„Das Lachen von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet in Erftstadt war ein verstörendes Bild. Es wird ihn im Wahlkampf begleiten.“

Diese Katastrophe nimmt ein Ausmaß an, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Bei der Flut in NRW und Rheinland-Pfalz kamen 179 Menschen ums Leben. Dutzende werden noch vermisst. Nach der Katastrophe laufen die Aufräumarbeiten, einige Gegenden sind noch ohne Strom und Trinkwasser. An diesem Wochenende könnte es im Westen Deutschlands erneut heftig regnen. Hoffentlich geht es glimpflich aus.

In unserer Region kann man vielerorts gut nachempfinden, wie es den Menschen in den Krisengebieten gehen muss. 2002, 2014 und vor allem 2017 gab es auch bei uns Hochwasser. Goslar war heftig betroffen, auch Bad Harzburg, nur etwas weniger stark Gemeinden wie Schladen oder die Stadt Wolfenbüttel. Der Klimawandel ist auch bei uns angekommen. Er verschärft Wetterextreme. Strategien dagegen sind bekannt, man müsste die Sache nur ernst nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, gefolgt von dem damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen Christian Wulff (beide CDU), geht im Jahr 2006 in Gummistiefeln durch die fast komplett überflutete Altstadt von Hitzacker.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, gefolgt von dem damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen Christian Wulff (beide CDU), geht im Jahr 2006 in Gummistiefeln durch die fast komplett überflutete Altstadt von Hitzacker. © dpa | Kay Nietfeld

Von Hochwassern geplagt war in der Vergangenheit auch immer wieder das kleine niedersächsische Hitzacker an der Elbe. Im Juni 2013 gingen die Bilder von der höchsten jemals gemessenen Elbeflut um die Welt: 300 Hitzackeraner mussten Wohnungen, Läden und Büros verlassen. Die Hochwasserschutzwand hielt stand, das Siel blieb dicht, das Schöpfwerk war in Aktion: Hitzacker wurde nicht geflutet. Das hätte man sich auch in unserer Region gewünscht. Oder in der nun so dramatisch von der Flut getroffenen Eifel.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Hildesheim ist nicht gerade für Alarmismus bekannt. Nach der Flut im Westen Deutschlands wurden die Experten dort nach ihrer Einschätzung für Niedersachsen gefragt. Ihre Analyse: Im Zuge des sich wandelnden Klimas können extreme Ereignisse wie Hochwasser, aber auch Trockenheit, intensiver und häufiger auftreten.

Zudem geht der NLWKN davon aus, dass die Abflussmengen bei Hochwasser künftig an den mittleren und großen Flüssen wie Aller, Leine, Oker, Hase und Hunte insbesondere im Sommerhalbjahr zunehmen werden. Diese Einschätzung teilt auch Landesumweltminister Olaf Lies (SPD). Ihm zufolge sind vor allem die Bereiche um die Innerste, die Oker und die Aller unter besonderer Beobachtung. Diese Flüsse befinden sich alle in unserer Region. Das Hochwasser 2017 war kein Zufall.

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Wissenschaftler warnen seit vielen Jahren vor den Gefahren, die die Anreicherung von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre mit sich bringt. Der Hydrologe Ralf Merz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 Hochwasser vor allem in Gebieten in Nord- und Westeuropa zunehmend eine Bedrohung darstellen könnten. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung rechnet damit, dass es bis 2060 auch deutlich mehr Hitzetage geben wird. Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach vergangene Woche davon, dass wir an der Schwelle epochaler Veränderungen stehen würden.

Viel diskutiert wurde nach der Flutkatastrophe auch über Politiker, die durch die Krisengebiete reisten. Bad Harzburgs Bürgermeister Ralf Abrahms erinnerte daran, dass er Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) einst einfach mit dem Hinweis abblitzen ließ, er habe Besseres zu tun, als sich um Polit-Prominenz zu kümmern. Dabei gab es schon viele Fluthelden der deutschen Politik. Der damalige Polizeisenator Helmut Schmidt (SPD) während der Hamburger Sturmflut 1962 etwa. Brandenburgs „Deichgraf“ Matthias Platzeck (SPD) bei der Oderflut 1997. Im Jahr 2002 verspielte Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) seinen Umfrage-Vorsprung, als er lediglich im Helikopter über die Krisengebiete flog, während Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Gummistiefeln am Boden den Macher gab.

Das Lachen des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in Erftstadt war ein verstörendes Bild. Auch wenn er sich dafür entschuldigte: Es wird ihn im Wahlkampf begleiten. Dem CDU-Politiker fehlt das Gespür für die Situation, das bleibt haften. Es stellt seine Fähigkeit als Krisenmanager massiv in Frage.

Doch wieder zurück nach Niedersachsen und abgesehen von Vorzeige-Beispielen wie Hitzacker: Warum ist trotz der Einsicht in den Klimawandel in den vergangenen Jahren beim Hochwasserschutz so wenig geschehen? Man kann nicht sagen, dass gar nichts geschehen ist. In unserer Region zum Beispiel weist der Wasserverband Peine zu Recht darauf hin, dass er zusammen mit dem Land Niedersachsen fünf Millionen Euro für den Hochwasserschutz im nördlichen Harzvorland investierte. Auch Bad Harzburg steckte nach dem Hochwasser 2017 insgesamt 3,4 Millionen Euro in Dämme und Pumpen.

Wir brauchen aber mehr Regen-Rückhaltebecken, die Genehmigungsverfahren für deren Bau dauern viel zu lange. Wir versiegeln in Niedersachsen immer mehr Flächen. Außerdem muss das Warnsystem für die Bevölkerung verbessert werden. Von den vor Jahrzehnten überall installierten Alarmsirenen sind nur noch 20 bis 30 Prozent vorhanden. Kein Scherz.

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