„Im Frühjahr hatte eine Null-Risiko-Strategie noch den Hauch einer Chance. Jetzt nicht. Das Virus lässt sich nicht ausgrenzen.“

Wer erinnert sich an Mitterteich? Im März hatte die örtliche Brauerei in Bayern zum Starkbier eingeladen – zur „Massen-Schluckimpfung“. Bald gab es nichts mehr zu lachen. Deutschlands oberster Stimmungskiller Markus Söder ließ in Mitterteich eine Ausgangssperre verhängen. Lokale Verbote wie in Berchtesgaden gab es schon im Frühjahr.

Bevor das ganze Land zum Hotspot wird, ist es besser, minimalinvasiv vorzugehen. Ein kleinräumiger Ansatz ist kräfteschonend und verhältnismäßig, kurzum: ein Gebot der praktischen Vernunft.

Indes hat die Methode ihre Grenzen. Erfolgversprechend ist sie in Kleinstädten und Landkreisen. Schon einzelne Bezirke in Berlin sind so groß, dass ihre Isolierung die gesamte Metropole in Mitleidenschaft ziehen würde. Ähnlich ist es im Ruhrgebiet. Hier stellt sich die Kontrolle eines Lockdowns anders dar als in Berchtesgaden. Wenn die Zahl der Infektionen steigt, werden Lockdowns folgen – lokal, regional, national.

Die stärkste Stimmung von allen ist die Sehnsucht nach Normalität, im Parlament angefangen, das sich in der Pandemie an den Rand drängen ließ. Der Bundestag hat im März dem Gesundheitsminister weitreichende Kompetenzen gegeben. In der Notsituation sollten die Herrschenden durchregieren – und das haben sie dann auch getan.

Das Rad zurückzudrehen, ist schwer. Erstens sind die Zahlen so schlecht wie im Frühjahr. Zweitens hat sich der Minister nicht einer Amtsanmaßung schuldig gemacht. Wenn jemand überhastet reagiert hat, dann eher das Parlament.

Im Frühjahr hatte eine Null-Risiko-Strategie noch den Hauch einer Chance. Jetzt nicht. Das Virus lässt sich nicht ausgrenzen. Es wird erst aufhören, wenn es keinen mehr anstecken kann. Das Ziel jedes Lockdowns, ob in Berchtesgaden oder landesweit, ist Zeitgewinn. Das ist schon alles. Und sehr viel.