verbot geben sollte, ist natürlich eine typisch deutsche. Gibt es keine größeren Probleme in diesem Land, keine sich aufdrängerenden Themen? Es gibt sie. Und dennoch besteht eine Berechtigung, dass dieser Streit geführt wird. Polizisten melden seit Jahren, dass in der Silvesternacht ohne Sinn und Verstand geballert wird. Einsatzkräfte sind im Dauereinsatz. Und Ärzte müssen abgerissene Gliedmaßen wieder zusammenflicken, wenn es noch was zu flicken gibt. Dass diese Zwischenfälle auch auf jeder Dorfstraßen passieren können, versteht sich von selbst. Aber dort, wo Massen, mitunter sturzbetrunken, loslegen wie die sprichwörtliche Feuerwehr, ist diese oft nicht weit. In diesen Gemengelagen potenziert sich die Gefahr für Leib und Leben.

Die Stadt Hannover hat jetzt für die Silvesternacht an ausgewählten Plätzen ein Böller-Verbot angekündigt, das von der Polizei und Ordnungsamt kontrolliert wird. Sie argumentiert mit Vorfällen der vergangenen Jahre und der zu gewährleistenden allgemeinen Sicherheit, die auch in dieser Nacht nicht außer Kraft gesetzt werden darf. Nur dieses Argument darf aus meiner Sicht ins Feld geführt werden, wenn für ein Böller-Verbot in Deutschlands Innenstädten geworben wird. Wem es zu laut ist, wer Angst vor einer Feinstaub-Überdosis anführt oder den verschreckten Dackel vorschiebt, um anderen Menschen den Spaß an Silvester zu nehmen, ist nicht ehrlich. Denn es gibt 364 Tage im Jahr, an denen die Möglichkeit besteht, sich für eine Verbesserung der Situation einzusetzen.

Natürlich ist das Böllern an Silvester zu einem liebgewonnen Ritual geworden. Doch es bedarf manchmal eines drastischen Schritts, um einen Sinneswandel einzuläuten. Städte könnten ihren feierwütigsten Bürgern einen Kompromiss anbieten. Statt die Innenstädte zu knallkörperfreien Zonen zu machen, könnte die Verwaltung Plätze sperren, um dort, kontrolliert von Experten, Raketen zu zünden. Es wäre ein Angebot an die, die ohne Knalleffekt und Himmelsleuchten nicht leben wollen.