„Hamburgs Wunsch nach mehr individuellen Lösungen ist nicht nur naiv, sondern verstellt den Blick auf ihre eigene Verantwortung.“

Die Debatte, ob Noten in der Schule sinnvoll oder hinderlich sind, erlebt mal wieder eine Neuauflage. Ausgerechnet Niedersachsens neue Kultusministerin Julia Willie Hamburg hat sie mit ihren Aussagen erneut angestoßen. Doch offenbar lotet die Grünen-Politikerin ihre eigene Position noch aus. Sie wolle keine Noten abschaffen, sondern Schulen differenziertere Bewertungskriterien ermöglichen. Schule dürfe innovativ sein und neue Wege ausprobieren, sagte sie jetzt. Vorher hatte sie das System der Ziffernoten noch als nicht optimal bezeichnet.

Hamburgs Wunsch nach mehr individuellen Lösungen ist nicht nur naiv, sondern verstellt den Blick auf ihre eigene Verantwortung. Kultuspolitik ist Ländersache in Deutschland. Ministerin Hamburg hat also einen wirksamen Hebel in der Hand. Am Ende muss sie also entscheiden, ob sie das System Schule umkrempeln will, oder nicht. Niemand anders wird das für sie tun.

Mit dem Schulnotenstreit wird dabei eine Debatte geführt, die öffentliche Aufmerksamkeit verspricht. Aber ist sie auch zielführend? Sie doktert an den Symptomen eines viel größeren Problems herum. Es ist ein System, das derzeit lauter überforderte Akteure produziert. Noten sind die schnellste und zugleich ungerechteste Art, über Leistung zu richten. Soll das System überwunden werden, muss der Rahmen also geändert werden. Kleinere Klassen und weniger Stundenausfall wären ein Anfang.

Dann hätten Lehrkräfte vermutlich auch mehr Zeit, gänzlich zugeschüttete Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler freizulegen.