Studierende kennen die Panik, wenn ein Dozent für Wochen oder Monate abtaucht und nicht erreichbar ist. Im Laufe eines Studiums erlebt fast jeder so eine Phase – und diese verdrängt in der Wahrnehmung dann schnell das Engagement der vielen Dozenten, die stets erreichbar waren. Denn dass diese Zahl überwiegt, zeigt auch die aktuelle Krise: Die Lehrenden adaptieren etwa ihre Veranstaltungen auf den Online-Betrieb, entwickeln zusätzliche Übungen und richten Sprechstunden über die App „Telegram“ ein. Häufig resultiert das in nicht gesehenen Überstunden. Doch auch bei den Studierenden baut sich ein Mehraufwand auf, der berücksichtigt werden sollte. Hier geht auf zig Kanälen eine Flut an Nachrichten ein, über die sie den Überblick behalten müssen. Auch ist es schwieriger, mehreren Videokonferenzen zu folgen als Seminaren vor Ort. Inwiefern in den Wohngemeinschaften ein vergleichbar effektives Lernen möglich ist, bleibt zudem fraglich. Nicht umsonst sind die Arbeitsplätze in den Bibliotheken in Prüfungsphasen heiß umkämpft.

Die Corona-Krise fordert von allen Beteiligten, die sogenannte Extrameile zu gehen. Es ist löblich, dass Klausuren in alternative Prüfungsformen umgewandelt werden. Dennoch ist auch hier die Lernatmosphäre nicht dieselbe. Es ist daher verständlich, dass Studierendenverbände einen Freiversuch fordern. So kann ein Studium in der Regelzeit beendet werden, ohne dass Studierenden ein Nachteil durch die aktuell komplizierten Umstände entsteht. Es ist ein Zugeständnis, das keiner Seite schadet – und Zugeständnisse müssen gerade alle machen.