Den Widerstand des Architekten-Erben gegen den Einbau des Lüpertz-Fensters in Hannovers Marktkirche wird man schwerlich anders nennen können als halsstarrig, verbohrt, bestenfalls: übertrieben puristisch. Schließlich gibt es außer ihm niemanden, der etwas dagegen hat. Die Gemeinde will es. Und es ist auch gar nicht so schrecklich bunt, wie der Kläger meint. Eine gespenstische Luther-Gestalt, ein Jesus als eine Art Röntgen-Aufnahme, dazu fünf fette Fliegen. Ein Fenster, das womöglich auch einen Nerv der Gläubigen des Jahres 1946 getroffen hätte. Man wird seine Wirkung erst richtig ermessen können, wenn es eingebaut ist und Sonnenstrahlen hindurchfallen. Doch ist es eher unwahrscheinlich, dass dieses Fenster dem ursprünglichen Anspruch des Architekten Oesterlen völlig zuwider läuft, Ausdruck jener Nachkriegs-Mentalität aus Armut und Buße zu sein, die sich in Schmucklosigkeit und Reduktion auf die reine Gotik manifestieren sollte. Wäre diese Atmosphäre als solche zu konservieren? Wohl kaum. Eine Kirche ist immer zweierlei: ein Denkmal für die Spiritualität ihrer Entstehungszeit. Und zugleich ein spiritueller Gebrauchsort im Wandel des Zeitgeistes. So gesehen ist ja Oesterlens Wiederaufbau auch nichts anderes als ein zeitgebundenes Statement.

Dennoch hat der strenge Kläger doch einen – zumindest atmosphärischen – Sympathiepunkt. Das mag ihn auch unterschwellig motiviert haben: Da kommen diese selbstgefälligen Alpha-Männerfreunde daher, der Basta-Kanzler und das selbsternannte Genie, und okkupieren diesen so demütig zurückgenommenen Raum mit ihrer um historische Demut kaum bekümmerten Geste. So ist es trotz aller Halsstarrigkeit immerhin das Verdienst des Klägers, uns die Idee von Oesterlens bedenkenswerter Askese-Architektur noch einmal bewusst gemacht zu haben.