„Andernorts werden derart wichtige Wahlen sensibler vorbereitet.“

Die krachende Wahlniederlage ist menschlich und beruflich eine traumatisierende Erfahrung für Ricarda Bier. Sie wollte Erste Bevollmächtigte der Wolfsburger IG Metall werden. Das ist nicht irgendeine Verwaltungsstelle, sondern die größte im Lande und zudem dank Volkswagen, seiner Dienstleister und Zulieferer sowie vieler mittlerer und kleinerer Betriebe ein Reallabor progressiver Gewerkschaftsarbeit. Für die internen demokratischen Prozesse der Gewerkschaft und die Diskussionskultur ist der Wahlausgang hingegen ein Segen.

Deutungsmuster des verblüffenden Wahlausgangs scheinen auf der Hand zu liegen. Die 34-jährige Bier, die sich bislang eher akademisch mit der Arbeitswelt beschäftigt hat, wäre die erste Frau an der Spitze des Wolfsburger Gewerkschaftshauses geworden. Sie ist aber nicht an einer etwaigen Macho-Kultur in der IG Metall gescheitert. Ricarda Bier war schlicht zu unerfahren, um die Bedürfnisse ihres Teams in der Verwaltungsstelle zu erkennen. Falsch ist auch die Annahme, nur Bier habe erkannt, dass die IG Metall sich intensiv um die vielen Programmierer der neuen Software-Organisation von VW kümmern müsse. Das Thema stand längst auf der Agenda. Fakt ist, dass das Betriebsklima im Gewerkschaftshaus schon seit Längerem nicht gut war. Das hätte der Ortsvorstand der Wolfsburger IG Metall erkennen müssen. Andernorts werden derart wichtige Wahlen sensibler vorbereitet. Und dort fließen dann auch keine Tränen der Enttäuschung.