„Mit dem Urteil zum Klimaschutzgesetz hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls Weitsicht bewiesen.“

Vielleicht ist es die Unabhängigkeit von Legislaturperioden, vielleicht hat Karlsruhe auch einfach bessere Optiker als Berlin. Mit dem Urteil zum Klimaschutzgesetz hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls Weitsicht bewiesen. In seiner nüchternen Art hat das Gericht bestätigt, was Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Aktivistinnen und Aktivisten schon lange sagen: Das Klima verhandelt nicht. Jenseits aller politischen Abwägungen gibt es physikalische Realitäten, die nicht änderbar sind. Wie zum Beispiel die Menge von CO2, die maximal ausgestoßen werden kann, wenn die Welt zwei Grad – besser noch: 1,5 Grad – Erderhitzung nicht überschreiten will.

Auch wenn Politik Raum für die Ausgestaltung von Klimaschutz und den Interessenausgleich braucht, kann sie diese Grundlagen nicht ignorieren. Der Erste Senat hat klargemacht, dass der Kampf gegen die Klimakatastrophe im Kern eine Frage der Gerechtigkeit ist. Das gilt jetzt, weil Menschen in den Ländern, die vom Klimawandel am härtesten getroffen werden, am wenigsten dazu beigetragen haben. Aber auch auf lange Sicht, weil die Generation von Fridays for Future und die nach ihnen damit leben müssen, was die Älteren hinterlassen. Geht es weiter wie bisher, werden sie kaum noch Spielraum haben, über ihr Schicksal zu entscheiden, wenn sie endlich in der Position sind, es zu tun. Die Verantwortung liegt bei denen, die jetzt entscheiden – und bisher, sagt das Gericht, werden diese ihr nicht gerecht.

Welche juristischen Folgen sich über die Anpassung des Klimaschutzgesetzes hinaus aus dem Urteil ergeben, bleibt abzuwarten. Politisch zementiert das Urteil die Erkenntnis, dass Klimaschutz nicht ein Thema unter vielen ist, sondern das Fundament, auf dem in Zukunft alle großen Entscheidungen stehen müssen.