„Die eigentlichen Entscheidungen werden von den Länderchefs und Länderchefinnen gemeinsam mit Merkel hinter verschlossenen Türen getroffen.“

In der Corona-Krise stecken wir in einem Dilemma. Einerseits muss die Regierung angesichts steigender Infektionszahlen schnell Gegenmaßnahmen treffen können. Lange Entscheidungsprozesse können Leben kosten. Andererseits sind viele dieser Maßnahmen mit massiven Eingriffen in die Grundrechte verbunden. Solche Entscheidungen sind Sache des Parlaments.

Genau das aber findet nicht statt. Der Bundestag hat derzeit nur eine Statistenrolle. Die eigentlichen Entscheidungen werden von den Länderchefs und Länderchefinnen gemeinsam mit Merkel hinter verschlossenen Türen getroffen. Das mag in akuten Krisen gerechtfertigt sein. Aber dauerhaft ist der Bund-Länder-Gipfel nicht das richtige Gremium dafür – weder demokratietheoretisch noch strukturell. Das auch zeigt das Durcheinander, das jede Konferenz inzwischen begleitet.

Unterdessen wächst der Frust in der Bevölkerung. Weil die Parlamente momentan nicht die Orte sind, in denen Meinungsverschiedenheiten über die Corona-Politik öffentlich ausgetragen und wo transparent um Lösungen gerungen wird, fühlen sich viele Bürger in ihrer Unsicherheit allein gelassen. Das macht sie empfänglich für Verschwörungserzählungen. Wichtiger noch: Es schadet der Bereitschaft, Maßnahmen auch dann mitzutragen, wenn sie persönliche Belastungen bedeuten.

Und Angela Merkel? Die Kanzlerin scheint immer unwilliger, auf solche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Mag sein, dass sie als Naturwissenschaftlerin und Regierungschefin die Gefahr, die von Corona ausgeht, besser erfasst hat als viele andere. Aber ohne das Vertrauen der Menschen wird keine Corona-Strategie erfolgreich sein. Sie sollte sich davor hüten, auf den letzten Metern ihrer Kanzlerschaft das Ringen um die Akzeptanz ihrer Politik aufzugeben.