Frankreich führt im September ein Handyverbot in Schulen ein. Es gilt für Kinder und Schüler zwischen 3 und 15 Jahren und ist das schärfste Gesetz, das es europaweit gibt. Nun wird auch in Deutschland über den Sinn eines solchen Gesetzes diskutiert. Wer das Gesetz als weltfremd bezeichnet, muss sich selbst hinterfragen. Muss die permanente Jagd nach Informationen, das ewige Streben nach Erreichbarkeit nicht auch Grenzen besitzen? Das muss es – für mich verläuft diese Grenze vor der Tür zum Klassenzimmer. Damit soll der notwendigen Debatte um Digitalisierung in Deutschland nicht ihre Berechtigung genommen werden. Es ist keine Frage, dass die Digitalisierung neben dem Weg in deutsche Unternehmen auch den Weg in die Wissenschaft finden muss – und damit auch in unsere Schulen.

Aber bitte integriert im Lehrplan! Ein Fach, das sich beispielsweise mit Mediennutzung beschäftigt, könnte das leisten. Die politisch forcierte Digitalisierungsoffensive darf aber kein Freifahrtsschein für Schüler sein, die sich nun ganz offen im Unterricht und legal der Beantwortung ihrer neuesten Freundschaft- oder Followeranfragen widmen können.

Die Landesmedienanstalt in Niedersachsen hat vollkommen Recht, wenn sie sagt, dass zur Medienkompetenz auch gehöre, mal den Stecker zu ziehen und in den Status „offline“ zu wechseln. Die Eltern verlassen sich auf die Vermittlung von Schulwissen in der Zeit, in der die Schulen die Aufsichtspflicht für ihre Kinder haben. Sie pochen auch darauf, wenn beim letzten Elternsprechtag so gar nicht von erfüllten Erwartungen an den Nachwuchs die Rede war. Wie lautet der Satz des Pythagoras? Wann wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet? Wer schrieb die „Glocke“? Wie funktioniert eigentlich Photosynthese? Alles Fragen, die auch ohne Handy beantwortet werden wollen.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne will keine Reglementierung, stattdessen mehr Eigenverantwortung der Schulen. Das Handy solle als Lernwerkzeug genutzt werden. Klingt erstmal gut. Wer das fordert, muss aber auch die Rahmenbedingungen für eine verstärkte digitale Wissensvermittlung schaffen und die Lehrer entsprechend ausbilden.

Am Ende hilft eine handyfreie Schule zuallererst denen, für die sie eingerichtet würde. Den Schülern. Sie würden wieder lernen, zu argumentieren und notfalls ihre Meinung jemandem auch mal persönlich ins Gesicht sagen zu müssen, anstatt anonym über soziale Netzwerke. Für Facebook-Posts und 280-Zeichen-Tweets bleibt auch nach dem Unterricht Zeit. Und Schüler könnten wieder entspannen. Permanent online zu sein, erzeugt gehörigen Freizeitstress.